Credit: Emidio Gaudioso | Hair Help The Oceans

26.05.2023

Emidio Gaudioso: Wir testen Haare als Feldbewässerung während Hitzeperioden

Über 1.500 Salons in 8 Ländern zählen sich zur Hair Help the Oceans Community. Friseur und Visionär Emidio Gaudioso setzt sich das nächste Ziel: Jetzt sollen mit Salon-Haaren nicht nur die Gewässer sauber gehalten werden, sondern davon auch die Landwirtschaft profitieren.

Im Interview mit Juliane Krammer

Hallo Emidio, du hast Organisation Hair Help the Oceans gegründet, um nach dem Vorbild der französischen „Fairen Friseure“ Haare gegen Ölverschmutzung einzusetzen. Wie viele Salons machen aktuell mit?
Emidio Gaudino:
 ► Thomas Keitel und ich haben das Projekt gemeinsam gestartet und sind mittlerweile in 8 Ländern mit 1.500 Partner-Salons vertreten. Wir wachsen täglich. Man sieht, wie viele Menschen wollen, dass etwas in Sachen Nachhaltigkeit und Umwelt passiert. Unser Ziel ist es mit Ende des Jahres 2.000 Partner-Salons zu zählen. Ich bin mir aber sicher, dass wir das schon bald sagen können.

"Wir arbeiten gemeinsam an einer Agrarlösung, um diese in Ländern mit langen Hitzeperioden einzusetzen. Es fing mit den Meeren an, aber jetzt geht es weiter. Wir haben keinen Ressourcenmangel, Haare wachsen immer."

Stimmt es, dass ihr nicht nur die Meere mit Salon-Haaren sauber halten wollt, sondern auch die Landwirtschaft davon profitieren soll?
EG:
Mit ► Matter of Trust aus den USA stehen wir monatlich im Austausch. Die sind gerade dabei, Haare auch in der Agrarwirtschaft einzusetzen. Denn Haare können nicht nur Öl aufnehmen, sondern speichern auch Feuchtigkeit. In Chile wurde ein Test durchgeführt mit dem Ergebnis, dass die Pflanzen 30% mehr Ertrag haben, wenn diese mit feuchtem Haar versorgt werden. Wir arbeiten gemeinsam an einer Agrarlösung, um diese in Ländern mit langen Hitzeperioden einzusetzen. Es fing mit den Meeren an, aber jetzt geht es weiter. Wir haben keinen Ressourcenmangel, Haare wachsen immer.

Wo werden die gesammelten aktuell Haare eingesetzt?
EG:
Die Haare kommen alle nach Bückeburg und werden von unserer Maschine, die wir diese Woche erhalten haben, zu 50 Meter Haarschläuchen mit 18cm Durchmesser verarbeitet. Das Gerät wurde extra für unsere Bedürfnisse entwickelt. Davor waren unsere Haarschlangen 10cm dick.

Was steckt hinter diesen Maßen? Was machen diese 8cm im Durchmesser aus?
EG:
Es braucht einen größeren Durchmesser, um zum Beispiel Öle in unruhigeren Gewässern besser zu filtern. Wir bekommen in den nächsten Monaten zusätzlich eine Maschine, die Haarmatten herstellt. Dann bieten wir Haarschläuche und Haarmatten an.

Wo werden „Haarwürste“ und wofür die Haarmatten eingesetzt?
EG:
Die Würste werden eingesetzt, wenn z.B. ein Motorboot oder ein Tanker ausläuft, um den Ölabfluss einzudämmen. Die Haarmatten wiederum sollen das Öl, das zusammengehalten wurde, aufsaugen, um dieses anschließend entsorgen zu können. Die Haarschlangen haben aber auch eine weitere Funktion: An Stränden von Badesee oder Meeren sollen diese Reste der Sonnenmilch, die an der Oberfläche schwimmen, absorbieren und so das Wasser sauber halten.

Wie ist die logistische Abwicklung für die Salons?
EG
: Die Kollegen schneiden die Haare, packen diese in Kartons und schreiben uns eine Mail. Danach holen wir das Paket mit einem Postpartner ab. Ausgenommen die Schweiz: Die Coiffeure müssen uns die Pakete schicken, weil das mit dem Zoll nicht so einfach ist. Wir versuchen hier aber ein Lager zu finden, damit wir die Haare gesammelt nach Deutschland bringen können.

Welche Kosten kommen auf mich als Salon zu, wenn ich Hair Helper werden will?
EG:
Wir verrechnen 1 Euro pro offenem Salon-Tag, das sind 21 Euro pro Monat. Ausnahme ist Österreich mit 26 Euro monatlich, weil das Paketabholen mehr kostet. Im Beitrag sind eine monatliche Abholung, Werbematerial und auch das Zertifikat enthalten, wir supporten die Salons auf Social Media und es gibt auch Unterstützung, wenn es um Interviews zum Thema geht. Man wird mit dem Beitrag Teil unserer Hair Helper Community …

Unter welchen Voraussetzungen kann ich mitmachen?
EG:
Wir nehmen alle Haare, weil wir alles brauchen können. Ob gefärbt, lang, kurz, Barthaare, … wir verwenden jegliches Menschenhaar.

Wo soll es mit Hair Help the Oceans noch hingehen?
EG:
Ein Traum ist, das Konzept weltweit aufzuziehen. Wir wollen, dass vor Ort schnell reagiert werden kann, denn es bringt nichts, Haarmatten aus Deutschland nach Norwegen zu transportieren. Ziel ist, dass wir in jedem Land einen Stützpunkt haben, damit unser CO2 Ausstoß so gering wie möglich gehalten wird. Alle Touristenregionen mit Badeseen brauchen Haarschläuche in der Nähe.
Wir möchten außerdem zukünftig Oberschmutzwasser und Regenwasser filtern. Haar kann auch Anteile von Mikroplastik absorbieren – zum Beispiel in der Kanalisation.
Aktuell arbeiten wir an einer Zertifizierung, um Schläuche an die Feuerwehr weitergeben zu dürfen. Nur Produkte, die den bürokratischen Prozess durchlaufen haben, sind zum Einsatz bei der Feuerwehr erlaubt.

"Wir können nicht allein die Welt retten, das ist nur global als Gemeinschaft möglich."

Es gibt viele Start-ups und Unternehmen, die Haare sammeln, um Filter zu produzieren. Sind das Konkurrenten oder schließt man sich hier zusammen?
EG:
Wir können nicht allein die Welt retten, das ist nur global als Gemeinschaft möglich. Es haben zeitgleich mit uns Start-ups gestartet, die wir nicht als Konkurrenten sehen. Wie im Fall von Matter of Trust - wir versuchen gemeinsam Lösungen für die Zukunft zu finden.

Vielen Dank für das spannende Gespräch und alles Gute für die Zukunft!