Credit: Fotostudio Sahnefoto, Jacek Voß e.K.

29.06.2022

Juliane und Christian Klier: Wir sind Preistreiber nach oben

Das Barber-Dilemma, die Klier Vergangenheit, eine dritte Preiserhöhung 2022, weil man genau jetzt Preise anheben muss und die große Notwendigkeit das Ausbildungssystem zu ändern und auf Spezialisierung zu setzen…

Im Gespräch mit Raphaela Kirschnick
 

Ihr führt zwei sehr erfolgreiche Barbershops im deutschen Wolfsburg. Wie geht es euch in Zeiten, in denen Barber gerne generalistisch als „kriminell“ angesehen werden.
Christian Klier: Persönlich ärgert mich sehr der allgemeine Tenor auf Facebook und Co., dass die Barber Shops an allem schuld seien, Preisdumping, Schwarzarbeit, Nicht-Einhaltung von Regeln, eigentlich sind Barber eh nur Geldwäschebuden. Der Verstand sagt mir, wir sind damit nicht gemeint, aber es tut weh, wenn man von allen in die gleiche Schublade gesteckt wird. Das stimmt so einfach nicht, es gibt eine Vielzahl von vielen hochwertigen Herrenfriseuren.

Klingt Herrenfriseur positiver?
CK:
Wir betrachten uns als Herren-Spa, das klingt nur doof. Ergo nennen wir uns Barbershop.

Redet ihr mit Kunden über das mediale Bild des „billigen Barbers“?
CK:
Am Anfang haben wir uns viel mit Kunden unterhalten, das ist aber gar kein Thema ist. Die kommen bewusst zu uns und geben gerne mehr Geld aus, aber möchten dafür qualitativ guten Service und verstanden werden.
Juliane Klier: Was uns auch abgrenzt von den „Anderen“ ist, dass wir auf Transparenz achten, dem Finanzamt und auch den Kunden gegenüber. Wir nehmen nur Kartenzahlung und keine Barzahlung mehr.

Vor ca. 10 Jahren ist der Hype um Barber gestartet. Wie wird sich das Barber-Business weiterentwickeln?
CK:
Ich würde zwischen Barber- und Friseur keinen Unterschied machen. Viele Friseure betonen immer, ‚Wir sind ja keine Barber‘. Aber die machen ja auch Männer und Haare abschneiden ist Haare abschneiden. Wir konzentrieren uns auf Männer, bei uns gibt es halt keine Damenkunden. Das ist ein Riesenunterschied zu den vermeintlichen Barbershops, die immer bei den Zollkontrollen genannt werden. Die meisten sind Unisex-Salons, es steht nur Barbershop dran, weil es spannender klingt als z.B. ‚Friseur Ahmed‘, Frauen machen die aber auch.  
JK: Was nicht heißt, dass Frauen nicht bei uns rein dürfen. Die kommen gerne, um Gutscheine zu kaufen, ihren Mann abzugeben, Mütter kommen mit . Nur bedient werden sie nicht.

War die Zollkontrolle schon mal bei euch?
CK:
Leider nein, wir hätten gerne mal eine Kontrolle.

Gibt es viele ‚Billig-Barber‘ in eurem Salonumfeld?
CK:
Die klassischen Barbershops findest Du bei uns schon zehn Meter weiter, jetzt hat gerade ein neuer aufgemacht. Das ist so ein Barbershop mit Damen, Herren für 8 €, Kinder für 4 €.

Wie geht man damit um?
CK:
Das interessiert uns eigentlich nicht, wir machen unser Geschäft und schauen nicht darauf was andere machen.

Du sprichst von hochwertig, wo liegen eure Preise?
CK:
Wir sind Preistreiber, allerdings nach oben. Wir passen mindestens einmal im Jahr die Preise an, bei uns fängt der klassische Herrenhaarschnitt bei 49 Euro an, das ist für den Wolfsburger Raum ein stolzer Preis. 2017 haben wir noch 36 Euro verlangt. In diesem Jahr werden wir 3 Preiserhöhungen durchführen.

„3 Preiserhöhungen in einem Jahr, die letzte zwischen 8 und 10 %.“

Euer Haarschnitt beginnt bei 49 €. Gibt es jemals Diskussionen mit Kunden?
CK:
Bisschen arrogant ausgedrückt: Nein! Es gibt sogar Kunden, die sagen, für das, was ihr leistet, seid ihr zu billig.
JK: Auch unsere Preiserhöhungen wurden ohne Diskussion angenommen.In diesem Jahr haben wir bereits zwei Preiserhöhungen gemacht. 1 € auf jede Dienstleistung zu Jahresbeginn und im Mai zwischen 8 und 10%, eine weitere kommt wahrscheinlich im Oktober.
CK: Die erste nehme ich nicht so ernst, das war nur ein Euro. Dann ging das mit der Ukraine los und die Preise explodierten. Zusätzlich hatten wir uns aber auch im Vorfeld Gedanken gemacht, die Preise im Zuge der Mindestlohnanpassung erhöhen zu müssen. Mit Erhöhung der Energiekosten, Mietpreise und so weiter haben wir die Preise im Mai nachjustiert. Wenn im Herbst die ersten Nebenkostenabrechnungen kommen, rechnen wir nochmals unsere Preise durch.

„Wenn alle Preise nach oben gehen, dann machen wir das auch, denn genau dann haben alle Verständnis dafür“

Wie sprecht ihr mit den Kunden über Preiserhöhungen?
CK:
Proaktiv! Wir sagen unseren Kunden jetzt schon, dass es sein kann, dass wir noch ein drittes Mal erhöhen müssen. Dann sagen die ok, machen andere auch.
JK: Wir machen das ja nicht, weil wir uns bereichern wollen, sondern passen uns wirtschaftlich kalkuliert an.

Viele Kollegen glauben gerade jetzt sei es schwierig Preise zu erhöhen. Was ist für euch der perfekte Zeitpunkt?
CK:
Wenn wir merken, dass alle anderen Preise wieder nach oben gehen, dann nutzen wir das gleich, um mitzumachen, weil genau dann hat jeder Verständnis dafür.

Wie viele Mitarbeiter habt ihr aktuell?
JK:
Mit mir zehn. Ohne uns arbeiten in beiden Läden jeweils drei Leute am Stuhl. Jeweils eine Kraft macht den Service, also Telefon, Wäsche, den Laden sauber halten, die Kunden bespaßen, Getränke ausschenken. Wir haben ein breites Spektrum an Getränkeservice über Kaffee, Wasser, Cola, Bier, Whiskey, alles was das Herz begehrt.

Gibt es eigentlich die Möglichkeit für Auszubildende?
CK:
Leider ist das als reiner Herrenfriseur nicht möglich. Aber wir werden dieses Jahr mit einem Hochpreisfriseur aus Wolfsburg kooperieren, weil wir eine tolle Bewerbung für einen Ausbildungsplatz erhielten. Der Junge ist top und will unbedingt im Barbershop arbeiten, den wollen wir uns nicht entgehen lassen. Unser Koop-Salon wird die Ausbildung mit ihm machen, wir decken das Männerfach ab und übernehmen einen Teil der Ausbildungskosten.

„Wieso gibt es keine Ausbildung im Barbershop…?“

Was wünscht du dir vom Ausbildungssystem?
CK:
Wir werden in Zukunft nicht genug Friseure haben, das kann man drehen und wenden, wie man will. Ich glaube, dass das grundlegend verändert werden sollte. Wieso gibt es keine Ausbildung im Barbershop, die bei der Friseurausbildung mit angerechnet werden kann? Das Herrenfach ist ein wichtiger Baustein. Wieso kann man nicht Coloristen ausbilden, die keine Haare schneiden wollen und nur mit Haarfarbe Karriere machen wollen? Unser Lieblingsitaliener macht sensationelles Essen ist aber kein Koch, da fragt niemand nach Ausbildung. Lass doch alle machen, wie sie wollen

Werden gestiegene Preise in Form von Lohnerhöhungen auch an Mitarbeiter weitergegeben?
JK:
Natürlich. Da unsere Mitarbeiter Provision erhalten, erhöht sich jedoch der Lohn automatisch. Und wir halten uns auch an die Tariflöhne.

Mich erstaunt immer wieder, wenn Zollkontrollen davon berichten, dass manche Betriebe keinen Mindestlohn zahlen.
CK:
Ich erzähl dir mal eine Story von einem Mitarbeiter, den wir kurzfristig bei uns beschäftigt hatten. Der hatte keine Bankverbindung, blöd, denn wir zahlen den Lohn nicht bar aus. Er kam aus Berlin und erzählte davon, wie er auf 450 Euro Basis angestellt war, voll arbeitete und am Schluss die Bareinnahmen zwischen Chef und Mitarbeitern aufgeteilt wurde. Dann habe ich gefragt, wie er ohne Lohnabrechnung an eine Wohnung kam. Woraufhin er meinte, sein Cousin sei Steuerberater, der habe ihm drei Fake-Abrechnungen gestellt und damit hätte er eine Wohnung bekommen. Das ist scheinbar normal. Deswegen legen wir Wert auf Bargeldlosigkeit. Ich sage das meinen Kunden auch genauso, wenn sie vom 10€ Cut sprechen: Entweder wird der Haarschnitt in sieben Minuten gemacht, oder es geht am Finanzamt vorbei. Jeder der zum Billigdienstleister geht fördert Finanzbetrug. Es ist eine Frage der Kommunikation und auch den Kunden in Verantwortung zu nehmen.

„Wenn man nicht darüber redet, verändert man auf jeden Fall gar nichts.“

Interessiert das den Kunden wirklich?
CK:
Jein! Die meisten machen sich keine Gedanken und sagen da hast du wohl Recht. Aber wenn man nicht darüber redet, verändert man auf jeden Fall gar nichts.

Viele sagen, wenn ich Preise erhöhe, dann muss ich einen Mehrwert schaffen! Ist das so?
CK:
Wenn Friseure über Mehrwert reden, versuchen sie immer die Dienstleistungen noch geiler zu machen. Das ist scheißegal, die Frage ist doch, was der Kunde erwartet. Ich bezahle in einem guten Restaurant nicht mehr, wenn der sagt ich backe die Pizza besonders. Trotzdem nehmen manche Italiener 6,90 und andere 25,90 Euro. Warum ist das so? Weil die auch fürs Ambiente bezahlen. Das honoriert ein Kunde. Wenn die Mitarbeiter schäbig rumlaufen, ist das ein Qualitätsmerkmal. Wenn ich mir die Websiten von manchen Friseuren angucke, sage ich da habe ich lieber keine Website. Ein Kunde erwartet Terminpünktlichkeit, die Möglichkeit am Sonntagabend einen Termin zu buchen. Wir haben über 500 Kundenbewertungen auf Google, da investieren wir aber auch Zeit rein und kümmern uns drum. All das sind Qualitätsmerkmale.  Da muss man die Fachbrille ab- und eine Kundenbrille aufsetzen.

Barbering ist visuell eher eine Männerdomäne, da sieht man die tätowierten, bärtigen Supermänner, wie fühlt man sich als Frau im Barbershop, ist das ungewöhnlich?
JK:
Ich kann mit Männern und einem derben Humor gut umgehen, unsere zwei Mädels im Service auch. Du musst schon was aushalten können! Man sollte nicht allzu empfindlich sein und sich alles zu Herzen nehmen. Bei mir ist das manchmal einfach da rein, da raus. (zeigt auf die Ohren)
CK: Der Ton ist etwas rauer, ein bisschen sexistisch manchmal, aber das wird wertgeschätzt. Das bildet ein gutes Umfeld, um mit einem Mann über Problemzonen zu reden. Das ist ein einfacherer Umgang, da spielt dann auch die soziale Schicht keine Rolle. Wir haben vom Bandarbeiter bis zum Vorstand alle Kunden dabei.

Du bist ein Klier-Sprössling, gibt es noch Berührungspunkte zur Klier-Kette?
CK:
Nein, gar nicht! Jeder der meinen Namen hört, denkt ich mache den Barbershop als Hobby, weil ich bei Klier viel Geld verdiene. Dem ist nicht so! Ich war dort zwanzig Jahre Geschäftsführer, bin aber mittlerweile komplett raus. Ich bin auch kein Gesellschafter, und habe auch kein Geld für meine Anteile gesehen.

Klier hat eine schwere Zeit hinter sich und wird in den Sozialen Netzwerken häufig kontrovers diskutiert. Wie geht es Dir damit?
CK:
Ich bin stolz drauf ein Klier zu sein, glaube aber nicht mehr an das Geschäftsmodell. Das ändert aber nichts daran, dass da Menschen arbeiten, die einen tollen Job machen und sehr qualifiziert sind. Das tut mir als ehemaligem Arbeitgeber schon weh. Man darf auch nicht vergessen, dass Klier-Auszubildende immer mit Kusshand genommen werden. Da muss ich meine Lanze ziehen für die Mitarbeiter, die oben interessieren mich nicht.

Liebe Juliane, lieber Christian, ich danke euch für das vielseitige Gespräch und wünsche euch weiterhin viel Erfolg.