Credit: Vanessa Hartmann van DeHart Photography

28.02.2025

„Unsere Kunden brauchen uns als ihren Safe Place“

Katharina Strassl sieht bei Kundinnen und Kunden ein neues Biedermeier gekommen: Rückzug, leichte Kost, Schweigen. Und genau deshalb blickt sie positiv in die Zukunft und plädiert für mehr Selbstbewusstsein der Branche.

Ein Kommentar von Katharina Strassl, IKS Wien

Zeiten, in denen Krisen, Kriege und ständig neue Bedrohungen präsent sind und die damit verbundene Ohnmacht, Situationen selbst verändern und beeinflussen zu können, setzt den Menschen seit jeher besonders zu.

Wir werden tagein, tagaus mit den furchtbarsten Nachrichten aus ganzer Welt versorgt. Egal ob es die Corona-Jahre waren, der Krieg in der Ukraine oder in Nahost. Energiekrise, Inflation oder Firmenpleiten. Alles wird ungefiltert über Medien und sogenannte soziale Medien frei Haus geliefert.

Im Laufe der Menschheit gab es sie immer, die schlechten Zeiten: kriegerische Auseinandersetzungen, Pandemien, Hungersnöte. Die Menschen haben sich damit arrangiert, mussten sich arrangieren und lernen, vieles auszuhalten und zu ertragen.

Derzeit beobachte ich ein ähnliches Verhalten in vielen Bereichen wie es die Menschen damals in der Epoche der Biedermeierzeit (1814-1845) getan haben. Kriegsgebeutelt und müde ob der vielen Revolutionen setzte ihnen noch der durch Staatskanzler Metternich errichtete Polizeistaat massiv zu. Dieser war gekennzeichnet durch Verfolgung und Unterdrückung von Demokratie, Presse und Meinungsfreiheit.

Die Menschen reagierten mit Rückzug in ihr Zuhause. Familie und der geschützte Raum gewannen an Wert. Sie richteten sich schön ein (Biedermeier Möbel), gingen viel in die Natur („Psychohygiene“ nennt man das heut), gönnten sich etwas (z.B. Besuche von Bällen) und schauten, dass es ihnen und ihren Lieben gut geht.

Schweigen, leichte Kost und Salons als Safe Space

Nichts anderes passiert gerade im Hier und Jetzt! Ich nenne es das „moderne Biedermeier“: Unsere Kunden greifen plötzlich zu keinen Tageszeitungen mehr, denn mittlerweile sind die News für emphatische Menschen fast unerträglich. Sie verlangen aktiv nach Illustrierten, der „leichten Kost“. Sie wollen abschalten. Keine Gespräche über die aktuelle Lage der Regierungsbildung u.ä.. Sie genießen Kopfmassagen, wie ich es schon lange nicht erlebt habe. Überhaupt wollen viele derzeit lieber schweigen bei unseren Treatments. Oder lachen.

Unsere Kunden brauchen uns als ihren „Safe Place“.  Auch die Letzten haben während den Lockdowns erkannt, wie wichtig wir Friseure für ihr Seelenheil sind. Und wir sind derzeit fest eingeplant in ihrem „ich will mir Gutes tun“ Grundsatz.

Auch wir Stylisten wurden in den letzten Jahren von Krisen gebeutelt. Wir sind weniger geworden, wir stehen auf der Mangelberufsliste und kämpfen alle mit gestiegenen Kosten und all diese Dinge haben wir zur Genüge besprochen und gelesen.

Positive Zukunft trotz weniger Geld bei Kundinnen und Kunden

Aber nach langen Durststrecken sehe ich sehr positiv in die Zukunft! Wir werden gebraucht! Die Menschen haben weniger Geld zu Verfügung und schauen genauer darauf, wofür sie dieses ausgeben. Aber sie geben es aus! Für sich selbst.

Noch nie wurde so viel geflogen wie 2024! Der Wunsch nach Urlaub und Auszeit, sich Gutes zu tun, ist so groß wie nie. Wellnesshotels vergrößern und heben ihre Preise an. Warum? Weil sie es können! Der Trend zum Kurzurlaub ist ungebrochen. Man fliegt keine 3 Wochen mehr mit Kind und Kegel, sondern kürzer. Aber man fliegt.

Die Gehirnforschung sagt, dass es wichtig ist, in Krisenzeiten die „Resilienz“ zu stärken, also die psychische Widerstandsfähigkeit und die Fähigkeit, mit schwierigen Lebenssituationen umzugehen. Und die erreicht man, indem man zu Ruhe kommt. Mediation, Massagen, Spaziergänge, gutes Essen und Dinge, die guttun.

Diese Sehnsucht nach heiler Welt, einem gesunden Körper und Wohlbefinden werden uns in der nächsten Zeit volle Auftragsbücher bescheren. Davon bin ich überzeugt. Denn unsere Kunden brauchen uns! Mehr als je zuvor! Wir sind ihr „Safe Place“ an dem sie alles ausblenden können, durchatmen, positive Vibes aufnehmen und gestärkt werden.

Raum der Auszeit! Wenn wir es nicht tun, machen es andere

Diese Zeit, in der es in der Welt eher düster aussieht, kann für unsere Branche sehr rosig werden: Wenn wir die Zeichen erkennen und einen Raum der Entspannung und Auszeit schaffen. Wenn wir es nicht tun, machen es andere.

Wir kennen alle dieses Lächeln, das entspannte und zufriedene Kunden auf den Lippen haben, wenn sie unsere Salons verlassen. Wir haben diese Kraft. Es ist Zeit, uns dessen wieder voll bewusst zu werden und zu neuem Selbstbewusstsein zu finden!