12.09.2024
Das Festhalten an der dualen Ausbildung scheint wie ein Beißreflex
Für Aaron Leufen braucht es ein Aufweichen alter Ausbildungsrichtlinien. Er sieht in einer zu bezahlenden Ausbildung die Möglichkeit, Menschen in unsere Branche zu holen.
Im Gespräch mit Katja Ottiger
Aaron, die Statistiken des Friseurmarktes gehen auch an dir als Unternehmer und Schulungsanbieter nicht vorüber: sinkende Zahlen bei Friseuren und Lehrlingen, 51 % Kleinunternehmer. Wie denkst du darüber?
Aaron Leufen: Unsere ganze Branche leidet! Weniger Stylisten, weniger Auszubildende, weniger Salons. Wir haben ein Problem mit Langsamkeit! Wir müssen dringend handeln und attraktiver für Leute werden, die in unsere Branche wechseln möchten.
Wie werden wir attraktiver?
AL: Wir müssen ermöglichen können, schnellstmöglich zu einer erfolgreichen Berufs-Abschlussprüfung zu kommen. Das ausschließliche Festhalten an der dualen Ausbildung ist in meinen Augen altfadrisch und wie ein Beiß-Reflex.
„Wir sollten uns fragen, ob eine generelle 3-jährige Ausbildung nicht zu lang ist.“
Wie stehst du zur dualen Ausbildung?
AL: Dass die duale Ausbildung toll ist und dass man uns im Ausland dafür bewundert, höre ich seit 25 Jahren. Wir sollten uns aber fragen, ob eine generelle 3-jährige Ausbildung nicht zu lang ist. Wenn ich mir meine Kollegschaft in den USA oder in Großbritannien anschaue, sehe ich, dass es schneller gehen kann und dass das dem Handwerk und der Qualität keinen Abbruch tut. Wir hingegen liefern keine tolle Ausbildung mehr. Hinzu kommt, dass die Ausbildung irgendwer bezahlen muss.
Wer sollte denn zahlen?
AL: Derzeit ist es so, dass ich als Arbeitgeber dafür bezahle, jemanden auszubilden. Das ist in meinen Augen absurd, international ist es normal, dass Ausbildung Geld kostet.
Da findet diese zumeist in Schulen oder auf Colleges statt. Wenn die Ausbildung im Handwerk bei uns etwas kosten würde, wäre es dann nicht noch schwieriger, Nachwuchs zu finden, gerade in unserer Branche?
AL: Naja, obwohl wir dafür zahlen, kommen zu wenige Leute in unsere Branche. Vielleicht würde ja gerade das neue Chancen eröffnen? Wir sind das nur nicht gewöhnt, denn bei uns wird Ausbildung gefördert und muss gratis sein.
Da fällt mir die Modeschule Hallein ein. Ausbildung zum Hairstylist und Visagist mit Matura und einem jährlichen Schulgeld.
AL: Ich habe bisher keine Erfahrung mit der Modeschule Hallein, aber von außen betrachtet: Sie kostet etwas und es gibt sie noch. Also gibt es offensichtlich den Bedarf.
Was können im Rahmen der jetzigen Bedingungen die Betriebe tun, Interesse bei der Jugend zu wecken und zu halten?
AL: Ich glaube nicht, dass es letztlich nur die Bezahlung ist, es sind vor allem die Bilder, die wir als Betriebe und als Branche produzieren. Und die werden immer besser, vor allem durch Social Media.
Die Frage, die sich mir im Umgang mit Jugendlichen allerdings stellt: Müssen wir unsere Motivation ändern oder sind es die Jugendlichen, die ihre Motivation ändern sollten?
Warum?
AL: Gerade hatten wir wieder zwei Lehrlinge, die hingeschmissen haben – aus persönlichen Befindlichkeiten. Es heißt immer so schön, von nix, kommt nix! Wenn ich nichts tue, wird nichts passieren. Für manche braucht es da einen längeren Lernprozess. Deshalb denke ich, wir müssen nicht für die Jungen attraktiver werden, sondern schauen, dass wird die zweiten, dritten „Berufstäter“ abholen.
Ihr bereitet Lehrlinge in Oberösterreich u.a. auf die LAPs vor. Wie steht es mit der Ausbildung in den Salon?
AL: Lehrlinge machen bei uns den Großteil der Teilnehmenden aus. Das Problem, das ich sehe, ist, dass sich an der Grundausbildung nichts geändert hat. Ich möchte da gar nicht auf die Schulen einhauen. Die sind abhängig von dem, was im Gesetz steht und von dem, was das Unterrichtsministerium weitergibt. Wenn da nichts reformiert wird, können die Berufsschulen nicht viel daran ändern.
Die Branche muss aus sich selbst heraus aktiv sein?
AL: Unbedingt. Es fängt in den Betrieben an, dass Ausbilder oft nicht entsprechend ausbilden können, häufig fehlt ihnen die Zeit. Und wenn wir jetzt wieder auf die Statistik zurückgehen – wie groß sind die Salons heute noch, die ausbilden? Die werden immer kleiner, mit immer weniger Zeit, sich um die Auszubildenden zu kümmern. Lehrlinge erledigen dann häufig Assistenzarbeiten und das ist denen zu wenig.
Wie kann man Lehrbetrieben da helfen?
AL: Es braucht gezielte Weiterbildung in den Bundesländern, da ist die Innung gefragt, oder auch Ausbildungsverbünde, dass sich mehrere Salons zusammenzufinden.
Was erwartest du von den Auszubildenden?
AL: Es ist in vielen Ländern normal, dass Ausbildung Geld kostet, denn du lernst Haare schneiden nicht durch TikTok. Viele Techniken gehen nur durch Hands on. Hier müssen wir die Jungen ins Gebet nehmen, dass sie selbst aktiver werden und nach Angeboten schauen, die sie unterstützen. Ich kenne nicht wenige Kollegen, bei denen Lehrlinge Angebote ablehnen, weil ihnen eine Weiterbildung zu weit entfernt ist und sie diese aus Bequemlichkeit nicht möchten.
„Förderungen sind keine Bittstellungen, diese stehen uns als Unternehmen zu!“
Der Weiterbildungsmarkt hat sich verändert, Buchungen stagnieren bzw. gehen zurück. Macht sich da eine Müdigkeit bemerkbar oder liegt es am Geld?
AL: Beides. Zum einen ist die Ausflugsmüdigkeit, die wir seit längerem spüren, und zum anderen die Problematik, dass Education eben kostet. Aber viele Seminare werden gefördert, auch bei uns, und in Wahrheit muss musst du nur einen kleinen Teil dafür ausgeben. Und ich werde nicht müde, immer wieder erwähnen: diese Förderungen sind keine Bittstellungen, diese stehen uns als Unternehmen zu! Das sind Gelder, die wir aus den wirtschaftlichen Transferleistungen der Europäischen Union bekommen. Wir müssen es nur entsprechend einholen.
„Die Jahre meiner Selbstständigkeit haben mich Respekt vor mir selbst gelehrt:“
Was ist die Lösung gegen Mitarbeiter Mangel? Wie können wir EPUs in die Salons zurückholen?
AL: Abwarten. Die werden zum Großteil am Burn-out zugrunde gehen. Die fast zehn Jahre meiner Selbstständigkeit, haben mich Respekt vor mir selbst gelehrt. Dass man diese Resilienz hat, da durchzuhalten und keinen Meter beizugeben und sich selbst nicht zu verleugnen. Ich habe meine Mitarbeitenden nicht reduziert. Kreative Menschen brauchen Input und Austausch und ich glaube nicht, dass soziale Medien da der Ersatz sind. Und ich bin überzeugt, dass uns das Einzeldasein nicht weiterbringt.
„Ich bin überzeugt, dass uns das Einzeldasein nicht weiterbringt.“
Wie haltet ihr eure Mitarbeitenden? Wenn ich es richtig weiß, sind sie alle auch Trainer in eurer Schule?
AL: Ja, das sind sie.Wir bieten entsprechendeBezahlung, ein entspanntes Betriebsklima auf Augenhöhe, dass wir unsere Mitarbeitenden in unsere Entscheidungen einbeziehenund die Leute mit Respekt zusammenhalten. Wir sind ein Team, in dem man auch äußern darf, wenn der „Chef“ falsch liegt.
Über Aaron Leufen:
- 1 Salon
- 5 Mitarbeitende | 1 Lehrling
- 1 Schule | Lutz Leufen Friseurtraining | seit 1991
- Ca. 70-80 Lehrlinge oder Jungstylisten pro Jahr ausgebildet
- 1 Salon H_Unity in Linz | www.h-unity.at
Ist die duale Ausbildung noch zeitgemäß? Und wenn nein, was wären Alternativen? Innung, Auszubildende, Lehrpersonal und Friseurunternehmen diskutieren mit uns und euch auf der imSalon Wien ... Schaut vorbei!►Alle Infos
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