25.09.2017
Sonja Krenmayr ist Frau Schneider und Micro-Friseurin
"Wenn man mein Hirn in der Mitte aufschneidet, dann würde es genau so aussehen!" Micronisierung ist der Trend in der Dienstleistungsbranche. Große Salons schließen, kleine Ein-Mensch Betriebe sprießen aus dem Boden, kreativ, anders, individuell. Wir haben eine Friseurin interviewt die mit gutem Beispiel zeigt wie viel Friseur aus 9m² herausholen kann.
Das Gespräch führte Fanny Mozes
imSalon: Sonja Krenmayr, stell dich doch mal vor…
Sonja Krenmayr: Ich bin ursprünglich aus Oberösterreich und habe sechs Jahre in einem Salon in Eferding gearbeitet, bis es mir zu langweilig wurde und ich nach Wien gekommen bin. Letztes Jahr war ich vier Monate in London, das hat mich inspiriert, meinen eigenen Salon aufzumachen. Damit bin ich glücklich und erfolgreich.
"Es gibt in Wien mehr Leute als in London, die sich was trauen"
Ist London viel extravaganter als Wien?
S: Friseurtechnisch nicht unbedingt, sicher sieht man ein paar schräge Vögel, aber ich finde es gibt in Wien mehr Leute, die sich was trauen.
Wirklich?
S: Klar, 50% meiner Farben sind knallig, von pink neon-gelb, blau alles, das ist mein Spezialgebiet.
Du hast ganz schwarze Haare!?
S: Ich habe schon alles gehabt. Letztes Jahr hellblau und lila, bald wieder knallig. Selber machen ist aber schwierig und meine Haare müssen sich ein bisschen erholen, dann wieder.
Arbeiten von Frau Schneider
Hast du deine Dienstleistung auf Farbe spezialisiert?
S: Mir ist es wichtig, dass ich das, was ich mache, gescheit mache. Ich bin wahrscheinlich der einzige Friseur in Währing, der was Schrilles macht. Bei mir im Geschäft gibt es keinen einzigen Lockenwickler. Es gibt kein Make-up und keine Maniküre, ich bin rein auf Farbe und Schnitt fixiert.
„Bei mir ist es chillig, meine Kunden sind alle chillig"
Du hast keine fixen Öffnungszeiten?
S: Genau, ich studiere nebenbei und jetzt richte ich Arbeiten nach meinem Studienplan aus. Ich möchte einfach, dass es bei mir chillig ist, meine Kunden sind eigentlich alle chillig, wenn die einmal 15 Minuten warten, dann ist es halt so. Dann trinken sie einen Spritzer oder ein Bier. Für die Termine ist die Wartezeit eh schon 5 Wochen.
Wie du studierst?
S: Umwelt und Bioressourcen Management! Hobbymäßig, dass ich ein bisschen aus der Friseur Bubble herauskomme und mich weiterbilde. Ich liebe das Haareschneiden, ich will auch in dem Bereich noch expandieren, keine Ahnung, irgendwo hingehen, aber eben auch mein Allgemeinwissen erweitern.
Hast du ein besonderes Verhältnis zu deinen Kunden?
S: Ja, sehr locker, sehr entspannt. Ich bin mit allen per Du, ob sie jetzt 70 sind oder 28. Der Großteil vom Klientel ist unter 40. Aber wer mir nicht taugt bekommt einfach keinen Termin (lacht)!
So streng ist es hier?
S: Nein, ich habe eh tolle Kunden. Es ist gemütlich, lustig und meine Kunden bringen mir gern kleine Geschenke mit. Ich hatte es ja 8 Jahre lang, jede halbe Stunde zack, zack, zack Kunden abzuarbeiten. Da kannst du einfach keine Beziehung zu den Kunden aufbauen und das genieße ich jetzt sehr, da bin ich freier.
Sonja Krenmayr & Frau Schneider Logo
Bist du manchmal überfordert?
S: Ja. Natürlich schaut alles easy aus, es ist aber auch anstrengend. Du hast nicht nur die Stunden am Kunden im Kopf, sondern musst Bestellungen, Buchhaltung machen, zusammenräumen, putzen. Alleine ist das oft heftig. Dennoch würde ich nie wieder tauschen. Ich habe gute Jahre gehabt als Angestellte, viel gelernt.
Würdest Du dich nochmal anstellen lassen?
S:Würde meine Londoner Chefin in New York einen Salon aufmachen, würde ich mich sofort anstellen lassen, zumindest für ein paar Monate, aber sonst 'naaa'… Natürlich komme ich oft heim, wenn ich von 10 bis 22 gearbeitet habe und denke mir 'Boa, geht gar ned'. Dann siehst du, wieso du es machst und alles ist gut. Meine Kunden werden immer mehr, das ist eine schöne Bestätigung.
Um 22Uhr bekommt man bei dir noch einen Termin?
S: (Lacht) Also um 10 dann doch nicht mehr. Eigentlich habe ich offen bis 21 Uhr. Das habe ich so von London übernommen. Ich beginne um 11 oder 12Uhr und habe dafür am Abend länger offen. Die Abendtermine sind sehr begehrt, gerade bei Leuten, die viel arbeiten. Spontan vorbeikommen geht meistens leider nicht.
„Ich bin wie der Wind"
Expandieren bedeutet für dich ein Team zu haben?
S: Später mal, zuerst mag ich mein Studium fertigmachen. Ich bin wie der Wind, es kann sein, dass ich nächstes Jahr nach New York gehe, für paar Monate, aber das entscheide ich dann aus dem Bauch heraus.
Wie erreichst du deine Kunden?
S: Mittlerweile ist es ein Selbstläufer. Das meiste ist Mundpropaganda, am Anfang war es viel Facebook Werbung, ich habe schon 1200 Likes. Man muss im Gedächtnis der Leute bleiben. Manche gehen vorbei und denken sich: Was ist das? In Währing bin ich doch recht schrill. Vor Kurzem ist wer aus Deutschland zu mir gekommen, es kommen auch nach wie vor viele Oberösterreicher zu mir und ja, das macht mich schon stolz.
Währing, das ist ja so das Mekka der Friseure, wie hälst du dich da so gut?
S: Es gibt hier Friseure, das ist der Wahnsinn. Aber irgendwie hat jeder seinen eigenen Kundenstamm und im unmittelbaren Umkreis versteh ich mich mit jedem gut. Da hilft man sich auch ein bisschen aus der Patsche. Einen Haarschnitt kann man Gott sei Dank nicht bestellen und so hat immer jeder was zu tun.
Konkurrenz gibt es nicht?
S: Na, Konkurrenz belebt das Geschäft. Wenn es bei mir keinen Termin gibt, jemand aber gerade verzweifelt, dann schicke ich sie gerne rüber.
Gibt es Fortbildungen, wo du gerne hingehst und Events?
S: Mein ganzes Leben dreht sich eigentlich nur um Haare, wenn du in mein Instagram oder Facebook schaust, überall Haare, Haare, Haare. Im Mai war ich auf einem Seminar in Dublin, mich interessieren Seminare eher im Ausland.
"Ein Idol, das ist Sophia Hilton aus London..."
Warum?
S: Weil es lockerer ist und die Leute anders sind. Es taugt mir zu reisen. Ich habe ein Idol, das ist Sophia Hilton aus London. Ich liebe, was sie macht, wenn ich es mir leisten könnte, würde ich all ihre Seminare besuchen. Sie hat bunte Farben, ist außergewöhnlich, es soll alles schräg sein. Schräge Leute sollen sich in meinem Salon wohlfühlen und diese Sophia lebt es mir so vor.
Der Salon
Zwischen Zauberwürfel, Kaktus und Kaugummiautomat - Was soll deine Salon Einrichtung ausdrücken?
S: Es ist einfach trashig, ich liebe Trash. Wenn es nicht zusammen passt ist es mir am Liebsten. Man soll als Friseurin etwas darstellen und ich steh halt auf Second-Hand. Ich bin jetzt nicht die Friseurin die immer perfekt frisiert ist, aber die Leute stehen drauf. Eine entspannt gute Atmosphäre.
Es schaut auch sehr selbstgebastelt aus hier!
S: Es ist alles selbst gebastelt, von meinem Freund und mir. Es gibt viele Einflüsse aus London, alles aus Willhaben, gebrauchte Stücke vom Spiegel bis zum Kühlschrank. Auch im Schaufenster die Fäden, String-Art nennt sich das in London… ich bin ein London Fan.
Das Geschäft ist so, wenn man mein Hirn in der Mitte auseinander schneiden würde, dann würde das wahrscheinlich so ausschauen. Chaotisch!
Es ist für dich dein Ort kreativ zu sein?
S: Ja komplett, Meine Freunde sagen: Es ist ein Happy Place.
Wie bist du auf deinen Namen, Frau Schneider gekommen?
S: Es denken zwar viele es ist ein Schneider, aber es hat sich so ergeben und gut etabliert.
"Ich bin mein eigener Vertreter."
Welche Produkte bzw. Marken verwendest du?
S: Grundsätzlich verwende ich Wella, aber nicht nur. Von Schwarzkopf gibt es super Blondtöne, aus England bestell ich die Crazy Colors. Ich bin da nicht so festgefahren, warum auch? Ich bin mein eigener Vertreter.
Bunte Haare im Alltag?
S: Man kann auch mit bunten Haaren ernst und seriös sein. Es kommt nicht auf die Farbe an, sondern, wie gepflegt sie sind. Keine Farbe ist so schön wie gesundes Haar. Mir ist wer mit schön frisierten blauen Haaren lieber als eine ungepflegte Brünette. Ich hätte kein Problem damit, wenn meine Bankberaterin blaue Haare hätte.
Hattest du einen Kundenstamm, der dir den Start erleichtert hat?
S: Ich habe ein paar Leute mitgenommen aus den letzten Jahren, vielleicht 30, mehr nicht. Jetzt dreht sich das Rad, natürlich hat das eine Zeit gedauert. Am Anfang bin ich durchgedreht, wenn es in der nächsten Woche freie Termine gab. Es hat sich dann trotzdem immer gefüllt. Und jetzt ist es so, dass ich wochenlang keine Termine frei habe.
„Ich bin ein kleiner Promihunter"
Was machst Du anders, als andere Friseure?
S: Ich arbeite mit Bloggern zusammen. Und jetzt war gerade Nicole Mieth aus 'Verbotene Liebe' bei mir. Mittwoch kam eine Youtuberin. Ich bin immer offen für Kooperationen, das wird dann nämlich zu einem Tauschgeschäft. Ich bin so ein kleiner Promihunter. Ich lese die InTouch und Close-Up und ich liebe diese mediale Welt. Ich poste nicht mein Essen auf Instagram, aber mir taugt wie man die Leute erreichen kann. Man schreibt einen Promi an und sie schreiben wirklich zurück! Ja, da bin ich schon ein Promiopfer. Es ist cool und geht ein paar Mal im Jahr. Dennoch, am wichtigsten sind die treuen Kunden. Sie kommen mit einer Flasche Wein vorbei und und trinken diesen dann selber (lacht). Sie sind mir am wichtigsten.
„Das ist irgendwie mein Frisetten-Hirn"
Hast du paar Tipps für andere Friseure, die sich selbstständig machen möchten?
S: Es steckt viel Arbeit dahinter, viel Ehrgeiz. Natürlich habe ich Zusammenbrüche gehabt. Am Anfangs hast du plötzlich 1000 € Fixkosten, da habe ich mich gewaltig angesch... . Sobald ich im Bett lag, fing das Hirn an zu rattern.
Aber, wenn du es wirklich willst und du bereit bist, deine Zeit und deine Nerven zu opfern, dann kannst du es schaffen. Ich habe mir eine Nische gesucht mit bunten Farben, das hat funktioniert! Auf jeden Fall muss man durchbeißen. Es ist ja auch nicht so, dass ich selbständig bin und jeden Tag denke: Juhu heute 12 Stunden Haareschneiden, ich freue mich voll! Aber das ist irgendwie mein Frisetten-Hirn, sobald ein Kunde da ist, stellt sich das um und ich bin wieder drinnen und glücklich.
Vielen Dank für das tolle Gespräch und viel Erfolg mit deinem Happy Place!