Credit: imSalon Grafik

03.12.2013

Berufsschule – Ideen zur Lehre

Zum großen Mediensymposium unter dem Titel „Berufsschule – Ideen zur Lehre“ lud imSalon.at im November und das Interesse war groß. Unternehmer lauschten den Ideenansätzen unterschiedlicher Berufsschulen und anschließende Diskussionen zeigten auf, dass die Branche alles andere als aufgeklärt ist über Zusammenhänge rund um die Berufsschule und Ausbildung des verzweifelt gesuchten Nachwuchses. Von Raphaela Kirschnick

1.) Die Diskussionsrunde setzte sich aus namhaften Unternehmern und Vertretern aus Innung, Industrie, Berufsschulen und Schulinspektorat wie folgt zusammen

  • imSalon.at Raphaela Kirschnick und Katja Ottiger
  • Salonunternehmer: Peter Strassl (Intercoiffeur Strassl) | Richard Raitz (Ultimativ Group) | Werner Pranz (Pranz der Friseur) | Thomas Koppitz (Young Style)
  • Industrie: Manfred Liebl und Manfred Richter (Wella) | Jean-Christophe Perichon (L’Oréal) | Günther Witzany (KAO Austria) | Alexander Höfferer (Schwarzkopf)
  • Innung: Wolfgang Eder (Bundesinnungsmeister), Karin Dopplinger (Landesinnung Wien)
  • Berufsschulinspektoriat: Thomas Bäuerl (BI Wien)
  • Berufsschulen: Birgit Mosser (Fachberufsschule Spittal an der Drau) |
  • Susanna Migotti, Martin Klinka, Monika Ihbe, Sabine Loibnegger (BS Wien Goldschlaggasse) |
  • Michaela Pokorny, Doris Hastik, Karin Heilegger (BS Wien Kreitnergasse) |
  • Franz Huber, Adelheid Eil, Elisabeth Wegerer (BS St. Pölten)

2.) Die Vorträge

Gespannt lauschten alle Teilnehmer dem erfolgreichen Projekt der FBS Spittal von Berufsschullehrerin und Initiatorin Birgit Mosser, welches unter dem Titel ‚Young Stylist College‘ läuft.

Die Schüler des dritten Lehrjahres können 40 Stunden Projektunterricht (Freistunden) nutzen um den ‚Master of Color‘ abzulegen. Bezahlt werden ein Kostenbeitrag für das Fotoshooting und zusätzliche 16 Stunden Spezialseminar. Dank interner und externer Seminare und Fotoshooting bei Wella gehen die Lehrlinge als handwerklich ausgereifte Coloristen aus der Lehre, die sofort am Kunden arbeiten können. Selbstverständlich mit abschließender Prüfung und Diplom. Die Schüler sind hochgradig motiviert und eine Teilnahme von über 80% der Schüler eines Jahrganges bestätigt den Erfolg.

Geboren wurde das Projekt vor dem Hintergrund, dass viele Schüler frustriert darüber sind, nicht ausreichend handwerklich zu lernen, möchten sie doch in der Praxis viel früher eingesetzt werden. Ein Problem, welches man in ganz Österreich kennt. Mittlerweile wurden die Projekte an der FBS Spittal ausgeweitet.

Die Wiener Berufsschulen, die sich am Tag des Symposiums überhaupt erst kennenlernten, berichteten im Anschluss von Ihren Projekten.

Die BS Goldschlaggasse stellt sich breit auf.

Besondere Programmelemente, wie Parlaments-/ Museumsbesuche und Sonderprojekte gibt es für ausgewählte kompetenzorientierte Projektklassen. Eben diese kommen auch in den Genuss zusätzlicher Trainingselemente des Berufsschulprojektes „[Classroom 20.20“, präsentiert von Berufsschullehrer Martin Klinka. Dank Klassen-Patenschaften der Firmen Wella, L’Oréal und Matrix werden die jeweiligen Klassen ein Jahr lang von ihrem Paten eingebettet in die normalen Unterrichtseinheiten auf einem Themengebiet spezialisiert (z.B. Haarfarbe). Dieses Projekt steckt in der Startphase und ist noch nicht für alle Klassen zugänglich. Derzeit erhalten 3 von 9 Klassen diesen Sonderunterricht. Eine Ausweitung ist geplant.

Die Berufsschule Kreitnergasse setzt ebenfalls auf kompetenzorientierte Projektklassen und auf Lehrgangsklassen, die sich durch praxisorientierte Zusammenarbeit mit Friseurunternehmern gebildet haben.

Auch in der Kreitnergasse werden die Erweiterung der Sozialkompetenzen und Motivation oben an gestellt und u.a. Besuche und Mitarbeit an Theatern geboten, um den Schülern die Möglichkeit zu geben, Einblicke in weiterführende Berufe zu erhalten.

Auch die anwesendeBerufsschule aus St. Pölten berichtet von unterrichtsergänzenden Maßnahmen, um den Schülern eine Bandbreite von Chancen zu ermöglichen. Hier stehen neben Ausflügen und Workshops von Industrie-Partnern, z.B. ALCINA, auch die Teilnahme und Trainings für Wettbewerben auf dem Lehrplan.

Reaktionen
Insgesamt ist Begeisterung für alle Projekte vorhanden. Übereinstimmung herrscht darüber, dass etwas geschehen muss, um die Lehre zukünftig attraktiver zu machen und Lehrlinge von Beginn an zu motivieren. Vieles wurde angesprochen und hinterfragt, auf alles einzugehen würde diesen Rahmen sprengen. Folgende wichtige Themenpunkte wurden in diesem Zusammenhang heiß diskutiert und werden näher beleuchtet.

1.) Erstellung des Lehrplans neu 2015
Vom Berufsbild zum Lehrplan und Umsetzung des kompetenzorientierten Unterrichtes
2.) Aus- und Weiterbildung der Lehrer
3.) Zusammenarbeit der Schulen/ Innungen/ Unternehmen
4.) Zugang der Projekte für alle Schüler


Ad 1.) Die Information, dass ein neuer Lehrplan in Entwicklung ist und bis spätestens 2016 realisiert werden soll, sorgte für Verwunderung bei den Salonunternehmern. Die Hauptfrage, die sich ihnen stellt: Wer darf mitreden!

Stadtschulinspektor Thomas Bäuerl gab Einblicke in die neue Vorgehensweise. Derzeit arbeitet eine Kommission unter der Leitung des Unterrichtsministeriums an einem neuen Bundeslehrplan. Dieser Lehrplan wird auf Basis des Berufsbildes Friseur erarbeitet.

Das Berufsbild ‚Friseur und PerückenmacherIn (StylistIn)‘ wird von der Innung der Friseure, als gewählte Unternehmervertretung, erstellt.

Es folgt die pädagogische Interpretation des Berufsbildes und Umsetzung als Lehrplan zur lerntechnischen Erfüllung.
Der neue Bundeslehrplan 2015 wird derzeit mit Stellvertretern der Berufsschulen aus allen Bundesländern erarbeitet …
a) im Hinblick auf das neue Berufsbild
b) im Hinblick auf die Einführung des Kompetenzorientierten Unterrichts.

Ad kompetenzorientierter Unterricht: Eine kurze Definition hierfür zu finden ist nicht möglich, da es ein sehr vielschichtiges und umfassendes Feld beschreibt.
Dieser Unterricht zielt darauf ab, Fähigkeiten und Fertigkeiten so zu lernen, dass man reale berufliche Situationen umfassend bewältigen und erlerntes Wissen gezielt einsetzen kann. Fächer sollen nicht nur mit sturem Blick auf eine Thematik abgehalten werden, sondern Hand in Hand gehen mit anderen Fächern und aufeinander aufbauen. Soll heißen: Das Erlernen von Schnitttechniken wird in Mathematik durch die Kalkulation der Arbeitszeit ergänzt; in Chemie werden verstärkt die Inhalte der Farbe behandelt und in der Kommunikation neben der sprachlichen Ausdrucksfähigkeit und Beratung auch die Produktkompetenz geschult. Emotionale, soziale und personale Aspekte werden mit eingebaut.
Lesen Sie hierzu das >>> Grundlagenpapier ‚Kompetenzorientiertes Unterrichten an berufsbildenden Schulen‘ <<< des Bundesministeriums für Unterricht

Sobald der neue Lehrplan erstellt ist gilt er als Basis für die Lehrpläne der einzelnen Schulen, die darauf aufbauend ihr eigenes Lehrprogramm erstellen.

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Wie man an vielen derzeitigen Debatten zum Thema ‚Lehrer‘ in der Öffentlichkeit sieht, gibt es natürlich Kritikpunkte von Seiten der Friseurunternehmer.
Da stellt sich die Frage nach Weiterbildungshäufigkeit der Lehrer. Ob Vorurteil oder nicht, Unternehmer haben den Eindruck es würde zu wenig getan, bieten sogar die Möglichkeit der Finanzierung an. Das sich Lehrer verteidigen ist verständlich, eine Lösung kann selbstverständlich adhoc nicht gefunden werden, aber es spiegelt die Sorgen wieder, die sich Unternehmer machen.
Ebenso geht es der viel diskutierten Zusammenarbeit. Berufsschulen und Innungen beklagen immer wieder das mangelnde Interesse der Unternehmer an deren Aktivitäten. Festhalten kann man sicherlich, dass hier eine größere Offenheit aller Fraktionen förderlich wäre. Vielleicht aber auch nur ein stärkeres Vertrauen dahingehend, dass die andere Partei ihrer Aufgabe gewissenhaft nachgeht.
Kritisiert wird ebenfalls der Zugang nicht aller Schüler zu den Projektklassen. Dass nur von der Direktion/ Lehrern ausgewählte Klassen Zugang zu Sonderprogrammen haben mutet einer Zweiklassen- Berufsschülerschaft an und ist unverständlich. Hier wünschen sich alle die Möglichkeit, Mittel, die von der Industrie gestellt werden, fair vergeben zu können.
Abschließend bleibt festzuhalten, dass für jeden Teilnehmer der Vormittag ein spannender und lehrreicher war.

Nächste Schritte, nach diesen werde ich oft gefragt. Ich freue mich mitteilen zu können, dass es bereits weiterführende Gespräche zwischen Unternehmen und Innungen bezüglich des Berufsbildes gibt.
Ebenso liegen Anfragen vor, ein solches Symposium auch in anderen Bundesländern abzuhalten liegen vor. Daran arbeiten wir.

Letztendlich sollte es bei allen Bestrebungen Hand in Hand nur um eines gehen, den Schüler selbst. Wir brauchen guten, motivierten und qualifizierten Nachwuchs. Der Zeitgeist hat sich geändert, Systeme, die in den vergangenen 50 Jahren funktioniert haben können in den kommenden 5 Jahren schon vollständig überholt sein. Gesellschaftliche Wertevorstellungen sind im Umbruch und das schneller denn je. Wenn man nun von Jahrzehnten hört, die eine kleine Abänderung eines einfachen Berufsbildes braucht, da kann man die Vermutung wagen, dass das einzig und allein zu Lasten vor allem des Nachwuchses geht. Dieser wird aber jetzt zur Mangelware! Gemeinsam sind wir gefordert, Ausbildungsbetriebe wie Schulen, Innungen wie Industrie und ganz wichtig die MEDIEN.

In diesem Sinne bleiben wir am Thema dran !

Fragen, Interesse, Lust zur Diskussion? Wir freuen uns auf ihre Kommentare!

Wir bedanken uns bei Wella Professionals für die Zuverfügungstellung des Wella Studios und der Verpflegung.