Diethard Mausser ist seit 13 Jahren Landesinnungsmeister der Friseure im Burgenland | Credit: Chris Hofer imSalon

29.09.2023

Diethard Mausser: Das derzeitige duale System ist mir ein Dorn im Auge

Raus aus der Schule und rein in den Betrieb! Die Anforderung an die Zukunft heißt Spezialisierung, auch im dualen System – davon ist Diethard Mausser, burgenländischer Innungsmeister überzeugt.

Ein Gespräch mit Katja Ottiger

Herr Mausser, Sie sind Landesinnungsmeister im Burgenland. Was sind dort die besonderen Herausforderungen?
►Diethard Mausser: 
Es gibt zwei große. Zum einen ist es die Preissituation. Wir sind östliches Grenzgebiet, was sich mit den Preisen im Westen nicht vergleichen lässt. Gegenüber der Konkurrenz in Ungarn hat man nur eine Chance, wenn man mit Qualität punktet.
Zum Zweiten sind es die EPUs und hier vor allem die Kleinstbetriebe, die zu einem gewissen Satz umsatzsteuerbefreit sind. Zusammen mit Ungarn tut das den hiesigen Geschäften nicht gut.

Sie leiten den Arbeitskreis Aus- und Weiterbildung in der Bundesinnung, haben u.a. mit Berufsbild, LAP und Meisterprüfung zu tun.Wie stehen Sie zum dualen Ausbildungssystem?
DM:
Das duale System in seiner derzeitigen Form ist mir ein Dorn im Auge. Dieses System kenne ich, seit ich auf der Welt bin, meine Mutter wurde in den 40er Jahren danach ausgebildet. Es ist in die Jahre gekommen. Die Vielfältigkeit ist noch vorhanden, aber nicht mehr aktuell.

„Praktische Ausbildung kann nirgends besser passieren als im Betrieb. (…) Die gesamte Praxis muss raus aus der Schule und rein in den Betrieb.“

Was ist Ihr Denkansatz?
DM:
Praktische Ausbildung kann nirgends besser passieren als im Betrieb. Die wirtschaftliche Ausbildung beispielsweise, die wir in Zukunft wesentlich mehr brauchen werden, gehört im dualen System in die Berufsschule. Denn ich sehe das bei den Vorbereitungskursen für die Meisterprüfungen: Oft fehlt das wirtschaftliche Denken.

Für die Berufsschule heißt das: Praxisplätze raus und Theorie wie Wirtschaft und Digitalität rein?
DM:
Ja, ich plädiere dafür, das gewachsene System umzudrehen: Die gesamte Praxis muss raus aus der Schule und rein in den Betrieb. Alles wesentlich Schulische, aber auch Wirtschaft und Marketing, Digitalität, Kalkulation und die deutsche Sprache gehören in die Berufsschule. Das alles wird in der Zukunft massiv gefordert werden und wenn man sich die Entwicklung anschaut, kann es in gar keine andere Richtung gehen.

„Wir gehen auf eine Zeit der Spezialisierung zu (…), wir müssen uns innerhalb des dualen Systems spezialisieren.“

Wie garantiert man dann, dass Lehrlinge in den Lehrbetrieben bestmöglich ausgebildet werden?
DM:
Bei der Fülle der Kreativität in unserem Beruf und den Anforderungen an unser Handwerk, wird es nicht möglich sein, dass jeder Betrieb alles gleich gut ausbilden kann. Wir gehen auf eine Zeit der Spezialisierung zu. Wir spüren das doch schon, denken wir beispielsweise an Haarersatz, Haarverlängerungen. Das alles sind gelernte Friseurinnen und Friseure, die sich weitergebildet und spezialisiert haben. Wir müssen uns auch innerhalb des dualen Systems spezialisieren.

Dürfte nach diesem Gedankengang ein Salon, der ausschließlich Farbe macht, ausbilden?
DM:
Kritiker würden genau mit diesem Argument kommen und es würde sich nichts ändern. Es ist ein Gedanke, der weitergedacht werden muss, auch im Zugang zu den Gewerberichtlinien. Aber wenn Sie sich heute irgendwo spezialisieren, egal in welchem Feld, habe Sie Haare schneiden schon einmal anderswo gelernt und praktiziert und können das dann auch weitergeben.    

Wie kann ich mich als Lehrling spezialisieren, wenn mein Salon in einer anderen Richtung aufgestellt ist? Gäbe es da vonseiten der Innung Unterstützungsmöglichkeiten?
DM:
Das probieren wir derzeit in unserer Berufsschule. Die Landesinnung Burgenland engagiert eine Firma, die sich auf verschiedenste Services spezialisiert hat, wie Ausbildung in der fachlichen Kopfmassage, beim Augenservice und der Maniküre für das 1. Lehrjahr. Das steigert sich natürlich in den folgenden Ausbildungsjahren bis zu Haarverlängerungen. Die Lehrlinge bekommen über jede Spezialisierung ein Diplom, was im Betrieb wiederum zu Umsätzen führen kann: Warum eine fachliche Kopfmassage nicht um 10 Euro anbieten?

Wie sind die Kosten bei diesem Modell geregelt?
DM:
Die Kosten übernimmt die Innung. Derzeit geht es auch noch um die geforderten Praxisstunden laut Ausbildungsplan, dem wir entsprechen müssen. Das ist ein Grundkonzept, mit dem wir einen Grundstein legen. Industriepartner bieten weitere Ausbildung und Spezialisierungen an.

Das ist spezifisch im Burgenland?
DM:
Nein, solche Ansätze gibt es z.B. im Bereich Strähnen- und Farbtechniken bereits schon in Kärnten, aber auch andere Innungen ziehen mit.

Können Sie auf die Unterstützung der Berufsschullehrer zählen?
DM:
Ja, ohne diese und die Schuldirektion würde das nicht funktionieren.

Wie kann die Innung ausbildende Unternehmen unterstützen, um potenzielle Lehrlinge zu finden?
DM:
Ich nehme gern mein eigenes Beispiel: zwei Töchter, beide haben die Matura gemacht. Die eine ist im Lehramt, die andere nach der verkürzten Lehre bei uns im Betrieb eingestiegen. Der Grundgedanke in vielen Elternhäuser ist nach wie vor ‚Mach erst einmal die Schule gescheit und dann sehen wir weiter.‘ Dieser Gedankengang muss sich ändern und das gilt für alle Berufe. Die Lehre muss attraktiver werden und in meinen Augen kann das System, wie ich es vorschlage, hier punkten. Weil es interessanter wird, wenn Lehrlinge mehr im Betrieb, im Beruf, sind. Zudem würde ich die Berufsschulzeit von derzeit 10 Wochen verkürzen.

„Die Problematik der Bezahlung liegt in der Dienstleistung.“

Da wäre noch das Lehrlingsentgelt, das im Vergleich mit anderen Branchen nicht besticht.
DM:
Die Problematik in der Bezahlung liegt in der Dienstleistung. Ein Lehrling im Einzelhandel kann nach ca. 3 Monaten voll eingesetzt werden, ein Lehrling in der Dienstleistung erwirtschaftet frühestens ab dem 2. Lehrjahr. Im letzten Lehrjahr bekommt ein Friseurlehrling knapp 1000 € netto. Stellt man das einer 20-stündigen Fachkraft mit dem ungefähr gleichen Netto-Verdienst gegenüber, müsste ein Lehrling, damit dem Betrieb 15 Prozent Gewinn bleibt, ca. 5000 € im Monat erwirtschaften. Das ist die Herausforderung, Lehrlinge in die direkten Löhne hineinzubringen.

Braucht es staatliche Unterstützungen, ähnlich der von Studenten?
DM:
Es könnte in Zukunft dahin gehen, Ausbildungsstätten aufzubauen. Auch bei der verkürzten Lehre über 18 wird sich etwas tun müssen und der Staat fördern müssen, sonst wird Ausbildung in der Dienstleistung nicht mehr tragbar sein.

Im Burgenland gibt es 64 Prozent EPUs, lediglich 17 Prozent der Betriebe bilden aus. Bei der geringen Anzahl von knapp 60 Lehrlingen finden sich auch keine Teilnehmenden für den Lehrlingswettbewerb. Wie ist hier Ihr Zugang?
DM:
Wir schaffen es nicht, ausreichend Jugendliche für jedes Lehrjahr zu animieren, am Bewerb teilzunehmen. Bevor Vorarlberg mit der New Talent Show begonnen hatte, haben wir viele Gespräche diesbezüglich geführt. Ich finde das ganz toll, was sie da auf die Beine gestellt haben und auch wir werden zukünftig in diese Richtung gehen.  

„Es ist Zeit, neue Visionen zuzulassen und gute Ideen abzuarbeiten.“

Als Landesinnungsmeister sind Sie in der dritten Periode. Was ist Ihre Motivation, weiterzumachen?
DM:
Veränderungen zu erzielen und dabei positiv zu bleiben, weil diese Branche so vielfältig und kreativ ist. Ich glaube, es ist jetzt an der Zeit aufzuwecken, neue Visionen zuzulassen und gute Ideen abzuarbeiten. Das ist mein Credo.

Burgenländische Friseurbranche in Zahlen

  • 380 Betriebe, davon 64 % EPUs
  • 61 Lehrlinge
  • 1 Berufsschule in Eisenstadt
  • 17 Prozent der Friseurbetriebe bilden aus
     

Über Diethard Mausser

  • 1 Salon „Friseurhandwerk Mausser“ in Jennersdorf in 7. Generation
  • 4 Mitarbeiterinnen
  • derzeit kein Lehrling, der letzte hat gerade ausgelernt
  • seit 32 Jahren in der Innung tätig, im 13. Jahr Innungsmeister der Friseurinnen*Friseure Burgenlands
  • Leiter Arbeitskreis Aus- und Weiterbildung in der Bundesinnung