09.08.2023
Ingeborg Salletmayr: 36h bei vollem Gehalt, dank reduzierter Leerzeiten
Offener Samstag, keine Fluktuation, ein motiviertes Team und Lehrlinge, die nach Abschluss im Unternehmen bleiben. Es gibt aber Grundvoraussetzungen, weiß Ingeborg Salletmayr, um dieses Arbeitsmodell wirtschaftlich umzusetzen.
Im Gespräch mit Juliane Krammer
Sie haben ein neues Arbeitsmodell in ihrem Salon eingeführt: 36h Woche bei vollem Gehalt. Welche wirtschaftlichen Maßnahmen braucht es für die Umsetzung?
Ingeborg Salletmayr: Ich bin 59 Jahre alt und führe seit 33 Jahren erfolgreich meinen Salon. Dafür muss ein Unternehmen auf sicheren Beinen stehen. Das ist eine Grundvoraussetzung, eine solche Maßnahme umzusetzen.
4h pro Woche weniger, wie rechnet sich das?
IS: Meine Mitarbeiterinnen machen in 36h den gleichen Umsatz, wie in 40h. Wir prüfen monatlich unsere Planung und haben ein gut funktionierendes Controlling. Das Ergebnis: Es gibt keine Nachteile, meine Mitarbeiter sind sehr motiviert. Ich habe keine Fluktuation, super Mitarbeiter und Lehrlinge, die nach Abschluss im Unternehmen bleiben. Mein Team freut sich außerdem, das Auto an einem Tag weniger benutzen zu müssen, so wird auch die Umwelt weniger belastet.
Wie wird die Auslastung koordiniert?
IS: Wir haben 4 Tage die Woche geöffnet.
Wie erfolgt so eine Umstellung?
IS: Ich habe diese Art der Mitarbeitermotivation bei Kolleginnen verfolgt und mich über einen längeren Zeitraum schlau gemacht. Außerdem erleichtert das neue Arbeitsmodell, gute Mitarbeiter zu finden. Aber auch für mich als Salonbesitzerin ist es einfacher, da ich einen Tag weniger im Salon sein kann. Das ist die Zukunft!
Das klingt jetzt alles sehr verlockend, aber Hand aufs Herz: Gibt es auch Nachteile?
IS: Natürlich sind die langen Arbeitstage sehr anstrengend. Donnerstag ist zum Beispiel von 8.30 bis 20:00 Uhr geöffnet. Aber nach einem Jahr der Umstellung will keiner mehr zum alten Modell zurück.
Wie sind nun die Öffnungszeiten?
IS: Mittwoch und Freitag 8:30 bis 18:30 Uhr, Donnerstag bis 20:00 Uhr und Samstag von 7:30 bis 13:00 Uhr.
"95% der Dienstagskunden ist es egal, an einem anderen Wochentag zu kommen. Bei Samstagskunden ist das nicht so einfach."
Viele setzen auf einen freien Samstag, Sie auf den Dienstag, warum?
IS: Natürlich gab es die Überlegung den Samstag zu streichen, aber wir sind am Land, es gibt viele Hochzeiten und andere Feierlichkeiten. Somit müsste immer wieder jemand vom Team an einem Samstag eingeteilt werden - Bräute kann man nicht an einem anderen Tag terminieren. 95% der Dienstagskunden ist es egal, an einem anderen Wochentag zu kommen. Bei Samstagskunden ist das nicht so einfach.
"Seit der 36h Woche wurden die Stehzeiten im Team reduziert."
Gibt es eine Leerzeiten-Regelung?
IS: Seit der 36h Woche wurden die Stehzeiten im Team reduziert. Meine Mitarbeiterinnen gehen nicht durchgehend eine Stunde auf Pause, sondern teilen sich die freie Zeit über den Tag, den Leerzeiten entsprechend, auf. Alle sind sehr flexibel in der Einteilung und bereit, früher mit der Arbeit zu beginnen oder auch länger an einem Tag zu arbeiten. Die 4-Tage Woche motiviert sie, ihre Arbeit in der vorhandenen Zeit sehr gut umzusetzen.
Wie groß ist ihr Team?
IS: Mein Team besteht aus 5 Personen inklusive eines Lehrlings.
Wie ist eine 4-Tage Woche bei Auszubildenden möglich?
IS: An einem Dienstag pro Monat werden Trainingstage abgehalten. Dann können die Lehrlinge in Ruhe üben und betreut werden. Diese Betreuung übernimmt eine Mitarbeiterin von mir.
"Ein angemessenes Gehalt ist selbstverständlich, aber das allein ist nicht der Schlüssel zum Erfolg: Sie müssen sich wohl fühlen und gern in die Arbeit gehen. ... Trotzdem muss man als Chefin konsequent sein und unternehmerisch denken."
Viele Kolleg*innen klagen über Mitarbeitermangel. Bei Ihnen ist das Gegenteil der Fall. Was machen Sie anders?
IS: Zusammenhalt, ein gesundes Arbeitsklima und das Wohlbefinden einer jeden Einzelnen haben bei uns höchsten Stellenwert. Wir pflegen einen respektvollen Umgang miteinander und begegnen uns auf Augenhöhe. Meinen Mitarbeiterinnen biete ich jeden Raum für berufliche Weiterbildung genauso wie persönliche Entfaltung. Sie sollen selbständig und verantwortungsvoll handeln. Ein angemessenes Gehalt ist selbstverständlich, aber das allein ist nicht der Schlüssel zum Erfolg: Sie müssen sich wohl fühlen und gern in die Arbeit gehen. Mein Team ist meine zweite Familie. Wir entscheiden alles gemeinsam, so auch die 4-Tage Woche. Trotzdem muss man als Chefin konsequent sein und unternehmerisch denken.
Ingeborg Salletmayr führt ihren Salon Friseurteam Ingeborg in Münzkirchen Oberösterreich.