Credit: Chris Hofer

12.07.2024

"Kleinstunternehmergrenze auf 85.000 € ist Regierungsplan"

Wie gehen Friseure in den Wahlkampf? Mit Lobbyisten und viel Regierungsarbeit steigt die Bundesinnung in den Ring, um vor allem für 4 Themen zu kämpfen: 10 % Umsatzsteuer, Erhalt des Friseurgewerbes, engere Zusammenarbeit mit den Gewerbebehörden sowie der Nichtanhebung der Kleinstunternehmergrenze.

Wolfgang Eder, Bundesinnungsmeister der österreichischen Friseure, im Gespräch mit Raphaela Kirschnick

Lieber Wolfgang, der Wahlkampf in Österreich ist eröffnet, was bedeutet das für die Innungen? Mitmischen?
Wolfgang Eder:
Absolut! Wir sind an einigen Themen dran. Unsere größte Forderung bleibt die Reduzierung der Mehrwertsteuer auf 10 %. Dafür kämpfen wir bereits seit 2018. Jetzt ist es uns gelungen, beim Kabinettschef im Finanzministerium vorzusprechen und unsere Argumente zu platzieren.

Wie überzeugt man das Finanzministerium?
WE:
Ganz wichtig ist, dass wir dem Staat vorrechnen, was er zurückbekommt. Denn in der aktuell angespannten finanziellen Lage bekommt man nichts geschenkt. Wir hatten eine Studie in Auftrag gegeben, welche die Auswirkungen von Schwarzarbeit und eine mögliche Gegensteuerung von einer Mehrwertsteuerreduktion ergibt. Das haben wir vor Ort präsentiert, unsere Argumente vorgebracht und fiskalische Effekte aufgezeigt.

Welche fiskalischen Effekte hätte denn die Reduktion, die können ja nicht positiv sein?
WE:
2021lag das Netto-UST Aufkommen bei 83 Mio. €. Durch die Verringerung der Schattenwirtschaft hätte der Staat zusätzliche Steuereinnahmen von 26 Mio. €. Insgesamt wäre als der fiskalische Verlust kein großer, denn das Steueraufkommen nach der Reduktion läge dann immer noch bei knapp 58 Mio. €.

Wie war das unmittelbare Feedback?
WE: '
Herr Eder, das ist ein dickes Brett, das sie da bohren wollen.' Wir sind noch nie mit einem so guten Gefühl aus einem Gespräch mit der Politik zum Thema Mehrwertsteuer gegangen.

Wie geht es weiter?
WE:
In der jetzigen Regierung werden wir nichts mehr bewegen. Deshalb arbeiten wir an zwei Fronten. Einerseits wollen wir ins Regierungsprogramm aufgenommen werden. Zusätzlich müssen wir alle anderen Parteien ins Boot holen.

Mir ist noch nicht ganz klar, wie die Umsatzsteuerreduktion zu einem stärkeren Branchenumsatz beiträgt?
WE:
Wir müssen schauen, dass wir in der Lage sind, hohe Löhne zu zahlen. Aktuell nimmt der Staat von unserem Preis 20 % weg. Wenn der Staat jedoch nur 10 % auf den kalkulierten Preis der personalintensiven Dienstleistung draufschlägt, dann gibt uns das mehr Spielraum, um die Löhne zu erhöhen. Es wird wieder größere Betriebsstrukturen geben.

Inwieweit ermöglicht die EU-Richtlinie den verminderten Steuersatz?
WE:
Das Friseurhandwerk ist im EU-Regelwerk zum Europäischen Umsatzsteuergesetz dezidiert als Gruppe genannt, die einen verminderten Mehrwertsteuersatz auf nationaler Ebene durchsetzen darf. Die Kosmetiker sind hiervon zum Beispiel ausgenommen.

"Vonseiten der Politik gibt es Bestrebungen, die Kleinstunternehmergrenze auf 85.000 € anzuheben."

Die Kleinstunternehmergrenze liegt aktuell bei 35.000 €. Hier sind Erhöhungen der Grenze geplant. Wie steht ihr dazu, was ist der Status?
WE:
Diese wird ziemlich sicher auf 45.000 € angehoben, wobei es vonseiten der Politik Bestrebungen gibt, die Kleinstunternehmergrenze auf 85.000 € anzuheben. Wir sprechen uns strikt dagegen aus und haben hier zahlreiche Stellungnahmen abgegeben.

Dann wären ja bald 80 % der Friseurbetriebe umsatzsteuerbefreit.
WE:
Korrekt, und das trifft dann die umsatzstärkeren Salons, jene, die MitarbeiterInnen beschäftigen und ausbilden. Es werden damit die Falschen bestraft.

Wie wirkt sich laut eurer Berechnung der erniedrigte UST-Satz konkret auf Schwarzarbeit aus?
WE:
Die Frage ist doch, wie viel der Kunde als Endpreis akzeptiert. Wenn ich besser kalkulieren kann und ich dann mehr vom Umsatz habe, kann ich bessere Löhne zahlen, ohne die Preise zu stark anzuheben.

Welche Schwarzarbeit wurde in der Studie berechnet? Die im Privaten und / oder die im Salon inkl. Sozialversicherungsbetrug und illegaler Beschäftigung, etc?
WE:
Wenn der Wissenschaftler von Schwarzarbeit spricht, dann sind beide Bereiche integriert.

Wie sieht es denn aus mit der Möglichkeit der Absetzbarkeit persönlicher Dienstleistung?
WE:
Unser Fokus liegt auf der Mehrwertsteuerreduktion. Zusätzlich gibt es zwei weitere wichtige Themen, auf die wir fokussieren. Unser Netzwerk der Kompetenzen für eine ordentliche Vergabe der Gewerbeberechtigungen und den Erhalt des Friseurhandwerks als geregeltes Gewerbe.

"Wir kämpfen massiv für den Erhalt des Friseurs als geregeltes Gewerbe."

Das Friseurgewerbe ist in Gefahr?
WE:
Bereits 2018 gab es Bestrebungen, Friseure in ein freies Gewerbe umzuwandeln. Das konnten wir verhindern, es ist aber noch immer nicht vom Tisch. Wir kämpfen massiv für den Erhalt des Friseurs als geregeltes Gewerbe.

Würde sich das durchsetzen, dann könnte jeder einen Salon eröffnen?
WE:
Ja korrekt, das wäre dann wie im schwedischen, englischen oder amerikanischen System, bei dem man keinerlei Ausbildung mehr benötigt.

Das wäre der Genickschuss für die Duale Ausbildung?
WE:
Ja, dann würde der Grundgedanke unseres gesamten Ausbildungssystems, um das uns die ganze Welt beneidet, verloren gehen.

"Unsere Aufgabe ist es, den unkontrollierten Wildwuchs zu verhindern."

Es wird häufig die zu lasche Vergabe von Gewerbeberechtigungen kritisiert?
WE:
Über Gewerbeberechtigungen entscheidet leider nicht die Innung, sondern die Gewerbebehörde. Unsere Aufgabe ist es aber den unkontrollierten Wildwuchs zu verhindern. Wir arbeiten gemeinsam mit der Gewerbebehörde an einem Netzwerk der Kompetenzen, sodass in Zukunft Gewerbebehörden gemeinsam mit den jeweiligen Landesinnungen über die Vergabe eines Gewerbes entscheiden können.

Das ist wirklich unverständlich. War das schon immer so?
WE:
Wir hatten einmal ein Vetorecht, dies wurde uns 2000 genommen und wir wollen das zurück.

"Alle Parteien erreichen ... Hierfür arbeiten wir eng mit Lobbyisten zusammen."

Ihr habt hier drei ziemlich große Brocken: 10 % Umsatzsteuer, Gewerbeberechtigungsvergabe, Kleinstunternehmergrenze. Mit der aktuellen Regierung seid ihr bereits im Gespräch. Wie sieht es aus mit den anderen Parteien, wie kommt ihr an die ran?
WE:
Hierfür arbeiten wir eng mit Lobbyisten zusammen, die in den jeweiligen Parteien zu Hause sind, um an der richtigen Stelle zum richtigen Zeitpunkt Gehör zu finden. Die bringen dann unsere Forderungen ein. Da finden auch bereits Gespräche statt.

Mit welchen Problemen seid ihr dabei konfrontiert, ich stelle mir das nicht einfach vor?
WE:
Ist es nicht. Sobald du als Branche anklopfst, stehen dutzende andere Branchen an und wollen das Gleiche. Zusätzlich müssen ja auch Gewerkschaften und Arbeitnehmerverbände überzeugt werden. Es ist viel Arbeit und vor allem kostenintensiv.

Na ja, in den letzten Jahren haben die Gastro, die Bauern und viele Handwerke Geschenke erhalten, wir sind bis jetzt leer ausgegangen. Es wäre an der Zeit.
WE:
Korrekt, nur wir müssen da messerscharf argumentieren und dranbleiben.

"Alle Politiker müssen irgendwann irgendwo zum Friseur gehen."

Es ist Wahlkampfjahr! Was kann jeder einzelne Friseur tun, um euch hierbei zu unterstützen?
WE:
Alle Politiker müssen irgendwann irgendwo zum Friseur gehen. Wir werden allen FriseurInnen und UnternehmerInnen einen One-Pager zur Verfügung stellen, in dem unsere Herausforderungen beschrieben sind. Wir würden uns freuen, wenn jeder einzelne Friseur Chancen nutzt, um darüber zu sprechen. Nur gemeinsam sind wir stark.

Diesen One-Pager stellen auch wir gerne bereit ► ARGUMENTE FRISEURHANDWERK zum Download

Wolfgang, ich danke dir und wünsche weiterhin viel Erfolg für eine erfolgreiche Durchsetzung eurer Themen.