19.03.2015

Ute Maria Händlhuber & Julia Eisenknapp sind Backstage

Diese Geschichte von Ute Maria Händlhuber und Julia Eisenknapp begann 2003 in Schwanenstadt zwischen Traktor, Müll und Lackdosen. Wir haben die beiden heute im Interview..

Fakten:

beide geboren in OÖ, aufgewachsen in Schwanenstadt

wichtige Lehrstation: Haarmode Kronlachner (Ute), Ton&Guy (Julia)

Salon "Backstage" seit 2003 in Schwanenstadt

1 Salon | 3 Mitarbeiter | 2 Lehrlinge



imSalon: Woher kam der Name "Backstage"?
Backstage steht für das Arbeiten hinter der Bühne des Mainstreams.. Wir spielen immer mit den neuesten Strömungen und Trends, die wir nicht aus Schulungen und Messen aufsaugen. Wir suchen diese Stömungen in den Städten dieser Welt... Egal ob in Bologna, London, Ibiza, China, Berlin oder Wien.
 

"Welch' ein Volltreffer! Eine alte heruntergekommenen Lagerhalle, ohne Strom, ohne Wasser!"



imSalon: Wie habt ihr euch kennen gelernt?
Julia und ich, wir kannten uns nur flüchtig bis gar nicht. Ich wusste nur, dass Julia genauso wie ich die Meisterprüfung gerade absolviert hat und auf der Suche nach einer neuen Herausforderung steht. Ich hatte schon Pläne mich selbständig zu machen, wollte dies aber nicht im Alleingang machen. Kurz entschlossen rief ich sie an und fragte sie ob sie sich nicht auch selbstständig machen möchte. Mit mir! An unseren ersten Treffen, hatte ich schon einen Besichtigungstermin mit unserem Vermieter ausgemacht. Welch ein Volltreffer... Eine alte heruntergekommen Lagerhalle... ohne Strom, ohne Wasser.. Wir beide sahen in diesen Raum das Potenzial zu unserem Salon! Wer so verrückt ist muss zusammenpassen. Das Projekt Backstage konnte beginnen und mich und Julia verbindet seit diesem Tag eine tiefe Freunschaft.

imSalon: Was bedeutet Nachhaltigkeit und ökologisches Arbeiten für euch?
Nachhaltigkeit und ökologisches Arbeiten sind für uns nicht nur Stichwörter. An allen Ecken und Enden sind wir dazu verpflichtet unsere Bestes zu geben und nachhaltig zu Arbeiten. Wir haben z.B. jetzt unseren Plastikkonsum um 80% reduziert. Wir verzichten auf Plastikmäntel und bieten unseren Kunden an, die Produktflaschen für den Hausverbrauch auffüllen zu können. Unseren Kunden trinken nur EZA Kaffee und Tee aus biologischen Anbau.
 

"Öko-Maßnahmen dürfen kein Marketing-Gag sein"



imSalon: Auf eurer Webseite findet man auch Hinweise zu Wasserbelebung und Klimabündnis..
Zum Klimabündnis sind wir beigetreten, weil wir immer wieder Verbesserungsvorschläge erhalten zum Thema Energiesparen. Wir haben den Salon mit LED belichtet und bei unserem letzten Umbau 2009 unseren Salon noch mal neu isoliert. Wir verzichten bewusst auf das Beleuchten von Auslagen oder Reklamen, um Energie zu sparen. Wir fahren auf Schulungen, Vorträge und Messen mit dem Zug. Wir wollen unseren Co2-Fußabdruck so klein wie möglich halten. Dazu zählen auch die Produkte: Tierversuchsfreiheit, viele ökologische Inhaltsstoffe, Trinkwassereinsparung und Nachhaltigkeit stehen an erster Stelle. Diese Maßnahmen sollen kein Marketing Gag sein, sondern Alltag in allen Salons und Betrieben.

imSalon: Woher kam euer Salonkonzept? Wusstet ihr immer schon, wie der Salon aussehen soll oder ist die Einrichtung “gewachsen”?
Als wir zum ersten Mal das große, schwere Tor zu unserer Location öffneten, sahen wir einen Traktor und eine Halle voll geräumt mit alten Lacken und Müll. Doch zwischen den ganzen Chaos spürten wir, dass ist der Platz um unsere Träume zu verwirklichen. 2003 bauten wir dann diese Halle in unser erstes Backstage um. Wir arbeiteten lange Zeit zu Zweit auf ca. 60 m2. 2008 hatten wir das Gefühl, dass wir uns vergrößern müssten. Und dass taten wir. Wir rissen eine Wand um und bauten das neue Backstage auf 150 m2. Für diesen, wie auch für den ersten Umbau, planten wir alles selber. Wir haben genaue Vorstellungen und Visionen. Die Planung, Baustellenaufsicht, den Einkauf und die Umsetzung hatten wir fest im Griff.

imSalon: Was war das Ziel bei diesen Umbauten?
Wir wollten nicht wie ein gewöhnlicher Friseur wirken. Wir wollten eine gemütliche Atmosphäre schaffen in der wir als Friseure arbeiten und wirken können. Wir wollten aber auch eine Bar einbauen, um Veranstaltungen und Feste austragen zu können. Viele Veranstaltungen konnten wir schon anbieten, und auch schon so manche Schulungen und Kurse wurden bei uns abgehalten. Wir schufen einen Platz der Begegnung. Momentan haben wir auch Bilder ausgestellt. Wir freuen uns über neue Begegnungen, über Menschen welche etwas dazu beitragen können unsere Welt ein bisschen bunter zu machen. Somit hatten wir schon so manche Eigenwilligkeiten im Salon.
 

"Man kann und darf Friseure nicht in Schulungsabläufen einengen"



imSalon: Ihr inspiriert euch auf der Straße und auf Reisen – wie schaut es da mit klassischen, Friseurseminaren aus?
Wenn es sein muss! Wissen welches man sich selbst beibringt verlernt man nicht mehr. Es gibt schon sinnvolle Schulungen, jedoch muss man Platz schaffen um experimentieren zu können. Wir wollen Raum geben, um Fehler machen zu können. Hat ein Mensch die Möglichkeit sich zu entfalten, gibt es kein Richtig und kein Falsch mehr. Gewisse Schneidetechniken und das Basiswissen der Farblehre müssen vorhanden sein und auf dieses kann man sehr gut aufbauen. Den kreative Mensch und das sind wir Friseure, kann und darf man nicht einengen in Schulungsabläufen. Wir bauen auf die Lust und Neugierde auf. Darum sind wir auch mit dem gesamten Team, jedes Jahr wieder, in einer neuen aufregenden Stadt, um dort neue Trends zu sehen, welche wir Backstage dann erarbeiten und an unseren Kunden weitergeben.

imSalon: Wie kommt euer ungewöhnlicher Salon in einer Ortschaft wie Schwanenstadt an? Habt ihr hier schon auch unangenehme Erfahrungen gemacht?
Nein, eigentlich nicht. Gerade die Menschen in eher ländlichen Gegenden suchen das Außergewöhnliche. Gäbe es uns nicht, begäbe sich unsere Klientel sicher in den städtischen Bereich. Schmunzeln müssen wir immer dann, wenn jemand an der Rezeption steht und fragt: "Kann ich auch zu euch kommen, oder bin ich zu alt, macht ihr nur schräge Sachen?".

imSalon: Seid ihr ein „Szene“-Treffpunkt?
Nein, und das wollen wir auch nicht sein. Unsere Pforten stehen allen offen. Egal ob Reich oder Arm. Künstler, Kreative oder dem Otto-Normalverbraucher. Unser Ziel ist es den einzelnen, individuellen Menschen zu begegnen, keiner Szene.


imSalon: Gibt es da Unterschiede zwischen Land und Großstadt?
Ja, aber nur pragmatische. Wie zum Beispiel der unterschiedliche Mietaufwand oder die Werbungskosten. Ansonsten sind wir der Meinung: Mach, was du liebst. Sei wer du bist. Dann spielt Raum und Zeit keine Rolle.
 

"Zeugnisse und Prüfungen interessieren uns nicht"



imSalon: Ihr seid ein bunt gemischtes Team aus individuellen Frauen - worauf achtet ihr bei der Mitarbeitersuche?
Mittlerweile achten wir nur mehr auf die Persönlichkeit der Mitarbeiter. Wir interessierten uns nicht für Zeugnisse und Prüfungen. Wir wollen Menschen im Backstage die lieben was sie tun. Die ihre Arbeit schätzen und fähig sind eigenverantwortlich zu handeln. Wir lassen unseren Mitarbeitern viel Spielraum, was sich nicht immer als der einfache Weg zeigt. Doch ohne Reibung auch kein Wachstum.

imSalon: Unternehmt ihr Dinge gemeinsam?
Ja, natürlich. Einmal im Jahr werden unsere Mitarbeiter eingeladen uns auf eine Reise zu begleiten.
Gerade im März waren wir auf der Cosmoprof in Bologna und anschließend in Venedig. Es ist wichtig als Team zu funktionierten.
 

"Man muss individuell sein um als Friseur GLÜCKLICH zu sein!"



imSalon: Muss man individuell sein, um in der Friseur-Branche erfolgreich zu sein?
Nein, es gibt viele große namhafte Ketten, die hohe Gewinne ausschütten und sehr erfolgreich sind. Diese Ketten haben jedoch mit Individualität nicht viel zu tun. Da gibt es halt Dienstleistungen welche konsumiert werden können. Für uns stellt sich die Frage: Muss man individuell sein, um in der Friseur-Branche glücklich zu sein? Und diese Frage können wir nur mit Ja beantworten! Erfolgreich ist der Unternehmer auch, wenn die Mitarbeiter stupide vor sich hin arbeiten und die zu erreichenden Zahlen passen. Glücklich sind wir dann, wenn wir erkennen, dass wir selbst und auch die Mitarbeiter einen erfüllten erfolgreichen Tag hatten.

imSalon: Was bedeutet für euch der Friseurberuf? War das immer schon euer Traum?
Der Friseurberuf bedeutet für uns Bewegung. Alles ist in ständiger Veränderung. Manchmal ist der Friseur der Akteur, manchmal Diener, manchmal Unterhalter. Manchmal Zuhörer, manchmal Berater und Verkäufer. Aber immer ist man der Friseur. Mensch. Ein Friseur hat ein großes Fachwissen, welches er ständig benutzt, erweitert und testet. Ein Friseur ist ein Menschenkenner, ein Soziologe, ein Psychologe. Aber immer ist man der Friseur. Es war nicht unser Traum Friseur zu werden. Aber ist ein Traum ein Friseur zu sein.