04.05.2016

Michaela Joeris' erstes Jahr mit quirligen Friseuren

Nach dem ersten Jahr Hairstyling Ausbildung in der Modeschule Hallein zieht Schulleiterin Mag. Michaela Joeris Resümee, über die Belebung und Bereicherung der Schule durch die angehenden Beauty-Profis. Selbst quirlig, lebendig und leidenschaftlich spricht sie über Schulgeld, Förderung der Kernkompetenzen, über Ergänzung statt Konkurrenz und Ausbildungsdetails...

Fakten

HAK Vöcklabruck

Studium: Wirtschaftspädagogik, Controlling Privatwirtschaft

Seit 2008 Modeschule Hallein:
Lehrerin BWL & Rechnungswesen, Marketing und Kommunikation
Referentin Öffentlichkeitsarbeit, Leiterin Arbeitsgruppe „Entrepreneurship Education“
Direktorin der Modeschule Hallein seit 2012
Zweig der Hairstyling, Visagistik & Makenbildnerei
Ausbildung seit 2015/2016: erster Jahrgang | zwei Klassen | 72 SchülerInnen
für 2016/17 bereits 90 Anmeldungen, d.h. drei erste Klassen

Geschichte der Modeschule geht bis ins Jahr 1723

imSalon: Frau Joeris, als studierte Wirtschaftspädagogin, Marketingexpertin und jetzige Leiterin einer Modeschule: Sind Sie modeaffin?
Michaela Joeris: Hm, ich würde sagen modeinteressiert. Aber die Entscheidung als Lehrerin an diese Schule zu gehen, war sehr einfach, denn gleich beim ersten Betreten hat mich diese Vielzahl an unterschiedlichen Individuen gereizt, diese besonderen Persönlichkeiten, auch unter den Schülern, die in dieser Altersgruppe nicht so gewöhnlich sind.

imSalon: Seit dem Schuljahr 2015/2016 wurde das Portfolio der Schule um die Friseur- und Visagistenausbildung erweitert. Warum?
In den Überlegungen, wie wir die Schule in Zukunft ausrichten wollen, entstand unsere Strategie „Modeschule 20.20.“ mit Fokus auf Kernkompetenzen der Mode. Landesinnungs- und Bundesinnungsmeister Wolfgang Eder ist damals auf uns zugekommen mit der Frage, ob wir nicht eine 3-jährige Friseurausbildung integrieren möchten. Das war für uns natürlich interessant, aber um die entsprechende Nachfrage abzudecken und die Chance auf Genehmigung zu erhalten, allerdings nur auf Matura-Ebene! Im Nachhinein betrachtet war es ein ziemlich langwieriger Spießrutenlauf, den Behörden klarzumachen, warum es diese Form der Ausbildung braucht. Wir hatten aus Zeitgründen schon befürchtet, unsere Klassen nicht voll zu bekommen, aber im Endeffekt wurden es zwei Klassen mit insgesamt über 70 Schülern.

"Wir besprechen mit den Schülern, ob wir ihre Erwartungen erfüllen können"

imSalon: Jeder, der sich für den Zweig Visagistik und Hair-& Make-up entscheidet, macht eine 5-jährige Ausbildung. Welche Voraussetzungen braucht es?
Man muss die 8. Schulstufe abgeschlossen haben, kommend von einem Gymnasium oder von der Neuen Mittelschule, hier mit der Berechtigung, eine Höhere Bildende Schule besuchen zu können. Wir führen mit jedem Bewerber ein Aufnahmegespräch durch, um abzuklären: Was sind deren Erwartungen und können wir diese auch erfüllen?

imSalon: Ein schöner Punkt, zu fragen, was die Erwartungen der künftigen Schüler sind.
Ja, denn manchmal sind es die Eltern, die möchten, dass die Kinder sich hier verwirklichen und den Beruf, wenn schon, dann mit Matura machen. Bei den Jungs, die sich anmelden, ist es generell so, dass die Eltern skeptisch sind und dass man hier die Jugendlichen darin bestärken muss, sich ihrer Passion bewusst zu sein und das auch zu kommunizieren.

imSalon: Womit schließt man die Schule ab?
Mit einer Reife- und Diplomprüfung mit Matura. Und mit dem abgeschlossenen Beruf der Friseurin/ Hairstylistin. Ab der vorletzten Schulstufe, 4. Klasse, kann man Vorbereitungskurse auf die Meisterprüfung belegen und schon direkt nach der Matura antreten. Das ist ein besonderes Zuckerl, das es so nur im Hairstylingbereich gibt und dass wir anbieten können, weil wir eben in der Entwicklung der Schulform sehr stark mit der Innung kooperiert haben.

Abschlussveranstaltung Modeschule Hallein 2015

imSalon: Wer sind die Unterstützer der Schulform?
Die Innung, und wir können sagen, die gesamte Branche. Angefangen von kleineren bis zu größeren Filialisten, von unterstützenden Akteuren, wie Christian Sturmayr, Mario Krankl oder Katharina Bedrava, die selbst ihre Tochter hier in der Schule hat. Und natürlich die Industrie, der geeignete Mitarbeiter fehlen, welche Führungsverantwortung übernehmen können, kaufmännisches Know-how mitbringen und Fremdsprachenkenntnisse haben.

"Nur drei unserer 72 Schüler hätten eine klassische Lehre gemacht!"

imSalon: Welcher Typus geht hier in die Schule?
Von den 72 Schülern, die heuer hier angefangen haben, hätten nur drei eine klassische Lehre gemacht, die anderen wollten unbedingt nur mit Matura als Basisschulabschluss. Die wären sonst im Gymnasium geblieben oder in einer HAK, trotz Berufswunsch.
Diese Ausbildung ist ja ein zweiter Zugang zum Beruf. Und wir nehmen uns gegenseitig nichts weg, sondern wir erreichen zusätzlich eine Schicht, die der klassischen Lehre immer mehr abhanden kommt. Das ist total wichtig, denn jeden Einzelnen, der sich dafür interessiert, brauchen wir im Beruf. Unsere Schüler kommen aus acht Bundesländern, sowie aus dem bayrischen Raum, es gibt sowohl beim Hairstyling als auch in der Mode, sehr viele Quereinsteiger, unser Altersmix ist von 14 bis 20 Jahren in den ersten Jahrgängen.

imSalon: Und welche Lehrer gibt es bei euch?
Wir haben sechs Lehrerinnen, die allesamt für Praxis und Theorie verantwortlich sind. Alle sind weiterhin in der Branche tätig, unterrichten zwei bis drei Tage in der Schule, ob als selbstständige, Angestellte oder Trainer. Wir fordern viel, das erwarten sich auch die Eltern: Bildung als Dienstleistung. Es gibt einen wöchentlichen Jour fixe für alle Lehrer, ohne extra Entlohnung! Jeder muss auch für die anderen im Team Aufgaben übernehmen. Es ist eine Riesenchance, so eine Innovation aufzubauen. Hier brauchen wir keine, die sagen: Ich will Lehrer werden, weil da hat man viel frei.

"Wir unterrichten auch in Englisch, denn unsere Schüler sollen international arbeiten können"

imSalon: Einzelne Fächer bei euch werden in Englisch unterrichtet..
Ja, die Schüler müssen auch in Englisch maturieren. Wir bemühen uns, das Vokabular des Hairstylings auch im Englischen einfließen zu lassen, sie sollten ja die Möglichkeit haben, international arbeiten zu können. Ganz klassisch gibt es noch die zweite lebende Fremdsprache Französisch oder Italienisch.

imSalon: Wie wurde die neue Art der Ausbildung kommuniziert?
Wir haben alle Neuen Mittelschulen und Gymnasien österreichweit angeschrieben, sowie über die Innung und den Außendienst der Industrie, bishin zu den Salonbesitzern. Oft ist ja das Thema der Nachfolge bei Unternehmern von großen Interesse. Hier sehen wir uns als Alternative zu Meininghaus, wo die Leute ja auch oft einen kaufmännischen Abschluss haben, bevor sie sich entscheiden, eine Friseurausbildung zu machen.

Mag. Michaela Joeris mit uns im Gespräch

imSalon: Reden wir über die Finanzierung. Die Modeschule ist eine Privatschule, es gibt keine Lehrlingsentschädigung für die Schüler. Was kostet die Schule und gibt es Förderungen?
Monatlich sind es € 128,- Schulgeld. Für sozial Schwächere gibt es Förderungen über unseren Schulerhalter und über den Staat. Wir haben bemerkt, dass das Wissen "Ich investiere jetzt 5 Jahre in meine Ausbildung", einen anderen Zugang und Stellenwert der Ausbildung gibt. Auch in den Köpfen der Eltern.

"Das Wissen, nun fünf Jahre in Ausbildung zu investieren, gibt einen anderen Zugang und Stellenwert"

imSalon: Und es gibt ein angeschlossenes Internat!
Ja, fast die Hälfte unserer Schüler sind Internatsschüler. Sie wohnen dort innerhalb der Woche, für monatlich € 400,- bis 450,- Halbpension.

imSalon: Wie schaut es mit den Arbeitsmaterialien aus?
Zu Beginn müssen alle ein Starterset erwerben, wobei wir das sehr günstig bereitstellen können. Das komplette Set, inkl. Koffer hat einen Wert von € 600,- welches wir dank unserer Sponsoren für € 150,- bereitstellen können.

"Wir möchten, dass branchenübergreifend gedacht und gearbeitet wird"

imSalon: Welche Fächer werden von den Mode- und Haarschülern gemeinsam belegt?
Beide haben „Entwurf“ und „Modezeichnung“ als gemeinsamen Gegenstand, weil Styling eben nicht beim Kopf aufhört und weil wir möchten, dass branchenübergreifend gedacht und gearbeitet wird. Außerdem „Mode“, „Kunstgeschichte“ und „Trendforschung“, „Modefotografie“ und „Multimedia“. Und „Farb- und Stilberatung“.

ImSalon: Wie schaut es mit der Salonpraxis aus? Ein duales System ist das nicht, oder?
Die Schüler haben einen Tag Praxis in der Woche, 8 Stunden, bei uns an der Schule, das nennt sich „Frisurengestaltung und Schönheitspflege“. Und 1 ½ Tage Theorieunterricht, in den auch Praxis miteinfließt. Bei diesem Praxistag kommt hinzu, dass sie sich eigenständig Modelle mitbringen müssen. Weil eben der Dienstleistungs-Aspekt und das Auf-die-Menschen-eingehen-können, so wichtige Dinge sind.

"Unsere Hairstyling-Schüler sind lauter, quirliger und extrovertierter als die Modeschüler"

imSalon: Erkennen Sie Unterschiede zwischen Mode- und den Haarschülern?
Ja! Die Hairstyling-Schüler sind lauter und quirliger und extrovertierter. Sie reden gern und brauchen eine Bühne um sich selbst zu inszenieren. Das hat anfangs schon für Verwunderung in unserem Haus geführt. Die Modeschüler sind da eher die introvertierten, die sich in ihre Entwürfe vertiefen und vor sich hin tüfteln und manchmal gar nicht richtig da, sondern in ihrer eigenen Welt sind. Diese Mischung tut uns als Schulgemeinschaft sehr gut.

imSalon: Kann diese Ausbildung die Lösung sein?
Ich glaube, man sollte sich immer wieder fragen, wie sich die Berufswelt verändert, welche Forderungen man an junge Menschen hat, aber auch, welche Forderungen sie an ihre Ausbildung haben. Dieses breitere Aufgestelltsein in der Ausbildung, bietet unterschiedliche Berufsfelder innerhalb der Mode-, Hair- und Beautywelt an, gerade auch durch den kaufmännischen Bereich und die bessere sprachliche Ausrichtung.

imSalon: Sehen Sie sich als Konkurrenz zum dualen Ausbildungssystem?
Nein, gar nicht. Ich sehe uns als Ergänzung.

imSalon: Ganz persönlich: Hat sich Ihr Blick auf Friseure geändert?
Ja, schon. Als Konsument hinterfragt man manche Dinge nicht. Ich finde es spannend, dass Friseure grundsätzlich untereinander sehr gut vernetzt sind, sich aber trotzdem nicht so gern in die Karten blicken lassen. Und ich mag es, dass die meisten den modischen Aspekt so leben. Das merkt man hier mehr als in der Modebranche, weil die immer ein gewisses Auftreten haben. Modemacher und Designer sind Visionäre, die kleiden sich selbst gern dunkel und schlicht, das kann man auch gut an unseren Lehrern erkennen.

"Wir sind für jene Jugendlichen da, die mehr tun wollen, als der Durchschnitt"

imSalon: Das erste Jahr ist beinahe um. Welches Resümee ziehen Sie?
Wir sind überwältigt und beeindruckt über die positive Resonanz von den Schülern, Eltern und der Branche und über die Motivation, die die Jugendlichen mitbringen. Sie entscheiden sich ja bewusst für diese Ausbildungsform, nehmen in Kauf 350 km von zuhause entfernt zu sein, weil sie den Beruf mit Matura erlernen möchten. Das ist nicht einfach, sie haben eine 38 Stunden Woche, müssen am Wochenende noch ihre Modelle machen, ein Lerntagebuch führen, sich auf ihre Klausuren vorbereiten. Das ist kein Pappenstiel und trotzdem sind sie mit guter Laune und Energie dabei. Das stimmt mich positiv für die Branche und den Arbeitsmarkt. Denn es gibt sie, diese Jugendlichen, die mehr tun wollen als der Durchschnitt. Und für die sind wir da.

Das Interview führte Katja Ottiger