Serge Moreau stellt in seinen Workshops emotionale Kommunikations-Kompetenz und Typberatung in den Vordergrund | Credit: Michele Moreau

20.02.2024

Kundenberatung beginnt morgens im Badezimmer

What? Warum dem so ist, wann die Kaufentscheidung fällt und warum man gerade die jungen Leute einfach machen lassen sollte. Wir trafen Serge Moreau zum Interview.

Er ist Visagist, Friseur Trainer und Image-Berater. Seit über 30 Jahren hält Serge Moreau Vorträge, zumeist für L’Oréal Professionnel, und liebt, was er tut. Nun kam der Image-Experte mit seinem Beratungs- und Kommunikationskonzept nach Wien.

Serge Moreau am 19.02.2024 in Wien | Credit: imSalon / KO

Eingeladen hatte ihn Landesinnungsmeister Marcus Eisinger, der seit dem Umbau des Wiener Innungshauses in der Mollardgasse seinen Mitgliedsbetrieben regelmäßig unterschiedlichste Schulungsformate anbieten und die Kolleginnen und Kollegen „ins Tun“ bringen möchte.

Gekommen waren tolle Friseure, der Workshop war Wochen vorher ausverkauft. Auch, wer Serge Moreau längst kennt, hört ihm immer wieder gern zu und holt sich sein Beratungs-Update. Längst setzen nicht nur Friseursalons auf das Image-Know-how des Franzosen mit einem Salon im französischen Soufflenheim, sondern auch Modegeschäfte, Kosmetiksalons, Optiker oder auch mal eine Architektenschule. Weltweit ist er unterwegs – von Kanada bis in die Türkei, von Südkorea und Australien bis Südamerika. In über 30 Ländern schätzt man seine Expertise - trotz kultureller Unterschiede.

Wir haben den Image-Berater in Wien getroffen und kurz mit ihm geplaudert.

Friseure sind die Innenarchitekten der Kunden

Serge Moreau im Gespräch mit Katja Ottiger

"Ich frisiere keine Haare, ich frisiere den Menschen."

Serge, wenn du es herunterbrechen kannst: Was ist das Besondere an deinem Beratungskonzept?
Serge Moreau:
In der Beratung interessiert mich immer die Person, die Kundin als solche. Ich frisiere keine Haare, ich frisiere den Menschen. Und um den Menschen in den Vordergrund zu setzen, brauche ich Haare. Die Schale, die wir über unseren Körper werfen - Haare, Kleidung, Brille, Schmuck - ist unsere persönliche Entscheidung und da werden mitunter viele Fehler gemacht.

Die Beratung einer Kundin beginnt für dich nicht, nachdem die Kundin den Salon betreten hat, sondern …?
SM:
… morgens im Badezimmer! Wenn du dich vor den Spiegel stellst und dich fragst, was mache ich heute aus mir? Wie frisiere ich mich, was ziehe ich an? Der Gedanke dahinter: Du musst der Kundin Lust auf dich, auf deine Arbeit und auf deine Kreativität machen, in dem Moment, in dem sie den Salon betritt. Sie kauft sich ihr Ergebnis bereits nach 5 Minuten Beratung! Und dann möchte sie nicht wissen, wie ihre Haare aussehen, sondern wie SIE aussieht, als Person, wenn sie zwei Stunden später den Salon verlässt. Eine gute Beratung ist essenziell. Friseure sind heute im Fachlichen sehr gut geschult, können aber manchmal mit Kunden nicht richtig kommunizieren

"Wir müssen aufhören, zu denken wie früher."

Das liegt woran?
SM:
Weil die Sprache, die in den Schulen gelehrt wird, zu alt ist. Wir müssen aufhören, zu denken wie früher. Da muss sich etwas ändern. Wir können nicht immer die alten Bücher rausholen. Ein Steuerberater von heute rechnet nicht mehr mit Kügelchen, sondern verwendet dafür Technologien. Es war immer schon so, dass sich neue Berufe schneller entwickelt haben. In vielen Handwerksberufen sind die alten Strukturen noch vorhanden, aber keiner sagt, dass wir die ewig behalten müssen.

"Wenn ich heute einen talentierten Friseur habe, dann lasse ich den bei mir arbeiten, egal, ob er eine Prüfung hat oder nicht."

Du bildest seit 30 Jahren nicht mehr aus. Warum?
SM: Weil das System nicht mit meinen Erfahrungswerten zusammengeht. Durch meine internationalen Reisen habe ich viele Sachen gesehen und erlebt. Wenn ich heute einen talentierten Friseur habe, dann lasse ich den bei mir arbeiten, egal, ob er eine Prüfung hat oder nicht. Natürlich bin ich dafür, dass es Prüfungen gibt, auch die Meisterprüfung und dass die Innungen da sind.

"Die Jugend ist talentiert, die muss man machen lassen!"

Der Friseurberuf müsste neugestaltet werden. In den Berufsschulen werden die „alten“ Systeme erhalten. Aber die jungen Friseure von heute sind so kreativ. Jugendliche können heute Hochsteck- oder Flechtfrisuren machen, die richtig gut sind, obwohl sie keine Friseure sind. Sie lernen schneller, nutzen das Internet mit allen Angeboten. Es gibt Leute, die in sechs Monaten Friseur sein können, wenn man sie gleich arbeiten ließe. Die sind motiviert. Aber die Schule bremst sie ein. Nichts gegen die Dauerwelle, nur wie oft macht die der durchschnittliche Friseur noch? Ich sage: Die Jugend ist talentiert, die muss man machen lassen!

Digitalisierung: "Wir müssen wissen, was auf uns zukommt."

Du sagst von dir selbst, acht Stunden am Tag im Internet unterwegs zu sein …
SM:
Ich bin immer auf der Suche nach Neuigkeiten. Wir müssen wissen, was auf uns zukommt. Chat GPT beispielsweise. Das ist doch auch toll! Wenn ich heute Briefe schreiben möchte, frage ich Chat GPT und bekomme einen ganzen Text. Die Technologien sind da, also sollten wir sie verwenden! Das ist vielleicht am Anfang kompliziert, aber wenn du dich damit auseinandersetzt … Man muss an sich arbeiten. Immer, das ist nun mal so!

Bei einer imSalon-Umfrage, die wir unter deutschen Friseurunternehmen gemacht haben, geben 64 Prozent der Friseurinnen und Friseure an, negativ in die Zukunft zu blicken. Wie siehst du das?
SM:
Die Frage ist doch: Was machst du dagegen? Ich sage: Tu was! Beweg dich – und das jeden Tag immer ein Stück weiter! Wenn ich höre, dass Friseure sagen, sie verdienen zu wenig, dann sage ich: Mach etwas anderes! Du musst Spaß haben! Jeden Tag!

Was die Zukunft bringen wird, ist, wie wir mit Menschen umgehen. Ich behaupte nicht, dass meine Beratung die richtige ist, es gibt unzählige Konzepte ... Aber mein Konzept hat mein ganzes Privatleben geändert, weil ich eine andere Einstellung Menschen gegenüber habe. Ich hatte das Glück, viele Kulturen kennenzulernen und andere Visionen und damit Menschen zu bewegen. Eigentlich wollte ich aufhören, Seminare zu geben. Ich stehe schon lange nicht mehr am Stuhl und mit über 70 muss man irgendwann mal sagen, dass es gut ist. Aber so lange ich immer noch Anfragen bekomme, bin ich dabei!

Serge, vielen Dank, dass du dir spontan Zeit für uns genommen hast!