Domenico Galizia | EPICMINUTES PRODUCTION & privat

03.10.2016

Sebastian Pfister erzieht Männer ...

Schlecht erzogene Männer, religiöse Einflüsse auf Bärte und Bourbon zum Frühstück, HALLO ...

Aus Gaudi hat Sebastian Pfister mit Barber Pop-Up Shops begonnen und ist Herrenfriseur aus Überzeugung geblieben, authentisch bis in kleinste Detail. Testosteron wohin man blickt: Ledersofas, Männerzeitschriften, Flatscreeens, Tätowierer, eine gut bestückte Bar und die alles überblickende „Chefecke“. Wir reden beim morgendlichen Bourbon, während unentwegt das Telefon läutet. Termine vergeben am Fließband. "Das muss so gehen, denn alles andere würde nicht funktionieren! Bei uns ist alles exklusiv, nicht aus dem Katalog.", spricht der Chef und schmunzelt.

Ein Early-Bird-Gespräch mit Katja Ottiger
 

Sebastian, warum Barber-Shops?
Sebastian Pfister: Weil ich eine Atmosphäre schaffen wollte, in der Männer wieder gern zum Friseur gehen, wo Mann sich wohlfühlt und eine Behandlung auch gerne annimmt.

„Unsere Branche hat sich die Männer schlecht erzogen.“

Ist es denn so, dass Männer sich unwohl fühlen?
SP: Das ist doch klar! In den letzten 20 Jahren, mit den Unisex-Salons, da sitzt neben dir die Frau Meier mit Strähnen am Kopf und rechts die Frau Huber mit der Farbe. Als Mann sagt man zu dir: Geht schon, wir schieben dich irgendwie rein und dann wirst du in zehn Minuten abgefertigt. Da kommt kein Wohlbefinden zustande. Es gab sicher auch Friseure, die das anders gemacht haben, aber Fakt ist: 90 Prozent aller Männer gehen ungern zum Friseur. Da hat sich unsere Branche die Männer schlecht erzogen, würde ich sagen.

Deshalb auch die männliche „Unart“, für 10-15 Euro zum Friseur zu gehen?
SP: Sicher. Es war doch egal, ob ich bei einem 10 Euro-Friseur oder bei einem 50 Euro-Friseur eine schlechte Beratung bekomme und sich der billige oder der teurere Friseur für mich keine Zeit nimmt. Bei uns gibt es keine schnell, schnell zwischenrein Behandlungen.

Wie lang dauert euer Männerservice im Durchschnitt?
SP: 30 Minuten. Plus Viertelstunde vorher zum Ankommen und eine halbe Stunde hinterher zum Bleiben.

Wie viel Whiskey pro Behandlung bekomm ich denn?
SP: Es ist für jeden ein Getränk gratis dabei. Ob Whiskey oder Kaffee, ist jedem selbst überlassen. Und es kann ein jeder gern auf ein weiteres bleiben. Und ob der Kunde Zeitung liest, Video schaut, Emails macht oder einfach nur da sitzt und Musik hört. Es geht darum, einfach mal abzutauchen.

Darfst du legal ausschenken und Getränke verkaufen?
SP: Natürlich, ich habe eine Gastrolizenz. Aber das hier ist keine Bar für jeden. Sie ist lediglich Zusatz für unsere Gäste. Unserer Männer kommen oft zu zweit oder zu dritt. Und denen, die hierbleiben, biete ich eine würdige Warteatmosphäre.

Und was verlangt Mann bei euch?
SP: Die meisten kommen zum Haare schneiden. Ich mache tendenziell mehr Haarschnitte als Bärte. Aber der Großteil der Kunden lässt, wenn er schon mal da ist, auch den Bart in irgendeiner Variante richten, ob es der Drei-Tagesbart ist, der Schnauzer, Vollbart oder ein Haarschnitt plus Gesichtspflege-Behandlung.

Was ist mit Maniküre? Oder Schultern und Rücken waxen?
SP: Wir machen die Finger und alles am Kopf und im Gesicht, sprich Haare, Nase, Ohren, Augenbrauen. Für den Rücken haben wir ein Waxing-Studio, das wir empfehlen.

Arbeitet ihr mit personalisierten Klingen?
SP: Nein, bei uns werden die Klingen immer getauscht. Personalisierte Messer machen wir nicht. Ein eigenes Messer kostet schon seine 300 Euro. Der durchschnittliche Kunde zahlt das nicht.

Barbershops hypen, können die zukünftig alle überleben?
SP: Ich sehe da keine Probleme. Zunächst einmal ist es ein Fehlglaube, dass Barbershop zwingend etwas mit Bart zu tun hat. Das ist ja nichts anderes, als das englische Wort für „Herrenfriseur“. Und ein Herrenfriseur hat für mich genau die gleiche Daseinsberechtigung wie jeder andere Friseur. Denn auch bei IHM wachsen Haare oder gehen sie früher oder später aus. Und das kann bei IHR genauso passieren.

Seit wann trägst du einen Bart?
SP: Seit er mir gescheit wächst. (lacht). Ich hatte irgendwie immer einen, mal länger, mal kürzer, dann wieder weg, dafür längere Haare. Und irgendwann stand ich vor der Entscheidung: Lange Haare, kurzer Bart oder kurze Haare, langer Bart?

„Wenn das nicht passt, kommt der Moment, wo der Mann sagt, ein Bart kratzt mich!“

imSalon.at: Wie hältst du es mit der Pflege?
Ich bin relativ spartanisch. Seife, Öl und Balsam, Bartkamm. Aber es gibt es eine große Palette an Bartprodukten: Bartöl, Bartshampoo, Seife, Balsam, Wachs, Conditioner, Kämme, Bürsten.

Conditioner?
SP: (Lacht) Ja! Auch den! Grundvoraussetzung für einen guten Bart ist die Pflege der Haut darunter. Das Öl ist gegen das austrocknen und schuppen der Haut. Wenn das nicht passt, kommt der Moment, wo die Männer sagen: Ich habe einen Bart probiert, aber der juckt mich nach zwei Wochen. Das ist vollkommen klar! Die Haut ist gewöhnt, immer an der Luft zu sein. Und plötzlich deckst du sie ab, es kommen weder Creme noch Wasser und weniger Sauerstoff an die Haut. Man muss bei der Reinigung einen viel größeren Aufwand betreiben. Mit Bartseife oder Bartshampoo gut shampoonieren, wie eben am Kopf auch. Bartbalsam bringt Leichtigkeit, bessere Formbarkeit und Geschmeidigkeit ins Barthaar.

Was ist mit Farbe im Bart?
Wir färben Bärte nicht. Aber was man machen kann, sind Kaschierungen. Camouflagefarben, die es für die Haare gibt, die sind sicher auch gut für den Bart geeignet. Zu plakativ würde ich nicht färben. Der Bart lebt von seinen vielen natürlichen Schattierungen und die machen es für mich auch aus.

Barttrend, wohin geht der?
SP: Ich war letztens auf der Fashion Week in Wien und bei einer Show war die Aussage, dass der Bart weniger wird. Das glaube ich nicht. Der Mann fängt gerade wieder an, Mann zu sein. Das haben wir jetzt 15 Jahre lang gehabt, metrosexuell mit gewaxter Brust. Klar, der Barttrend wird sich ändern. Er wird länger werden, kürzer werden. Auch der Bart ist, wie Mode, schnelllebig. Es geht heute vielmehr um Einstellungen, um Lifestyle, um das Gefallen. Wenn ich verschiedene Zeitschriften durchblättere, sehe ich Verschiedenes beim Bart, der Frisur, der Mode. Ein weites Spektrum. Da lässt sich schwer eine Aussage treffen.

„Man wird sich seinen Bart nicht religiös anheften lassen...“

Wie beeinflusst uns Religion? Einen langen Bart assoziieren viele Menschen mit Taliban.
SP: Genau das heißt es! Natürlich wird die Art Bart zu tragen auch durch die Religionen beeinflusst. Denn es gibt gewisse Merkmale. Diese für uns typischen Taliban Bärte haben fast nie eine Oberlippe. Der Bart hat die Kontur nicht oben, sondern meist fängt sie weiter unten an. Ich empfehle niemandem meiner Kunden, den so zu tragen, eben weil er religiös behaftet ist. Da ist Beratung wichtig. Wir haben dieses Problem mit der Oberlippe beispielsweise immer wieder bei Musikern, die im Orchester Blasinstrumente spielen und durch zu langen Bart Schwierigkeiten mit den Mundstücken haben.
Jemand, der bewusst, so wie ich, einen langen Bart trägt, wird sich den nicht religiös anheften lassen. Klar, blöde Sprüche gibt es immer. Wenn es nicht der mit dem Taliban ist, dann ist es der Alm-Öhi-Spruch. Man könnte dann antworten, dass im Gesicht eines Zwölfjährigen nix wächst. So ein Schlagabtausch kann hin und her gehen, wenn man will.

Gibt es den typischen Barbershop-Clienten?
SP: Nein. Wir haben hier Studenten, CEO´s von großen Firmen, Müllmänner, Richter und Anwälte. Alles quer durch.

imSalon: Wie finden die euch?
Wir machen ziemlich viel Werbung, sind auf vielen Events dabei. Wir haben eine Kooperation mit Masters of Dirt. Überall, wo die sind, sind in Zukunft auch wir bei den Shows mit ein, zwei Stühlen dabei. Wir haben gerade ein T-Shirt für Masters oft Dirt designt, was jüngst auf der Fashion Week vorgestellt wurde. Und wir arbeiten mit Harley Davidson zusammen und Ducati. Wir versuchen, dass unsere Gäste immer eine Gaudi haben und bieten Möglichkeiten, die andere nicht haben. Wir lieben diese Quervernetzungen.

Du fährst natürlich Harley?
SP: Schmunzelnd: Selbstverständlich.

„Friseure dürfen sich nicht länger ins Eck drängen lassen. Wir haben was zu bieten.“

imSalon: Um auf euch aufmerksam zu machen produziert ihr regelmäßig auch Videos z.B. zur Mitarbeiterrekrutierung.
Alle unsere Videos sind in house, aber professionell produziert, mit Freunden. Wir schreiben unsere Drehbücher selbst, setzen uns in Meetings zusammen, überlegen jedes Detail. Klar, geben wir hier viel Geld aus. Aber wir werden auf Google besser gefunden und es ist letztlich nicht nur für den eigenen Betrieb gut, sondern für unseren Berufsstand. Jeder Konzern muss sich heutzutage gut verkaufen, um dem Fachkräftemangel entgegen zu wirken. Nur so findest du gute Leute, um wirtschaftlich arbeiten zu können. Friseure dürfen sich nicht länger ins Eck drängen lassen. Wir haben was zu bieten. Und dazu gehören Qualität und ein gutes Umfeld.

Welche Anforderungen stellt das an die Mitarbeiter?
SP: Authentizität ist wichtig und den Lifestyle muss man mögen mit Blues, Rock, Whiskey und Tätowierer. Ob das eine Frau oder ein Mann ist, ist mir egal. All das hier ist für Männer und der Umgangston ist sicherlich ein anderer. Da sollte man ein bisschen Schmäh führen und Kontra geben können und wissen, wann Kommunikation angesagt ist oder lieber ein schweigender Haarschnitt. Gutes Handwerk setz ich voraus.

Euer Logo gibt es nicht nur auf T-Shirts. Du trägst es auf der Haut.
SP: Und nicht nur ich! Das tun mittlerweile 28 Menschen. Männer und Frauen vom Hals bis zum Fuß. Die sehen das nicht als Logo. Die finden einfach, das ist eine coole Sache.

Nicht zu fassen! Wann hattest du dein erstes Tattoo?
SP: Mit 23.

Und gibt es ein Lieblingstattoo? Oder gehen die langsam alle ineinander über?
SP: Ich mag alle meine Tattoos. Und ja, es wird langsam alles eins! (lacht.) Meine Lieblingstattoos sind die kleinen, die mit persönlicher Geschichte dahinter, die mich an Erlebnisse erinnern und an gute Zeiten, die ich mit guten Freunden verbracht habe, Tattoos, die z.B. in Bangkok 5 Uhr in der Früh entstanden sind. Aber ich schau schon, dass ich ein Gesamtkonzept zusammen krieg.

imSalon: Empfindest du deinen Vater (Peter Pfister, Anm.) als einen "Schatten?"
SP: Nein, als Schatten überhaupt nicht. Der Papa hat wahnsinnig viel vorgelegt und ist mit dem, was er alles tut und erreicht hat, ganz vorn dabei. Und das, solange ich mich erinnern kann. Ich war immer der Bua vom Pfister Peter. Aber wenn man sich einen eigenen Namen machen möchte, muss man schauen, seine eigenen Abdrücke zu hinterlassen. Und sich an anderen orientieren, um einen eigenen Blick auf die Dinge zu bekommen. Denn der Pfarrer in der eigenen Kirche …

Würden die Intercoiffeure für dich infrage kommen?
SP: Auf jeden Fall! Es sind Top Leute dabei mit einer Super Qualität. Es ist ein großartiges Netzwerk. Für mich auf jeden Fall eine tolle Vereinigung, bei der viel passiert und sich weiterentwickelt. Und darauf kommt es an.

Über Sebastian Pfister

  • Matura, Bundesheer, Friseurlehre
  • Ausbildung bei Oliver Bohn und Manfred Hohmann, Deutschland
  • Studium internationales Marketingmanagement in den USA
  • Studium Recht und Unternehmesführung in Wiengestartet mit Pop Up Shops 2014 in Tirol und Salzburg
  • 2 Barbershops: Ramsau in Tirol und Salzburg