Credit: Markus Schmidt

26.04.2024

Stephen Moody: Friseure sind wie Batterien …

Er ist Educataholic und glaubt an die Rückkehr des Friseurnachwuchses. Stephen Moody begeistert als Trainer jährlich tausende Stylistinnen und Stylisten und teilt mit uns seine Beobachtungen…

Raphaela Kirschnick im Gespräch mit Stephen Moody, Artistic Director Paul Mitchell

Stephen, seit August 2022 bist du Artistic Director bei Paul Mitchell. Von Sassoon zu Paul Mitchell. Wie war dein Entscheidungsprozess?
Stephen Moody:
Ich habe 32 Jahre mit Vidal Sassoon gearbeitet und dann weitere 10 Jahre mit Wella. Danach wollte ich mich eigentlich voll und ganz auf mich konzentrieren und definitiv nicht mehr mit einem großen börsennotierten Konzern. Und dann kam der Kontakt mit dem Familienunternehmen Paul Mitchell zustande. Nach allen Gesprächen wusste ich, dieses Unternehmen ist anders. Wir haben einen Präsidenten, der selbst Friseur ist und das macht einen großen Unterschied.

Was suchst Du?
SM:
Beständigkeit! Und was mich super freut, Paul Mitchell investiert in den Friseur. Es gibt ein großes Projekt in Santa Monica, dort entsteht eine Art Education Mekka für Friseurprofis und das ist ‚amazing‘.

Raphaela & Stephen | Credit: Markus Schmidt

Wie entfaltet sich damit dein Weg?
SM:
Ich wurde in eine Friseurfamilie geboren, im Salon großgezogen und mit 13 Jahren wurde ich Friseur. Meine Mom war ein Educataholic und so habe ich von klein auf erlebt, wie dich Weiterbildung und das konstante Investment in deine Skills erfolgreich machen. Und so folgte meine 42 Jahre lange Karriere als Friseur und Ausbildner. Die Entscheidung für Paul Mitchell war eine logische Entwicklung. Persönlich begeistert mich der Gedanke einem jungen Stylisten den Kopf zu öffnen und ganz viel Schneide-, Färbe-, Salonbusinesswissen hineinzugeben.

Deine Leidenschaft ist Schnitt oder Farbe?
SM:
Well, bei Sassoon musst du dich für Farbe oder Schnitt entscheiden, du kannst nicht beides machen. Ich fühlte mich immer stärker zu Shapes, Texture und Architektur hingezogen, meine Leidenschaft ist Schneiden, das kann ich am besten und noch besser bin ich darin, diese Kunst zu vermitteln. ABER! Der beste Schnitt ist nichts ohne die perfekte Farbe und hier kommt Colin Caruso ins Spiel, großartig, wie wir uns hier ergänzen.

Ist Sassoon noch wichtiger Bestandteil deines Stylisten-Daseins?
SM
: ‚Very much‘ und das wird niemals enden.

Was hat sich in deiner Arbeit als Trainer seither verändert?
SM:
1980 begann ich als Trainer, 2024 ist eine neue Ära, die heutigen 22-Jährigen sind komplett andere Wesen. Als Educator bin ich nicht nur fasziniert vom Haareschneiden, sondern davon, eine Verbindung mit diesen jungen ‚Hairdressern‘ aufzubauen und diese zu inspirieren, denn deren Gedankengänge, deren Inspirationsquellen und deren Aufmerksamkeitsspanne ist fundamental anders im Vergleich zu 1980. Das fordert auch mich als Educator heraus, denn ich muss mich an mein Publikum anpassen. Ich muss mich hier ändern.

"Auf meinem Grabstein sollen einmal zwei Wörter stehen: Share & Stick!"

Wie lautet deine Education-Mission?
SM:
Auf meinem Grabstein sollen einmal zwei Wörter stehen: Share & Stick! Ich teile (share) Information, Inspiration, Wissen und ich möchte, dass dieses kleben (stick) bleibt. Das ist mein Mission-Statement und ich hoffe, dass Menschen, mit denen ich vor 10, 20 Jahren trainiert habe, sich alle heute noch an mich und das Erlernte erinnern, das ist mein Ziel.

Du begleitest das Handwerk seit Jahrzehnten. Was ist für dich die relevanteste Änderung?
SM:
Speed! Und ich meine damit nicht, schneller Haare zu schneiden. Es dauerte 5 Jahre für die Beatles es nach Afrika zu schaffen. Heute kommt eine neue Band mit ihren Songs in den Satelliten und eine halbe Sekunde später ist sie in der ganzen Welt. Neue Looks, Produkte … Fingerschnippen!

Wie oft wachst du morgens auf und denkst dir, wow, das ist neu?
SM:
Ständig! Wenn ich im Flieger sitze, umgeben von 150 Menschen, dann gehe ich in meinem Kopf 150 Haarschnitte durch. Ich beobachte immer und ständig, sehe konstant Ideen. Ich verknüpfe Beobachtungen, sehe ein Kid, dass sich selbst die Haare gefärbt hat und das ist ‚raw‘, nicht schön, aber ‚raw‘ und dann entwickle ich das weiter und es entsteht etwas in meinem Kopf, ein neuer Look, eine Idee.

"Als Friseur bist du eine Batterie ..."

Was motiviert dich?
SM:
Meine Mutter sagte immer als Friseur bist du eine Batterie, du gibst und gibst und gibst, jeden Tag all deinen Klienten so viel. Aber irgendwann bist du leer. Und dann komme ich als Educator und helfe ihnen, diese Batterie wieder aufzufüllen.  

Du hast viele Awards gewonnen, bist NAHA 2021 Educator of the Year und auch in diesem Jahr wieder NAHA Finalist. Was bedeutet dir das?
SM:
Natürlich schmeichelt das, aber eigentlich ist es ‚Bullshit‘. Man darf sich auf diesen Auszeichnungen nicht ausruhen und so konzentriere ich mich sehr fokussiert auf das Heute und die Möglichkeiten, die der Tag und die neuen Menschen in meiner Klasse bringen. Ich bin nur so gut wie meine letzte Seminargruppe, das ist die einzige Auszeichnung, die wirklich zählt.

Dein Lieblingslook heute?
SM: ‚
I love French Bobs‘ und ich liebe Mullets. Die mache ich jetzt seit 10 Jahren und bin froh, dass diese ‚Layered Looks‘ wieder Mainstream werden. Für Friseure ist das ‚Good News‘, denn Haare werden kürzer und brauchen Form. Junge Menschen wollen anders als ihre Eltern aussehen und darauf hat jeder Friseur Antworten.

Das Friseurhandwerk leidet am massiven Nachwuchsschwund. Was beobachtest du weltweit und was sollte passieren?
SM: 
Ich sehe diesen Trend leider überall auf der ganzen Welt und das beschäftigt mich sehr. Als ich ins Friseurhandwerk kam, da war es cool ein Friseur zu sein, die fuhren große Autos, waren erfolgreich, hatten Geld und die Frauen. Das waren ‚amazing times‘. Heute ist das der Tattoo Artist. ABER, wie wir wissen, gehen Trends in ‚Circles‘ und kommen zurück. Es gibt eine große Schicht an Menschen, die haben alle Tattoos, die nächste Generation wird keine Tattoos mehr wollen. Warum? Weil ihre Eltern welche haben…  Ich bin verdammt optimistisch, dass wir bald wieder einen Return der jungen Menschen in unseren Beruf haben.

Lieber Stephen, ich danke dir für diesen optimistischen Ausblick und wünsche dir weiterhin viel Spaß und Erfolg als Educationaholic.

Credit: Markus Schmidt

Über Stephen Moody

Friseurlegende und weltweit bekannter Ausbilder Stephen Moody ist seit Juli 2022  Artistic Director bei John Paul Mitchell Systems. Er leitet die Entwicklung innovativer Ausbildungsprogramme für Salonpartner auf der ganzen Welt. 
Als Leiter der Vidal Sassoon Academy hat Stephen die Ausbildung weltweit über 30 Jahre lang maßgeblich geprägt und zur Produktentwicklung beigetragen. Er wurde mit dem prestigeträchtigen Intercoiffure Hair Cutting Icon Award in NYC und von Intercoiffure Mondial in Paris, Frankreich, mit dem Knight Award in Anerkennung seiner Beiträge zur Haarschneideausbildung ausgezeichnet. Als Ausbilder des Jahres wurde er 2021 zum „Haarschneider des Jahres“ gewählt. In Zusammenarbeit
haben Stephen und das Team kürzlich die Entwicklung des neuen Paul Mitchell® Pro Haircutting-Zertifizierungsprogramms vorangetrieben. Stephen ist gebürtiger Brite und lebt mit seiner Familie in Malibu, Kalifornien.