Grafik imSalon

06.12.2019

Die mafiösen Machenschaften der Wiener 10 Euro Friseure

Wie Billig-Salons Whatsapp Gruppen nutzen, um vor Kontrolleuren zu warnen und andere mafiöse Machenschaften. Eine Selektion aus dem Potpourri krimineller Geschäftemacherei.

Im Gespräch mit Innungen, Finanzpolizei und Unternehmern haben wir Spannendes erfahren. Eine unvollständige Liste jener Dinge, mit denen sich Autoritäten herumschlagen.

Sozialbetrug / Schwarzarbeit

  • Geringfügig Angestellte arbeiten offiziell 10 Stunden, faktisch aber bis zu 60 Wochenstunden
  • Mitarbeiter werden angemeldet, bekommen Geld überwiesen, liefern das zum Teil aber im Salon wieder ab.
  • Gängige Arbeitsweise: „Zweimal in die Tasche vom Chef arbeiten, einmal für mich!“
  • Werden die Leute erwischt, haben sie „nur mal kurz vorbeigeschaut“ und der Chef ist grad nicht da.
  • Der Besitzer/Betreiber eines Salons steht oft auch als geringfügig Angemeldeter im Salon und ist somit selbst Leistungsempfänger (z.B. Wohnbeihilfe, AMS).
  • Es werden zwischen den Salons Mitarbeiter ausgetauscht. Dann arbeiten sie, um nicht aufzufallen, 10 Stunden in dem einen, ein paar Stunden in einem anderen Geschäft.
  • Wird eine Strafe fällig, dann wird zeitweilig untergetaucht und in einem anderen Salon oder in der Kebab-Bude gearbeitet.

Whatsapp-Gruppen

  • In manchen Bezirksgrätzeln organisiert man sich in Whatsapp-Gruppen. Findet in einem Salon eine Prüfung statt, geht die Warnung sofort an die anderen raus. Unangemeldete Mitarbeiter verschwinden; die fällige Strafe für denjenigen, der die Warnung getätigt hat, wird von der Gruppe übernommen. 

Vereinsbildung

  • Salons bilden einen Verein – zugegeben eine Gradwanderung.  Die Kunden, die in diese Salons kommen, sind offizielle Vereinsmitglieder, zahlen einen jährlichen Beitrag. Der Betreiber des Salons ist zu 20 Prozent umsatzsteuerbefreit – geht gut, solange die Vereinspolizei nicht nachschaut

Sonntags – und Feiertagverbot

  • Die meisten dieser Salons sind an Sonn- und Feiertagen rechtswidrig geöffnet, die sich im Salon befinden Personen sind in der Regel immer „Familie und Freunde“ oder heute ist „Putztag“
  • Werden diese kontrolliert, schließen sie das Geschäft dann erst einmal hinter den Kotrollorgangen ab, öffnen aber später erneut.

Registrierkassen im Testmodus

  • Hier werden Belege ausgedruckt und dem Kunden ausgehändigt, auf denen lediglich ein Preis steht – kein Geschäftsname, keine Adresse, keine Dienstleistung.

"Es wird doch aber eh nie was getan"! Stimmt so nicht, denn:

  • Geringfügig Angemeldete, die die Arbeitszeit überschritten haben, bekommen vom AMS die Möglichkeit, sich innerhalb von 48 Stunden auf Vollzeit umzumelden, entweder im derzeitigen oder in einem anderen Salon. Hier macht der AMS-Erhebungsdienst Vorschläge, in welchem anderen Salon derjenige 40 Wochenstunden arbeiten könnte. Ist der Mitarbeiter dazu nicht bereit, wird gegen ihn ein Verfahren wegen Betruges eingeleitet und er muss sämtliche zu Unrecht bezogenen Gelder zurückzahlen.
  • Die razzien-artigen Kontrollen werden weniger, stattdessen finden diese vermehrt anhand von eingegangen Hinweisen statt (aus der Bevölkerung, von Kollegen oder polizeilichen Aktennotizen).
  • Steht ein Geschäft unter Verdacht oder wurden bereits Auffälligkeiten festgestellt, wird hier mehrfach nachkontrolliert.
  • Hier hat man von der Baubranche gelernt. Unternehmer, die mit solchen Methoden arbeiten, werden in den gut miteinander vernetzten Datenbanken der Ämter mit einer Notiz versehen. Sollte eine erfolgte Ummeldung nach einiger Zeit wieder in geringfügig wechseln, verweist die Datenbank auf eine nächste fällige Kontrolle.
  • Auch nach mehrmaligen Kontrollen werden Geschäfte weitergeführt und gegen Gesetze verstoßen. Es gibt Strafen bis hin zum Entzug der Gewerbeberechtigung. Strafrahmen werden diskutiert.

Der LIM Eisinger ist zuversichtlich: „Die Kontrollen zeigen ihre Wirkung! Wir brauchen allerdings weiterhin die Unterstützung der Kontrollbehörden, damit die Betrugsdelikte nachhaltig weniger werden.“ Sein erklärtes Ziel ist ein fairer Wettbewerb in der Friseurbranche!

LIM Stv. Michael Musek gibt zu bedenken: „All das gilt es als Zwischenstand zu verstehen. Vor ein paar Jahren noch war die Aussage der Finanz: ‚Friseur-Prüfungen sind nicht rentabel!‘ Das hat sich geändert und ist als Teilerfolg zu werten.“

Was können wir tun?

Markus Eisinger setzt auf Aufklärung und Information! Zum einen bei den Kunden, darüber zu reflektieren, ob mit 13 Euro pro Haarschnitt Mitarbeiter gerecht entlohnt werden und ein Geschäft legal erhalten werden kann? Denn es geht um Sozialbetrug und den für uns alle entstehenden wirtschaftlichen Schaden.

Zum anderen gilt es, in die Ausbildung zugewanderter Friseure zu investieren! Denn zum Handwerk gehört auch das Verstehen der Rechte, im Sinne geregelter Arbeitszeiten, gerechter Entlohnung, Urlaubsanspruch; den zumeist guten Handwerkern bewusst zu machen, dass gerade in ihrer eigenen Community zum Teil erpresserische Ausbeutung an der Tagesordnung ist. Und dass sie möglicherweise in einem anderen Salon gerechte Entlohnung zu fairen Preisen bekommen.