Credit: Alois Müller für imSalon

10.10.2024

Salon eröffnen ohne Meister bald möglich?

„Pass auf, was Du Dir wünschst!“ Alle schreien nach Bürokratieabbau und manche Parteien sehen dies in der Auflösung der Reglementierung des Friseur-Handwerks erfüllt. Was passiert, wenn das Friseurhandwerk zum freien Gewerbe wird...

Unter anderem vernimmt man derzeit aus unterschiedlichen Parteizentralen das Anliegen, diverse Gewerbe, nach dem Vorbild anderer Länder, in freie Gewerbe umzuwandeln – darunter auch die Friseurbranche. Das würde in Zukunft auf den ersten Blick viele Formalien ersparen, aber wollen wir das wirklich? Hier lohnt es sich genauer hinzuschauen!

Zunächst stellt sich die Frage: „reglementiert“ oder „frei“, was bedeutet das überhaupt? Seit wir denken können ist das traditionelle Friseurwesen ein reglementiertes Gewerbe. Die Wandlung zum freien Gewerbe würde eben genau das heißen: weniger Regeln und weniger Bürokratie als bisher. Aber was sich zunächst so gut anhört, bringt einige gravierende Auswirkungen mit sich, die wir uns bewusst machen sollten. Ein Blick in die Gewerbeordnung hilft! Diese unterscheidet in Österreich grundsätzlich zwischen den beiden Gewerbearten, die in einer bundeseinheitlichen Liste festgelegt sind. Kurz gesagt: um ein reglementiertes Gewerbe betreiben zu dürfen, muss man allgemeinen Bedingungen erfüllen und einen zusätzlichen Befähigungsnachweis, wie zum Beispiel den Meisterbrief, vorweisen können. Für freie Gewerbe, wie zum Beispiel Berufsfotografen, Werbegrafiker oder PR-Berater, entfällt diese Vorgabe, sobald die generellen Voraussetzungen erfüllt sind.

Welche möglichen Konsequenzen die Umwandlung für die Branche hätte, hat imSalon für Euch aufgeschlüsselt:

1. Wegfall des Befähigungsnachweises:
Ohne langjährige, formale Ausbildungen, würde der Zugang zum Beruf erheblich erleichtert werden. Saloneröffnungen wären dann auch ohne Meisterbrief, oder entsprechende Qualifikationen möglich.

2. Steigerung der Unternehmensgründungen:
Mit der Vereinfachung würde die Anzahl der Unternehmensgründungen rasant ansteigen und damit zu einem härteren Wettbewerb führen.

3. Qualitäts- und Sicherheitsbedenken:
Da der Anspruch an Qualifikationen und Prüfungen entfällt, könnten unerfahrene, ungelernte Personen ohne Ausbildung tätig werden ­­- ein echtes Sicherheitsrisiko für den Kunden, da Friseure als körpernahe Dienstleister mit Chemikalien und Werkzeugen, wie scharfen Messern und Scheren arbeiten. Eine Zunahme von Beschwerden über mangelnde Fachkenntnis oder Hygiene ist vorprogrammiert – die Verunsicherung bei den wäre Kunden groß.  

4. Wirtschaftliche Auswirkungen:

  • Mehr Wettbewerber führen zu sinkenden Preisen. Was auf der einen Seite ein kurzfristiger Vorteil für den Kunden ist, gefährdet langfristig gesehen die Profitabilität der Salons, die derzeit schon mit hohen Lohnneben-, Materialkosten und explodierenden Energiepreisen zu kämpfen haben.
  • Eine höhere Anzahl von Einzelunternehmen und Kleinunternehmern könnte kurzfristig für höhere Steuereinnahmen sorgen, bedeutet aber auch, dass es noch weniger kontrollierte Unternehmen unter der Bemessungsgrundlage gäbe.
  • Es entstünde eine Wechselwirkung mit der Kleinunternehmerregelung. Denn diesteigende Anzahl von Unternehmen, die unter die Bemessungsgrenze von 35.000 Euro fallen sorgt dafür, dass diese Preisvorteile umsetzen können, weil sie keine 20% Umsatzsteuer aufschlagen müssen.
  • Die Tariflöhne wären von der Regulierung unabhängig. 

5. Schwarzarbeit und illegale Beschäftigung:
Die Vereinfachung wäre ebenso ein noch größeres Eintrittstor für Schwarzarbeit und illegale Beschäftigung, die aktuell schon massiv sind. Auch das Price Dumping würde zu einer noch stärkeren Verlagerung von Arbeitsverhältnissen hin zu Schwarzarbeit führen, was außerdem negative steuerliche Auswirkungen hätte.

6. Weniger Anreize für Ausbildung:
Die Anzahl der aktuell 990 Lehrbetriebe (10% der Gesamtanzahl der Betriebe, Stand 31.12.2023, WKO 2024), und Salons, die in die Weiterbildung ihrer Mitarbeiter investieren, würde schwinden, da die Anreize fehlen – ein Todesstoß für die duale Ausbildung.

7. Innovation und Flexibilität:
Eine Öffnung des Gewerbes aber auch zu mehr Flexibilität und Innovation bedeuten. Neue Geschäftsmodelle, wie zum Beispiel spezialisierte Dienstleistungen, mobile Friseurservices oder auch Co-Working-Spaces wären leichter umzusetzen.

8. Gesellschaftliche und politische Auswirkungen:
Eine Polarisierung der Branche wäre unausweichlich (Price Dumping vs. Premiumsegment). Es entstünde eine soziale Ungerechtigkeit und damit Spannungen in der Branche. Die Existenz von langjährig tätigen Friseuren und Meisterbetriebe wäre gefährdet, Fachkräfte würden vom Markt verdrängt werden, was negative Auswirkung auf eine faire Bezahlung mit sich zieht.

Stimmen aus der Branche:


„Bereits 2018 gab es Bestrebungen, Friseure in ein freies Gewerbe umzuwandeln. Das konnten wir verhindern, es ist aber noch immer nicht vom Tisch. Wir kämpfen massiv für den Erhalt des Friseurs als geregeltes Gewerbe. Dann könnte jeder einen Salon eröffnen, wie im schwedischen, englischen oder amerikanischen System, bei dem man keinerlei Ausbildung mehr benötigt. Dann würde der Grundgedanke unseres gesamten Ausbildungssystems, um das uns die ganze Welt beneidet, verloren gehen.

Über Gewerbeberechtigungen entscheidet leider nicht die Innung, sondern die Gewerbebehörde. Unsere Aufgabe ist es aber den unkontrollierten Wildwuchs zu verhindern. Wir arbeiten gemeinsam mit der Gewerbebehörde an einem Netzwerk der Kompetenzen, sodass in Zukunft Gewerbebehörden gemeinsam mit den jeweiligen Landesinnungen über die Vergabe eines Gewerbes entscheiden können. Wir hatten einmal ein Vetorecht, dies wurde uns 2000 genommen und wir wollen das zurück.“
- Wolfgang Eder, Bundesinnungsmeister der österreichischen Friseure

Für unser Friseurgewerbe ist es entscheidend, dass wir die Ausbildungszahlen nicht nur halten, sondern auch steigern müssen. Die duale Ausbildung ist das Fundament unserer Branche, und eine Abkehr von der Regulierung würde die Qualität und Sicherheit erheblich gefährden. Der Wegfall des Befähigungsnachweises könnte dazu führen, dass weniger qualifizierte Personen den Beruf ausüben, was langfristig nicht nur die Kunden, sondern auch die gesamte Branche negativ beeinflussen würde.“
- Alexander Geisbauer, Landesinnungsmeister der Friseure Oberösterreich

Unser Fazit:


Das Abschaffen des reglementierten Gewerbes würde ein Beben auslösen und wäre ein schwerwiegender Einschnitt in die Art und Weise wie das gesamte, traditionelle Friseurhandwerk aufgebaut ist – von der Ausbildung bis zur Betriebsgründung. Mit dem Argument „das war schon immer so und da braucht sich nichts zu ändern“, sind wir jedenfalls nicht gut beraten. Denn wir alle wissen, wir brauchen Reformen, wie zum Beispiel für das duale Ausbildungssystem. Eine Umwandlung könnte ein Kick-Start für eine neue Struktur sein, die in vielen Ländern wie England, Schweden oder den USA schon gut funktioniert und. Es bedarf eines grundlegenden Umdenkens – die Frage ist nur: ist JETZT der richtige Zeitpunkt dafür? Die Friseurbranche hat aktuell mit vielen anderen Herausforderungen zu kämpfen: die illegalen Machenschaften von Barbershops und bestimmten Billig-Salonkonzepten, die Explosion der Schwarzarbeit, der illegalen Beschäftigung und eklatanter Nachwuchsmangel. All diese Dinge die sich bei einer Transformation hin zu einem freien noch wesentlich verstärken würden. Wir sind gespannt was kommt, stellen uns aber auch die Frage, warum daran festgehalten wird?