Credit: Martin Steiger

02.06.2020

Ellen und Alex Brendel: Zeit für Veränderung

In den vergangenen 23 Jahren haben die beiden Wahl-Niederösterreicher Ellen und Alex Brendel die Marke Paul Mitchell in Österreich aufgebaut und stark gemacht. Jetzt gehen sie neue Wege, mit 120 ausgewählten Kundenfreunden auf langen Spaziergängen…

Im Gespräch mit Raphaela Kirschnick

Seit wann seid ihr eigentlich in Österreich?
Alex Brendel:
Seit 1998! Davor habe ich 3 Jahre für Wild Beauty in Deutschland gearbeitet und dann haben wir uns auf das Abenteuer eingelassen, Paul Mitchell in Österreich von Null aufzubauen.

Und das wollt ihr nun aufgeben?
Alex:
Nein, aber es verändert sich so einiges.Im vergangenen Sommer fragten wir uns zum ersten Mal, was wollen wir eigentlich in den nächsten 15 Jahren, in denen wir noch arbeiten, erreichen? Es ist ja viel passiert: Unsere Silberhochzeit, die Söhne werden erwachsen, wir sind/ werden beide 50 und das ist nur die private Seite. Auch im Markt gab es viele Veränderungen.
Ellen Brendel: Zu Silvester waren wir an der Ostsee und haben bei ausgedehnten Spaziergängen viel geredet. Wir lieben unsere Arbeit, wir lieben unsere Kunden, aber wir haben auch private Träume und das wollen wir unter einen Hut bringen.
Alex: Zu Jahresbeginn sind wir dann auf Noah (Anm. Noah Wild, Geschäftsführer Wild Beauty GmbH) zugegangen und haben ihm unsere Pläne vorgestellt und nach einer Woche Bedenkzeit hat er diesen zugestimmt.

„…weitermachen, aber mit einer begrenzten Anzahl von Kunden,
den Rest geben wir ab“

Und wie sehen diese Pläne aus?
Ellen:
Die Philosophie, die Paul Mitchell lebt, die wollen auch wir wieder stärker leben.
Alex: So wie wir damals gestartet sind: Salons erfolgreich beraten und gemeinsam voranbringen. Diese Zeit gab es in den letzten Jahren nicht mehr, weil wir einfach zu viel in administrativen Arbeiten und Reisen gefangen waren.
Wir wollen weitermachen, aber mit einer ausgewählten Anzahl von Kunden. Den Rest geben wir ab und damit geben wir unsere Paul Mitchell Exklusivität auf.

Wie viele Kunden nehmt ihr mit?
Alex:
Wir haben uns 130 herausgepickt, das sind 20% unseres gesamten Kundenstocks

Nach welchen Kriterien hast du diese 130 Salons ausgewählt?
Alex:
Nur Freunde (lachen)! Natürlich aber auch Salons mit hoher Ertragskraft, solche die auch unsere Leistung annehmen können, über ganz Österreich verteilt.
Ellen: Mit vielen Salons gibt es emotionalen Bindungen, die begleiten uns seit 23 Jahren.

Credit: Martin Steiger

Was sind eure Ziele?
Alex: 
Unsere Zielsetzung ist es Qualität in die Konzepte von Paul Mitchell zu bringen und gemeinsam mit den Salons Chancen zu erkennen und zu nutzen, das braucht Zeit.
Ellen: Ich möchte jedem einzelnen meiner Kunden Unterstützung bieten bei den Dingen, die Friseuren nicht vertraut sind, da möchte ich mich mit Zeit hinsetzen und helfen können. Es soll ja Früchte tragen.

Und ab wann wird es umgesetzt?
Alex
: Am 15. März haben wir uns mit Noah auf die Formalitäten geeinigt. Dann kam Corona, irgendwie zum richtigen Zeitpunkt. Wir haben die freie Zeit genutzt, um das Büro auszuräumen und uns gedanklich auf die neue Situation einzustimmen.
Ellen: Wir haben bereits mit all unseren Kunden gesprochen und diese informiert.

Die Wild Beauty hat sich eingekauft und den Rest des Marktes übernommen und lässt in Zukunft Außendienstler, die bei der Wild Beauty GmbH angestellt sind, fahren?
Alex:
Richtig. Für die Außenwirkung sind weiterhin Ellen und ich zuständig, auf Messen oder Innungsveranstaltungen werdet ihr uns treffen. Bastian (Anm. Bastian Rittgen, Verkaufsdirektor Wild Beauty GmbH D+A) ist für die Vertriebssteuerung mit eigenen Mitarbeitern verantwortlich.  Die Fachabteilung wechselt auch zu Wild Beauty.

Was müsst ihr nun nicht mehr machen?
Alex:
Neukundengewinnung, das ist eine der härtesten Aufgaben. Aber auch Mitarbeiterführung ist eine aufreibende Tätigkeit. Zielvorgaben waren für uns immer ein großer Ansporn, aber 60-80 Stunden will ich nicht mehr arbeiten müssen. Der Druck Ziele zu erfüllen fällt weg, jetzt haben wir nur noch unsere eigenen.

„…dass es unsere Kunden gut haben,
das ist unser höchstes Ziel.“

Wie kann ich mir denn eure Zielvorgaben vorstellen?
Alex:
Jetzt ist unser Ziel die bestehenden Kunden weiter auszubauen. Das benötigt sehr viel Zeit
Ellen: Wir wollen sicher gehen, dass es unsere Kunden guthaben, das ist unser höchstes Ziel. Unser Arbeitspensum ist jetzt auf 40h begrenzt, um auch mehr private Zeit für uns zu haben.
Alex: Es gibt wunderbare Salonkonzepte von Paul Mitchell und diese möchte ich wieder umsetzen können.

 

 

 

Heißt das auch, ihr nehmt keine Neukunden?
Ellen:
Doch, wer mit uns arbeiten will, kann mit uns arbeiten.

Wie war denn die Reaktion der Kunden?
Alex
: Wir haben schon mit allen Kunden, die wir weiter betreuen, ein persönliches Gespräch geführt. Es ändert sich ja nichts an unserer Arbeit. Wir haben jetzt halt mehr Zeit für sie, das müssen sie aushalten.

„'back to the roots', nur mit mehr Erfahrung.“

Gibt es denn auch ein finales Ausstiegsszenario?
Ellen
: Nein, so weit sind wir noch nicht.
Alex: Für uns war die Krise am richtigen Zeitpunkt, wir haben entschleunigt und gehen jetzt in die Umsetzungsphase, dann schauen wir weiter. Für uns ist das wie „back to the roots“, nur mit mehr Erfahrung.

Gut so, ihr seid im Markt ja nicht wegzudenken, keine Friseurfeier, ohne die Brendels. Was waren in den letzten 20 Jahren Highlights?  
Alex
: Boah, da gibt es sehr, sehr viele Sachen. Alles von Anfang an.
Ellen: Vor allem die Messen. Da war die Energie einfach immer super faszinierend.

Wann kam denn der Wendepunkt, als ihr gemerkt habt, ihr habt jetzt einen Namen im Markt?
Alex
: Als ich nicht mehr mit einem Paul Mitchell T-Shirt herumlief und mich trotzdem jeder erkannt hat. So nach 10 Jahren!

Spürt ihr den Wandel der Märkte?
Alex:
Ja sicher, deswegen ist die Marke über die letzten Jahre wesentlich breiter geworden. Meiner Meinung nach müssen sich deswegen die Salons immer weiter spezialisieren. Genau dafür stehen wir jetzt zur Verfügung, um das gemeinsam umsetzbar zu machen.

Credit: Martin Steiger

Wie spiegelt sich denn Corona Business-technisch wider?
Ellen
: Es läuft jetzt sogar mehr als vorher, die ganzen Salons fahren auf und Kunden stürmen die Läden. Also ist viel zu tun für jeden und diesen Prozess begleiten und unterstützen wir.
Alex: Wenn diese Woche der Umsatz weiter so läuft, dann merken wir’s eigentlich nicht.

Wirklich?
Alex:
Ja wir hatten bis 15. März einen sehr guten Umsatz. Mitte April gingen die Bestellungen wieder los und wir hielten durchgängig zu unseren Kunden Kontakt. Dementsprechend bestellten diese auch weiter. Wir können den Verlust schon gut überstehen, vielleicht nicht gänzlich, aber das sehen wir später im Jahr.

Hat das Thema Online Education in der Krise bei euch gut funktioniert?
Ellen:
Wir hatten einen starken Zuwachs, definitiv. Auch über Facebook und andere soziale Netzwerke kamen viele Fragen, jetzt sind wir dabei, Online Education hier in Österreich weiter zu vertiefen. Das ist schließlich eine gute Sache.

Abschließend habe ich noch eine persönliche Frage. Ihr seid seit 28 Jahren zusammen, man sieht euch immer in trauter Harmonie, immer gemeinsam, was ist euer Geheimnis?
Ellen:
Viele Gemeinsamkeiten und wir gehen jeden Abendspazieren, jeden Abend ca. 1-2 Stunden, egal wo, bei Wind und Wetter.
Alex: Und da sprechen wir über alles, Berufliches, Privates, den Tag, die Kinder, einfach alles. Wir sind dann wie zwei Berater füreinander.

Das klingt wirklich schön. Ich danke euch für eure Zeit und wünsche euch viel Erfolg und gutes Gelingen im weiteren Verlauf.