Credit: Igor Marinko

25.02.2022

Tetyana Aleks: Die Hilflosigkeit, wenn man seiner Familie nicht helfen kann

Die Situation in der Ukraine lässt in diesen Tagen in Europa niemanden kalt. Voller Mitgefühl schauen wir Richtung Osten. Wie geht es damit Tetyana Aleks, einer seit 17 Jahren in Linz lebenden ukrainischen Friseurin? Wie schaut es in ihrem Heimatland aus, wo Familie, Freunde und FriseurkollegInnen mit einer dramatischen Situation konfrontiert sind. Wir haben kurz mit ihr gesprochen.

Im Gespräch mit Katja Ottiger
 

Tetyana, mit Blick auf die Ukraine, wie geht es dir heute?
Tetyana Aleks:
Ich verfolge unentwegt die Nachrichten, stehe in ständigem Kontakt mit meinen Eltern sowie meiner Schwester und schreibe mit Freunden übers Handy. Zum Glück steht das Internet noch und wir können uns gegenseitig erreichen. Es ist sehr schwer, hier zu sitzen und von meiner Schwester in Lemberg zu wissen, dass sie die ständigen Sirenen hört, Angst hat und nicht weiß, ob sie in einen Bunker gehen soll und wo der nächste eigentlich ist.

"Ich kann meine Familie wenigstens mit Geld unterstützen, das ist mehr, als andere haben."

Kannst du denn irgendetwas tun?
TA:
Ich habe das Bedürfnis, aber ich habe keine Idee, wie. Ja klar, ich bin darauf vorbereitet, Leute aufzunehmen und habe zu allen gesagt: Lauft in Richtung Westen, ich hol euch von der Grenze ab und dann schauen wir weiter. Aber keiner meiner Freunde und Verwandten will raus. Sie sagen: `Was soll ich bei dir machen? Hier habe ich meinen Job, meine schöne Wohnung, Haustiere. Wo soll ich hin in Österreich? Ins Flüchtlingslager? Ist das nicht dasselbe, was ich jetzt mache, aber auf eigenem Grundstück? Da bleibe ich lieber hier in einem Bunker.`

Zum Glück funktionieren die Banken noch. Ich kann meine Familie von hier aus mit Geld wenigstens etwas unterstützen. Das ist mehr, als viele andere haben und das beruhigt mich etwas.

Wie motivierst du dich für deine Arbeit?
TA:
Das wird schon gehen. Heute habe ich frei und morgen werde ich versuchen, meine Kundschaft zu verschieben. Denn es wird morgen in Linz eine Solidaritäts-Kundgebung für die Ukraine stattfinden, an der ich teilnehmen möchte.

Weißt du, wie es für Kollegen in der Ukraine derzeit ausschaut?
TA:
Niemand geht zur Arbeit, nur die Versorger, wie Supermärkte, Apotheken, medizinisches Personal. Die Schulen und Kindergärten arbeiten nicht mehr, alle bleiben zuhause. Die Städter sind aufs Land geflohen. Auch einige meiner Freunde von Kiew suchen die Dörfer außerhalb auf und ziehen erst einmal wieder zu ihren Eltern.

„Der Beruf spielt in diesen Tagen keine Rolle mehr (…) Alle Männer zwischen 18 und 60 werden mobil gemacht.“

Es gibt viele Friseure in der Ukraine, der Bedarf ist da. Der Beruf spielt in diesen Tagen aber keine Rolle mehr. Und für männliche Friseure noch weniger. Alle Männer zwischen 18 und 60 werden mobil gemacht, ich denke nicht, dass heute ein Friseursalon in der Ukraine geöffnet haben wird.
 

Tetyana, ich wünsche dir, deiner Familie und deinen Freunden von Herzen alles Gute! Danke, dass du dir Zeit genommen hast.