Peter Schaider | Credit: Martin Steiger

03.03.2020

Peter Schaider will belohnen, nicht bestrafen

Ausbildende Betriebe müssen gefördert werden, Trainingsabende gehören in die Freizeit, Gleichmache im Kollektiv geht gar nicht - Peter Schaider hat klare Anforderungen an die Politik und tritt bei den Kammerwahlen an...

Peter, unser letztes Interview ist genau 1 Jahr her und hat für viel Wirbel gesorgt (Interview Peter Schaider 2019). Hat sich seither etwas verändert?
Peter Schaider:
Ganz klar NEIN! Es ärgert mich, dass wir seit 5 Jahren sehr hohe Lohnerhöhungen vor allem bei den Lehrlingen haben, aber es nicht groß kommunizieren. Es kommt nicht an im Markt, das Nachwuchsproblem löst sich nicht.

Gibt es auch etwas Positives?
PS:
Viele unserer Mitarbeiter verdienen mehr als das Doppelte des Kollektivvertrags. Wir sind gefordert, das zu kommunizieren und die Politik ist gefordert die schwarzen Schafe auszumerzen, Gott sei Dank passiert da auch viel.

Was wäre denn ein wichtiger nächster Schritt?
PS:
Wir müssen die Schmutzkonkurrenz auf die Reihe kriegen.

Wie siehst du denn den Einfluss der bevorstehenden Kammerwahl?
PS:
Ich kandidiere beim Sozialdemokratischen Wirtschaftsverband, Liste 2. Aber das hat damit eher nichts zu tun.

Was versprichst Du dir von Deiner Kandidatur?
PS:
Es ist anderweitig nicht möglich, mich in das Innungsgeschehen einzubringen. Ich hatte mich für die Innung beworben, aber einzelne Personen wollten mich nicht und der SWV hat mir die Hand gereicht.

Wärst Du denn gerne Innungsmeister?
PS:
Nein, dafür habe ich keine Zeit, aber wir brauchen mehr erfahrene Salonunternehmer in der Innung. Meiner Meinung nach muss ein Innungsmeister zwischen 5 und 10 Mitarbeitern und 3 bis 5 Lehrlinge haben. Man kann doch nicht nur über Theorie reden. Wir brauchen Leute, die vorne stehen und wissen, wovon sie sprechen.

Was vertritt die Liste Sozialdemokratischer Wirtschaftsverband?
PS:
Besseres Image, korrekte Betriebsführung. Es muss vor allem mehr beim Image passieren und auch auf jungen Kanälen. Wenn die Jugend keine Perspektive im Beruf hat, dann wird sie sich dafür nicht entscheiden.

„Warum sollen Unternehmen dafür zahlen,
dass Sie anderen den Nachwuchs bringen?“

Aber was sind jetzt konstruktive Vorschläge? Wo kann die Politik konkret eingreifen?
Schau, der klassische Lehrling geht 2 Monate zur Schule, hat 1 Monat Urlaub, 2 Wochen Krankenstand und dann ist die Chance, dass er im Unternehmen bleibt 1:4. Warum sollen Unternehmen dafür zahlen, dass Sie anderen den Nachwuchs bringen?

Viele verfolgen den Ansatz, Nicht-Ausbilder sollten eine Entschädigung zahlen – wie denkst Du darüber?
PS:
Ich will nicht bestrafen, ich will belohnen. Betriebe, die ausbilden, müssen gefördert werden. Und wir müssen endlich nur noch Hairstylistin und Visagistin sagen!!!

„Trainingsabende sollten nicht
als zusätzliche Arbeitszeit gesehen werden…“

Hairstylistin ist längst im Berufsbild verankert. Glaubst Du wirklich, mit Worten schaffen wir die Wende?
PS:
Ja, genau damit! Ein Mann sagt lieber „Meine Freundin ist Hairstylistin und Visagistin“, als „Meine Freundin ist Friseurin“ – das ist Image. Höhere Löhne haben damit nichts zu tun: Maurer verdienen das doppelte wie Friseure und finden auch keine Lehrlinge, das ist der beste Beweis. Ein weiterer wichtiger Punkt, für den ich mich einsetze, ist, dass Trainingsabende nicht als zusätzliche Arbeitszeit gesehen werden, das sollte geändert werden. Das sollte in der Freizeit geschehen.

Sind eigentlich neue Salons in Planung?
PS:
Heuer kommen wieder 1-2 neue Salons dazu. Wir haben den Druck, weil wir viele Lehrlinge haben, die nachkommen. 50% unserer Salonmanager sind ehemalige Lehrlinge und haben alle Aufstiegschancen genutzt.

Wie viele Lehrlinge habt ihr aktuell?
PS:
160 über alle 3 Lehrjahre verteilt.

„Kollektiv anheben ist doch nur Gleichmache
– ich finde es nicht richtig, dass weniger Engagierte
so viel verdienen wie Bemühte…“

 

Kannst du dir vorstellen, Löhne weiteranzuheben, um im Markt klare Zeichen zu setzen?
PS:
Nein, denn das können sich nur die Großen leisten, für die Kleinen wäre das eine zu große Belastung. Kollektiv anheben hilft meines Erachtens auch nicht viel, das ist nur eine Gleichmache und ich finde es nicht richtig, dass die weniger engagierten so viel verdienen wie die Bemühten und engagierten Guten, die können dafür das doppelte vom Kollektiv  verdienen

Sollte sich nicht langfristig auch das Preisniveau und damit die sichtbare Wertigkeit heben?
PS:
Nein, da sind wir längst an einem Level angekommen, mehr sind Leute nicht bereit zu bezahlen.

Glaubst du nicht, dass aufgrund des Mitarbeitermangels die Nachfrage irgendwann das Angebot übersteigt? Vielleicht wird der Friseurbesuch irgendwann Luxus aber dafür hochbezahlt.
PS:
Menschen geben lieber 100 € im Monat für das Handy aus, das ist ein Statussymbol, eine gute Frisur nicht. Schau dich um, 80 % der Leute sind doch gar nicht frisiert.

Ich dachte die Billigkonkurrenz nimmt so viel weg?
PS:
Die nimmt uns vor allem im Herrensektor viel weg. Die ganzen Pensionisten wollen nicht mehr als 14 € ausgeben.

Aber wenn alle die Preise erhöhen, dann würde sich doch zwangsläufig ein höheres Preisniveau durchsetzen?
PS:
Liebe Raphaela, das ist ein Wunschgedanke, den wir schon seit Jahren haben. Vor Kurzem war ich bei der Gleichbehandlungskommission, da hat sich eine Dame aufgeregt, warum sie mehr zahlt als der Herr. Speziell Akademiker sind sehr preisbewusst. Wir können nicht einfach Preise um 20-30% erhöhen.

„…die krachen alle wie die Kaisersemmeln…“

Ich kenne einige Salons im gehobenen Preissegment für die Preiserhöhungen kein Thema sind, wenn man sich rüber traut.
PS:
Die sollen nicht so blöd reden, die krachen alle wie die Kaisersemmeln. Kennst du mehrere hochpreisige Salons, die wirklich erfolgreich sind? Und wenn es sie gibt, dann will ich deren Bilanzen sehen.

Du glaubst nicht an den Erfolg von Kollegen?
PS:
Schau mal in Uschi Fellner’s Look Magazin, da war jetzt ein Bericht über hochpreisige Salons und angebliche In-Friseure drinnen. Einige von denen reden nur groß und sind in Wirklichkeit Schwachmatiker oder Nachnahmezahler, die werden von der Industrie nicht auf Rechnung beliefert, weil sie nicht zahlen können. Schreib das bitte genau so!

Worauf setzt ihr aktuell?
PS:
Tolles Personal, das zeigt auch unsere geringe Fluktuation. Gute Mitarbeiter verdienen bei uns das Doppelte, und das alles angemeldet, offiziell. Wir gewinnen zurzeit viele Mitarbeiter um die 40, die bisher nur Teilzeit oder geringfügig angemeldet waren und unter der Hand bezahlt wurden. Die sind jetzt froh eine Pensionsabsicherung zu haben. Meine Mitarbeiter sind im Schnitt 10 – 35 Jahre bei mir und auf diese Treue bin ich sehr stolz.

Wie unterstützt euch die Industrie?
PS: Die Industrie ist derzeit katastrophal.  Ich bin der größte Kerastase-Kunde Österreichs und ich finde es eine Frechheit, dass neue Produkte vom ersten Tag weg um 25% günstiger in Onlineshop zu erhalten sind als im Salon.

Was bedeutet das langfristig für eure Produktpolitik?
PS:
Ich entwickle jetzt eine Eigenproduktserie oder überlege auf eine Firma umzusteigen, die nicht im Onlinehandel vertreten ist. Hier bin ich bereits in konkreten Gesprächen.

Mit wem?
PS:
Das kann ich jetzt noch nicht sagen. Schau, wir haben Kerastase aufgebaut, beraten, geschult und jetzt verramschen es andere. Wir können Kerastase nur noch über Aktionen verkaufen, das deckt Beratungsleistung aber nicht mehr ab.

Also der Plan ist auf eine ganz neue Marke umzusteigen?
PS:
Ja, korrekt.

Was sagt L’Oréal dazu?
PS:
Dort ist man unfähig diese Kanäle zu schließen. Meine Geduld ist erschöpft und es trifft mich ins Herz. Auch meine Mitarbeiter sind ziemlich sauer, weil die Kundinnen reichen ihnen ihr Handy und sagen, schau hier ist es viel billiger. 

Lieber Peter, ein wenig werde ich einige Aussagen soften müssen, aber wie immer nimmst Du kein Blatt vor den Mund.
PS:
Viele fragen mich immer wieder „Warum machst Du das eigentlich?“ Ich kann das ganz leicht beantworten, ich bin noch mit so viel Herz dabei und ich möchte, dass sich meine Mitarbeiter auf mich voll verlassen können.