Clemens Happ, Landesinnungsmeister der Friseure Tirol | Credit: Die Fotografen

08.09.2023

Friseure müssen es schaffen, bei den Gewinnern dabei zu sein

Clemens Happ ist als Tiroler Landesinnungsmeister gefordert, visionär zu handeln. Er stellt sich dem mit einem FH-Forschungsprojekt und unterstützenden Tools zur Preiskalkulation.

Im Gespräch mit Katja Ottiger

Wir müssen uns in neue Unternehmenskonzepte hineindenken.“

Clemens, wo pressiert es deiner Meinung nach in der Branche?
Clemens Happ:
Es ist Zeit, sich Gedanken über eine neue Arbeitswelt zu machen. Das heißt für mich: Wie können neue Arbeitszeitmodelle ausschauen? Wie kann ich meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wertschätzen, deren Bindung an mein Unternehmen stärken und wie kann ich den Friseurberuf für zukünftige Fachkräfte attraktiver gestalten? Wir müssen uns in neue Unternehmenskonzepte hineindenken. Jeder Betrieb muss für sich definieren, was Wertschätzung heißt und wie er Mitarbeitende ans Unternehmen bindet. Da wird das Wohlfühlen im Betrieb ein wichtiges Instrument sein, aber auch wie sich Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Betrieb weiterentwickeln können,das kann über die Bezahlung sein oder weitere Instrumente wie eine Zusatzpension oder die Beteiligung an einer privaten Krankenversicherung.

Ihr habt in eurem Salon 18 Mitarbeiterinnen. Welches Arbeitszeitmodell habt ihr?
CH:
Das 4-Tage-Modell. Wir haben bei vollem Bezug auf 36 Stunden reduziert; eine 4-Tage-Woche mit 40 Stunden ist in meinen Augen schwierig. Natürlich kann solch ein Modell nur jedes Unternehmen für sich selbst entscheiden. Prinzipiell kann bei uns Friseurinnen und Friseuren die 4-Tage-Woche gut funktionieren, wenn du entsprechend Personal mit guter Auslastung hast und wenn du eher auf Termin - statt auf Laufkundschaft setzt.

Innungsmeister sollten auch Visionäre sein – siehst du dich als einen?
CH:
Ich bin Legastheniker, was in der Schule für mich nicht immer leicht war, aber wir haben die Begabung sehr kreativ zu sein. Das heißt für mich, dass ich sehr gern querdenke und ständig überlege, wie ich Dinge oder Businessideen, die ich im Alltagsleben oder z.B. im Urlaub sehe, in meinen Betrieb einbinden oder für die Branche zu Nutzen machen könnte. Man muss einfach mit Offenheit durch das Leben gehen. Ich versuche zu fühlen, wo die Reise in der Zukunft hingehen oder sich entwickeln kann.

„Der Schmerz ist jetzt da, die Preise müssen erhöht werden.“

Wir haben eine sehr schöne Branche, aber der Schmerz ist jetzt da. Die Geschäfte laufen zwar gut, aber die Kosten im Betrieb sind explodiert. Daher müssen die Preise erhöht werden.

Uns muss klar sein, die Leute haben ihr Einkommen und es stellt sich für mich nur die Frage, ob sie das Geld lieber in der Boutique, im Restaurant, beim Wellness oder lieber beim Friseur ausgeben? Wir müssen es schaffen durch Qualität, durch Freundlichkeit, Herzlichkeit und durch Service bei den „Gewinnern“ dabei zu sein.

Als Innungsmeister - was steht auf deiner Agenda?
CH: Der Mitarbeitermangel, den wir selbst lösen müssen, denn hier kann die Politik uns nicht helfen. Wir müssen gute Konzepte entwickeln, um mit weniger Mitarbeitern den Umsatz zu decken. Eine schnelle Lösung ist, wir müssen unseren Dienstleistungsfaktor pro Kundin und Kunde sowie die Preise erhöhen. Langfristig gedacht: Vielleicht sollten wir neue Dienstleistungen entwickeln oder neue Zusatzausbildungen machen, wie zum Beispiel im energetischen Bereichoder Lebensberatung, Ernährungsberatung ...

Daher müssen wir jetzt damit anfangen und es wird spannend, mit neuen Konzepten in der Arbeitswelt und im Unternehmertum durchzustarten und ich bin schon sehr gespannt, wie sich alles in den nächsten Jahrzehnten verändern wird.
Daher haben wir mit dem Management Center Innsbruck unter der Leitung von Prof. Dr. Oliver Som (Professor (FH), Fachbereich Innovation, Entrepreneurship, Management, Anm.) eine Kooperation abgeschlossen. Wir starten im Oktober mit einer Kick-off Veranstaltung, bei der wir Pilot-Betriebe suchen, die neue Unternehmens-Konzepte, wie flexible Arbeitszeitmodelle und vieles mehr umsetzen und deren Ergebnisse gemeinsam mit der Branche teilen.
(imSalon wird zeitnah darüber berichten)

„Meine Vision war es, aus Friseuren gute Unternehmer zu machen.“

Du warst selbst viele Jahre lang in der Unternehmensberatung für Friseurunternehmen tätig. Welche Auswirkung hat das für deine Innungs-Tätigkeit?
CH:
Ich habe die HAK gemacht und kann mit Zahlen gut umgehen und meine Vision als Innungsmeister war es, aus Friseurinnen und Friseuren gute Unternehmer zu machen, die sich mit Zahlen beschäftigen. Mir wurde bei meinen Beratungen bewusst, dass man nicht aus jedem Kreativen einen Zahlenmeister machen kann, deswegen möchte ich als Innung ein Netzwerk mit verschiedenen Tools bieten, auf das die Unternehmen zurückgreifen können. Zusammenarbeiten möchte ich hier zum Beispiel mit Alex Höfferer (friseursalonrechner.at), der u.a. genau solche Module entwickelt, und dieser Pool sollte dann ständig mit weiteren Experten erweitert werden.

Nachwuchsmangel ist auch in Tirol gegeben, was sind hier die Überlegungen?
CH:
In Tirol hatten wir vor 10 Jahren noch 550 und nur mehr 254 Lehrlinge, davon haben ca. 40 Prozent nach der Lehre aufgehört. Wir müssen dringend schauen, diese 40 Prozent in der Branche zu halten, denn wenn die wegbrechen, haben wir ein massives Problem. 

Aber da müssen Betriebe und Schule mitziehen.
CH:
Das stimmt. Ich bin gerade dabei herauszufinden, was die Berufsschule in Tirol dem Land Tirol kostet. Ich vermute, dass Kosten und Nutzen in keiner Relation stehen. Generell müssen wir in Österreich ein Schul- und Arbeitssystem entwickeln, bei dem die Leute einen Beruf finden, in dem sie gern arbeiten und nicht schon mit 55 Jahren nach der Pension schielen. Warum schaffen wir es nicht, dass Arbeit ein schöner Teil vom Leben sein kann? Ich mache meinen Beruf mit Leidenschaft und habe vor, bis 70 -75 zu arbeiten.

„Wir könnten Lehrlinge ‚zentral‘ ausbilden.“

Aber um an diesen Punkt zu kommen, müssen junge Leute in und motiviert durch die Ausbildung. Da braucht es Lösungen!  
CH: Die perfekte Lösung habe ich auch nicht, aber Gedanken:Wir könnten uns fragen, ob wir die Lehrlinge „zentral“ ausbilden oder ob wir die Betriebe während der Ausbildungszeit permanent unterstützen? Ein Gedanke wäre beispielsweise Lehrlinge ein halbes Jahr zentral auszubilden, damit alle ein gleiches Anfangsniveau haben – das könnte die Schule machen - und erst dann in die Betriebe zu gehen.

„Ich kann nicht erwarten, dass jemand positiv von meiner Branche denkt, (…) wenn ich selbst schlecht rede.“

Dein Wunsch an die Branche?
CH:
Viele Unternehmen möchten gern wieder in die Zeit vor Corona, aber das geht nicht. Wir müssen neue Konzepte vorlegen und mit der Politik neue Rahmenbedingungen festlegen, wie z.B. Überstunden frei, dass man als Betrieb den Mitarbeitern pro Monat einen gewissen Betrag an Prämie brutto für netto ausbezahlen kann.

Weiters brauchen wir die Reduzierung der Mehrwertsteuer von 20 % auf 10 %, weil wir weder digitalisieren, automatisieren noch Künstliche Intelligenz einsetzen können. Unsere Arbeit entsteht immer direkt beim Kunden.

Und wir müssen weg vom negativen Denken und Reden. Denn ich kann nicht erwarten, dass jemand positiv von meiner Branche denkt, wenn ich selbst dieser gegenüber negativ eingestellt bin und schlecht über meinen Beruf rede. Für mich gibt es nicht schöneres, als wenn meine Kundinnen und Kunden nach dem Friseurbesuch zu mir sagen: Danke, das war jetzt meine Wellness! Das müssen wir schaffen und das ist nicht so schwer!  

Über Clemens Happ

  • Landesinnungsmeister der Friseure Tirol seit 2010
  • 1 Salon in Hall i. Tirol | 60 Jahre Jubiläum 2023
  • 18 Mitarbeiterinnen*Mitarbeiter | 4 Lehrlinge