Credit: Martin Steiger

01.10.2024

Einheitl. Schneidesystem, weg mit dem Blockunterricht: Zukunft Ausbildung

Spannender kann der Austausch nicht sein, wenn Lehrling, Berufsschullehrer, Salonunternehmer, Innung und alternative Ausbilder diskutieren. Und so kamen spannende Themen auf den Tisch, die wir uns zum Thema Ausbildung ansehen müssen.

Credit: Martin Steiger

Diethard Mausser
Bundesinnungsbeauftragter Ausbildung

„Die duale Ausbildung, so wie sie ist, ist mir ein Dorn im Auge. Das System gibt es schon seit etwa 100 Jahren und kann so nicht mehr funktionieren.“

„In die Berufsschule gehört das Wirtschaftliche, das Finanzielle und alle essenziellen, unternehmerischen Dinge. Die Praxis gehört in die Betriebe.“

„Eine Lehre mit zusätzlicher Matura, oder etwas anderem ist von der Politik nicht erwünscht. Die Bürokratie macht es schwierig.“

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David Schwarz
Friseurunternehmer Salzburg

„Quereinsteiger, die wir in die Branche reinholen, sind wertvoll, weil sie genau wissen, was sie wollen.“

„Berufsschule ist nicht mehr zeitgemäß. Die Frage ist doch auch: Wer bildet die Lehrer aus?“

„Lehrlinge werden durch den Blockunterricht 10 Wochen aus dem Betrieb herausgerissen. Ich brauche nicht die Kommunikation zwischen Berufsschule und mir, sondern zwischen dem Lehrling und mir. Damit er an mich gebunden ist, ich Vertrauen aufbauen kann, und er nach der Lehre bleibt und nicht aus dem Beruf aussteigt.“

„Es muss ein Begleitbuch für die Lehre geben, in der der Ausbildungsplan drin ist und dass der Lehrling gemeinsam mit dem Betrieb und der Schule durcharbeiten kann.“

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Ute Händlhuber
Vorständin Friseur, Modeschule Hallein

„Wenn man eine Lehre macht, ist man mit 15 Jahren raus aus dem System und wird vom Staat finanziell nicht mehr subventioniert - Eltern und Betrieb finanzieren die Ausbildung. Hier wäre es zu überlegen, ob man die Lehre auf vier Jahre erweitert und einen Tag pro Woche für die Matura freigibt, der vom Staat subventioniert wird.“

„Für eine Lehre nach der Matura gibt es fast keine Möglichkeiten. Da müsste man ansetzen und eine Ausbildung in 1,5 Jahren anbieten.“

„Müsste es nicht eine Standardisierung der Lehre in den Ausbildungsbetrieben geben?

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Hannes Trummer
Gründer Hairdressing School

„Dual oder nicht dual ist mit grundsätzlich egal. Menschen, die den Beruf erlernen sollen, müssen so schnell wie möglich an den Kunden kommen.“

„Wir haben ein grundsätzliches Imagethema.“

„Es gibt Fördermöglichkeiten über Stiftungen von 1.000 bis 1.100 Euro Verdienst für den Lehrling, den Salon kostet die Ausbildung dann nur noch 500 Euro pro Monat. Die Auszubildenden können nach fünf Monaten schon als Stylisten im Betrieb mitarbeiten. Nach 18 Monaten legt man die LAP ab und ist Geselle, ohne dass man einmal in der Berufsschule war. Das ist effektiv und schnell.“

„Es ist ein Dschungel, Förderungen zu finden.“

„Empathieberufe werden in Zukunft immer wichtiger werden.“

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Thomas Maresch
Berufsschullehrer, Unternehmer, Akademie der österreichischen Friseurkunst

„Der Hauptpunkt der dualen Ausbildung ist, dass wir den Kontakt zwischen Innung, Betrieben und Berufsschule verschärfen müssen, damit jeder weiß, wo die Kompetenz liegt und wer welche Aufgabe hat.“

„80 Prozent der Lehre macht der Betrieb, 20 Prozent unterstützend die Berufsschule. Da müssen wir die Kommunikation zwischen Berufsschule und Betrieb schärfen, damit jeder weiß, was zu tun ist.“

„Für ältere Auszubildende gibt es alternative Ausbildungsmöglichkeiten, die noch weiter überarbeitet gehören.“

„Das Thema mit den EPUs liegt nicht nur am Geschäftlichen, sondern es ist ein Imageproblem der Branche. Wir sind doch am Ende der Superheld, der aus einem Menschen etwas ganz Schönes machen. Solange das nicht beim Endkonsumenten ankommt, werden wir langfristig das Nachwuchsproblem haben.“

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Floris Pluchino Wunderlich
Auszubildende 2. Lehrjahr

„Junge Menschen entscheiden sich fürs Handwerk, weil sie nicht mehr an der Schule sitzen möchten. Wir wollen kein Blockunterricht, der uns wochenlang aus dem Salon und aus dem praktischen Arbeiten holt, sondern mit unsren Händen arbeiten.“
 

Abstimmung Zukunftsthemen Friseurausbildung

Ihr habt abgestimmt, das sind die wichtigsten Themen für die Zukunft der Ausbildung im Friseurhandwerk:

1. Mehr Geld fürs Image des Friseurberufes
Beim Polittalk haben wir gehört, die Wirtschaftskammer sitzt auf ca. zwei Milliarden Euro Rücklagen. Wofür werden die eigentlich eingesetzt? Ein großartiges Einsatzgebiet wäre endlich richtig Geld in die Imageförderung des Handwerks zu investieren, denn hier sehen alle den größten Bedarf – auch das Publikum. Die Wertschätzung und den Respekt für dieses unglaublich wichtige Handwerk muss endlich auf goldenen Boden gestellt werden, dann kommen auch wieder mehr Lehrlinge.

2. Einheitliches Schneidesystem für alle Lehrlinge
Diese Forderung sorgte für den größten Applaus aus dem Publikum. Wie kann es sein, dass in jedem Bundesland, an jeder Schule, ein eigenes Schneidesystem gelehrt wird, das auch nicht mit den Ausbildern abgesprochen ist? Große Forderung: endlich ein einheitliches Schneidesystem.

3. Klarer Überblick über Förderungs-Möglichkeiten
Wir haben es gehört: Einige Salons bekommen ihre Lehrlinge fast voll finanziert. Weshalb? Weil sie wissen, wo sie wann, welche Förderungen beantragen können. Wir lernen: Es gibt einen unglaublichen Dschungel aus Förderbeiträgen. Die klare Forderung an die Innung: schafft einen klaren Überblick über die Fördertöpfe, denn auch das, bedeutet Fairness gegenüber den Ausbildungsbetrieben in ganz Österreich.

4. Kommunikation Berufsschule – Betriebe verbessern
Aktuell nicht existent: die Kommunikation zwischen Berufsschulen und Betrieben. Hier gibt es sicherlich Aufholbedarf auf beiden Seiten. Monieren die Ausbilder, dass zu wenig gesprochen wird, monieren die Berufsschulen, dass keiner zu den „Elterntagen“ kommt. Auch hier muss drüber gesprochen werden.

5. Blockunterricht vs. Normalunterricht muss reevaluiert werden
In den letzten Jahren wurden alle Bundesländer auf Blockunterricht umgestellt. Hört man den jungen Leuten zu, klingt kein Argument so überzeugend, wie das, dass man sich ja für ein Handwerk entscheidet, um endlich der Schule zu entkommen und um mit den Händen arbeiten zu dürfen. Und dann soll man 10 Wochen am Stück in der Schule sitzen? Da hat keiner Freude dran! Ganz dringend muss hier reevaluiert werden, wie in Zukunft den jungen Lehrlingen Theorie vermittelt wird.

6. Alternative Ausbildungskonzepte
Wenn es das duale Ausbildungssystem nicht mehr gibt, was sind die Alternativen? Zwei Möglichkeiten, wie zum Beispiel die Hairdressing School oder die Modeschule Hallein, wurden auf der Bühne besprochen. Alle stimmen überein: es muss das duale Ausbildungssystem, sowie alternative Konzepte geben – das fordert allein schon die enorme Zunahme der EPUs und nicht ausbildender Betriebe.

7. Ausbildungsbegleitmappe/ zeitgemäßes Lehrmaterial
Zeitgemäßes Lehrmaterial, sowie eine die Ausbildungszeit überspannende, eventuell digitale, Lehrmappe hätten gerne die ausbildenden Betriebe, um parallel mitverfolgen zu können, wie der Stand der Auszubildenden gerade ist. 

8. Klare Trennung zwischen Praxis (Salons) und Theorie (Schulen)
Praxis gehört in die Salons, Theorie in die Schulen. Warum sollen Berufsschulen Praxis vermitteln? Die Zeit für Weiterbildung der Berufsschullehrer ist so minimal, dass eine zeitgemäße Ausbildung der Praxis gar nicht mehr möglich ist. Hier ist ein Umdenken und ein Umstellen der gesamten Ausbildungsstruktur angebracht.

9. Reglementierung Friseurberuf überdenken
Auch hier die große Frage: muss der Friseurberuf reglementiert bleiben, oder gibt es andere Möglichkeiten, wie es in 80 Prozent der Länder auf der ganzen Welt bereits funktioniert? Ist es ein Mythos, dass wir beneidet werden für unsere duale Ausbildung?

10. Verkürzte Lehre, die zwischen 15- und über 25-Jährigen differenziert
Man muss klar differenzieren beim Alter der Auszubildenden. Das sind unterschiedliche Bedürfnisse und Herangehensweisen, wie man etwas lernt, was man braucht. Es ist in den vergangenen Jahren versäumt worden, hier klare Konzepte zu erarbeiten, um auch Quereinsteigende anzusprechen. Große Forderung von allen!

11. Lehre mit Matura
Ja, es gibt Anfragen. Aber im Großen und Ganzen spielt es aktuell noch keine große Rolle, was aber nicht heißt, dass es nicht dennoch angeboten werden sollte.

Die Podiumsdiskussion zum Nachschauen

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