Credit: Chris Hofer für imSalon

10.06.2022

Ute Händlhuber: Es ist in diesem Land für Friseure nicht lukrativ, gut ausgebildet zu sein und 40 Stunden zu arbeiten

Die Fachvorständin für Hairstyling, Visagistik und Maskenbildner an der Modeschule Hallein über die coolen Möglichkeiten übers Praktikum hinaus, Spezialisierung und weshalb sie Jungfriseurinnen rät, sich selbstständig zu machen...

Im Gespräch mit Raphaela Kirschnick

Heute präsentiert der Friseurnachwuchs seine Abschlussarbeiten. Wie viele Jungfriseur*innen gibt es 2022?
Ute Händlhuber:
Wir haben heuer 54 Projekte ausgestellt. Diese Projekte haben die Schüler*innen des Abschlussjahrgangs im gesamten letzten Jahr erarbeitet: vom Moodboard, zum Konzept bis hin zur Umsetzung mit Fotograf*innen und Models, mussten sie alles selbst erstellen. Was mich begeistert, sind die vielen unterschiedlichen Geschichten, die dabei entstanden sind, die die Persönlichkeiten und unterschiedlichen Talente der Schüler*innen widerspiegeln. Einige sind avantgardistisch, andere klassisch, es ist alles dabei.

Wie viele von den Absolventen werden in der Branche bleiben? Haben viele schon einen Job?
UH:
Das ist noch recht offen, einige wollen studieren, ca. 30% wollen in der Branche bleiben. Aufgrund des Fachkräftemangels kontaktieren uns aktuell viele Unternehmer*innen, das war vor ein paar Jahren noch nicht so. Auch nach Praktikant*innen gibt es eine große Nachfrage.

Ist ein Praktikant nicht eine sehr hohe Investition für einen Salonunternehmer?
UH
: Vor zwei, drei Jahren war es noch viel Überredungsarbeit, Schüler*innen an Unternehmen für Praktika zu vermitteln. Heute haben wir mehr Betriebe, die wen aufnehmen würden, als wir Praktikant*innen haben, weil dabei immer coole menschliche Sachen übers Praktikum hinaus entstehen.

Wie setzen Unternehmen Praktikanten weiter ein?
UH:
Da gibt es ganz viele Beispiele. Schüler*innen können z.B. Urlaubsvertretungen machen, weil sie viel Ferien haben und den Betrieb schon kennen. Manche arbeiten neben der Schule noch weiter in den Salons und verdienen sich samstags Geld dazu. Man muss sich um gute Leute bemühen, dann wird es eine Win-win-Situation.

Gibt es bereits Anmeldungen für das neue Schuljahr?
UH:
Es läuft prinzipiell gut, dieses Jahr fangen wir mit 55 neuen Schüler*innen an. Das sind dann zwei große Klassen.

Fallen in den ersten Jahren auch Schüler weg?
UH:
 In den ersten zwei Jahren fallen ca. 10 % weg, weil es eine sehr anspruchsvolle berufsausbildende Ausbildung ist.

Was motiviert denn beim Einstieg?
UH:
Wenige Absolvent*innen können sich vorstellen, auf Dauer in klassisch in einem Salon arbeiten zu wollen. Viele wollen jedoch nach der Berufsausbildung Erfahrungen sammeln, um sich danach verwirklichen zu können.  Einige wollen in den Education Bereich, manche kommen aus Unternehmerfamilien, wollen neben der Ausbildung die Matura absolvieren, um später in die Welt zu gehen und dann daheim das Unternehmen übernehmen.

Hat Corona Spuren hinterlassen bei den aktuellen Jahrgängen?
UH:
Ja, hauptsächlich, weil wir erst das letzte halbe Jahr wieder an Modellen arbeiten durften und wir wirklich fast 1 ½ Jahre an Technikköpfen gearbeitet haben. Wir haben zwischendurch Zeitfenster gehabt, in denen wir mit Menschen arbeiten durften, aber es war ja verboten, dass schulfremde Personen das Gelände betreten. Als die Branche arbeiten durfte, durften wir es nicht. Das hat uns sehr enttäuscht.

„Unsere Absolventen können nach Abschluss sofort den Meister machen.“

Worin siehst Du große Unterschiede zum Dualen System?
UH:
Unsere Schüler*innen haben den Nachteil, dass sie nicht so schnell sind, Betriebsabläufe nicht so gut kennen und dass ihnen die Übung im Salonalltag oft fehlt. Das ist aber nur eine Frage der Schnelligkeit und nicht des Könnens.  Durch die fundierte Ausbildung können die jungen Menschen dies nach zwei Monaten kompensieren. Als Saloninhaberin habe auch ich viele Lehrlinge ausgebildet, darum erlaube ich mir diesen Vergleich.  
An unserer Schule gibt es einen wichtigen Vorteil. Es gibt Schulfächer wie Multimedia und Modefotografie, Jungstylist*innen arbeiten früh mit Fotograf*innen zusammen, erstellen PowerPoint Präsentationen, können mit Grafikprogrammen umgehen, haben zwei bis drei Fremdsprachen gelernt und können nach Abschluss sofort den Meister machen, dafür gibt es eine zusätzliche Sommer-School.

Wo machen Sie den Meister?
UH:
Die Meistervorbereitung läuft über die Schule und die Prüfung machen sie dann im Wifi, ganz klassisch. Jedes Jahr haben wir einige Absolvent*innen, die sich dieser Herausforderung stellen.

70 Prozent verlassen die Branche, was machen die hauptsächlich?
UH:
Es gibt Schüler*innen, die studieren Recht oder BWL und wollen irgendwann in einen Bereich der Branche zurück. Viele arbeiten nebenbei als Friseur*in. Eine ehemalige Schülerin studiert derzeit Biologie und möchte dann in die Produktentwicklung, samstags arbeitet sie im Friseursalon. Viele verlassen die Branche nicht ganz, suchen aber einen Ausgleich.

„Die Branche muss offener dafür werden, dass nicht jeder alles kann, …“

Was rätst du Friseuren, die sich für Absolventen interessieren?
UH:
Prinzipiell sollte man eine Woche Zeit investieren, um unsere Absolvent*innen einzuschulen, und sich deren Stärken und Schwächen anzuschauen. Wir haben Friseur*innen, die brillieren in Balayage, andere sind perfekt im Make-up. Die Stärken würde ich am Anfang nutzen, alles andere kann man vielleicht noch mit Schulungen ausgleichen. Es gibt auch Schüler*innen, die sich nur auf Herren spezialisieren. Die Branche muss offener dafür werden, dass nicht jeder alles kann, sondern dass man sagt, was sind deine Talente, alles andere lässt sich entwickeln.

„Ich rate allen, …, sich selbstständig zu machen.“

Welche Hürden sehen die Schüler*innen?
UH:
Viele unsere Schüler*innen haben die Matura und den Meister und steig mit 1.400 € ins Arbeitsleben ein. Ich rate allen, dass sie eigene Konzepte entwickeln und sich selbstständig machen, oder dass sie diese Konzepte Unternehmer*innen vorstellen und sich mit diesen verwirklichen können. Wir haben manche, die sich im Laufe der Schulbahn mit 18 selbstständig machen, etwa im Bereich Visagistik oder Brautstyling. Es ist in diesem Land für Friseur*innen nicht lukrativ, gut ausgebildet zu sein und 40 Stunden zu arbeiten.

Jetzt haben wir das größte Nachwuchsproblem aller Zeiten. Welche Lösungen fallen dir für die Zukunft der Branche ein?
UH:
Ich denke, dass Unternehmer*innen pädagogisch geschult werden sollten und es einheitliche Konzepte für die Branche geben sollte, die mit der Berufsschule kompatibel sind. Die meisten Eltern wollen das Gefühl haben, dass ihre Kinder gut aufgehoben sind in dem Betrieb und dass sie eine gut fundierte Ausbildung erhalten. Ich habe selbst zwei Töchter und wäre auch bei der Betriebswahl sehr wählerisch. Ein Salon sollte ein adäquates Ausbildungssystem bieten können. 

Was wäre relevant?
UH
: Große Firmen mit Akademien haben da viele Vorteile und können in 40 Stunden eine gute Ausbildung inkludieren. Vielleicht sollte man auch am Lohn schrauben, wobei das nicht die ursprüngliche Motivation ist, Friseur zu werden.

Ab wann geht es denn ums Geld?
UH:
Das geht sicher schon in der 2. Klasse los, sobald wir in BWL Preise kalkulieren und sie zu rechnen beginnen.

Welche Maßstäbe setzt du an?
UH:
Wesentlich ist es, dass die individuellen Kosten gedeckt sind. Die sind ja immer sehr unterschiedlich. Ich denke jedoch, dass man mind. 1,8 € / Minute verrechnen muss.

Wie wäre es mit einer Expansion der Modeschule Hallein in andere Bundesländer?
UH:
Ich kann mir das schon vorstellen, in einer kleineren Weise und eingebettet in ein bestehendes Schulsystem. Es braucht viel Lehrpersonal, Ausbildner*innen, Friseurlehrer*innen mit pädagogischer Ausbildung. Vielleicht können sich ja 2-3 Schulen zusammentun und coole Konzepte entwickeln.

 Liebe Ute, ich danke dir für das offene Gespräch und wünsche euch noch einen fantastischen Abend.

Ute Händlhuber ist Fachvorständin für Hairstyling, Visagistik und Maskenbildnerei an der Modeschule Hallein und Salonunternehmerin.