Reinhard Dietrich bei der Matrix 21 C POP! Collection 2015 in Wien | Credit: Markus Wache

29.02.2016

Reinhard Dietrich kann einfach nicht auf Pause drücken

Reinhard Dietrich ist Jobspätzünder. Mit 26 Jahren beschloss der jetzige Matrix Fachtrainer Friseur zu werden und das, weil ihn das Image überzeugt hatte - das Image der Friseure bei Toni&Guy...

Daraufhin ging er auf heimische Salon-Schnuppertour, landete letztlich wieder bei Toni&Guy und später durch einen Zufall bei Matrix. Aber eigentlich hatte er einen ganz anderen Plan: Tänzer sein. Unser Talk über späte Sehnsüchte, über Disziplin und zeitgenössisches Tanzen und seine Zeit mit Toni Mascolo in London.

Im Gespräch mit Katja Ottiger


imSalon: Dass jemand Friseur wird, weil ihm das Friseurimage gefällt, ist eher seltener. Erzähl uns davon!
Reinhard Dietrich: In Graz hatte gerade Toni&Guy eröffnet. Ich war als Kunde dort, hatte Zeit mich umzuschauen und war begeistert von diesen coolen Friseuren, von deren Auftreten und dem, was sie machen und vom Design des Salons. Alles zusammen war es mehr Lifestyle als klassischer Friseur, wie ich das aus der Steiermark kannte. Ich habe mich dann damit beschäftigt, war „schnuppern“ in verschiedenen Salons und mich dann doch bei Toni&Guy für die Ausbildung beworben. Das brauchte 3 Überzeugungsrunden, ich war mit 26 Jahren schon recht alt. Als Farbtherapeut war sofort klar, ich gehe in die Richtung "Colorist". Farbe ist das Thema meines Lebens.

"Alles in allem mehr Lifestyle als klassischer Friseur."

Und der Tanz? Nach deiner Musicalausbildung wurdest du Friseur um dann doch wieder zum Tanz zurück zu kommen.
RD: Ja. Als Toni&Guy in Wien eröffnerte, bin ich übersiedelt. Da kamen die ganzen Schauspieler und Tänzer als Kunden und da erwachte der alte Wunsch von neuem, das Herzblut für die Bühne! Also habe ich die Bühnenreifeprüfung für Tanz im Studio an der Wien gemacht.

Mit 28 Jahren?! …
RD: … mit über 30 (schmunzelt).

Alle Achtung! Ich nehme an, für einen klassischen Tänzer ging sich das dann nicht mehr aus?
RD: Nein. Modern und zeitgenössisch, aber mit klassischer Basis! Ich dachte, wenn nicht jetzt, dann nie wieder. Das war eine taffe Zeit, weil ich nebenbei gearbeitet habe. 3 Jahre lang, 7 Tage die Woche, 8 Stunden am Tag Training und 5 Stunden arbeiten.

Du bist der disziplinierte Typ?
RD: Ja. Mein Problem ist, dass ich nur eine „Play“ und eine „Stopp“ Taste habe. Ich kann nicht auf „Pause“ drücken. Was dazu führt, dass ich manchmal zu viel gebe.

War "Burnout" schon mal Thema bei dir?
RD: Ja, knapp. Nach der Tanzausbildung war ich zwei Monate richtig krank, mit Spittal und so.

Du hast ja mit Toni Mascolo zusammen gearbeitet. Wie kam das? Ich nehme an, mit einem Tänzer konnte er nicht wirklich was anfangen.
RD: Ich wollte eigentlich nach London, um zu tanzen. Ich habe mir ein One Way Ticket gekauft und gedacht, wenn alle Stricke reißen: Toni&Guy! Das hatte sich das Provinzkind in mir allerdings einfacher vorgestellt. Ich wollte in London zu einer großen Open Audition (offenes Vortanzen, Anm.) bei „DV8“ gehen. Aber ich habe gezweifelt: 300 Leute, 8 Stunden lang? Hinzu kam, dass ich mir am Vorabend in London eine Show von denen live angesehen habe und dachte nur: Reinhard vergiss es! Deren Performance, was jeder Einzelne von denen drauf hat – irre! Und das alles zusammen mit Licht und Musik das war wirklich WOW! Ich bin dann nicht zur Audition gegangen...

 ... wer sich für zeitgenössichen Tanz interessiert, kommt um das DV8 Physical Theatre nicht herum! Das muss man sich unbedingt anschauen!
(TIPP: you tube https://www.youtube.com/watch?v=NShJJr1ztkM )

RD: ... naja, meine Kohle war dann alle, also hab ich bei Toni&Guy angeklopft und mich als Colorist aus Wien vorgestellt. Am Freitag war Vorstellungsgespräch, am Montag habe ich angefangen und dann ein Jahr lang mit Toni (Mascolo, Anm.) zusammen arbeiten können. Mein persönliches Highlight!

"Toni Mascolo - er versprüht Dankbarkeit, dass du für ihn arbeitest."

Wie ist Toni Mascolo so?
RD: Beeindruckend. Er ist menschlich ein Traum. Er ist millionenschwer und trotzdem fährt er mit der U-Bahn ins Geschäft. Er hat seine eigene Lunchbox dabei, in die seine Frau die Sandwiches gibt. Was mich besonders beeindruckt hat, war mein erster Tag. Im Kopf gehst du das durch: Wie gehe ich auf ihn zu? Wie stelle ich mich vor? Und dann kommt ER auf MICH zu! Er wusste, wer ich war, woher ich komme, seit wann ich in London bin. Jemand, der wie er um die tausend Mitarbeiter hat, sich über sie informiert und Bescheid weiß – das finde ich beeindruckend! Er versprüht Leidenschaft und Dankbarkeit, dass du für ihn arbeitest. In seinem Bewusstsein ist jeder einzelne Mitarbeiter für sein Geschäft wichtig. Ich steh auf Menschen, die von null auf Tausend etwas schaffen. Und eigentlich muss ich sagen, habe ich in London erst richtig färben gelernt, das Niveau ist dort ein ganz anderes.

Wenn du eine Toni&Guy Ausbildung hast, gibt es da eine Jobgarantie?
RD: Wenn die einen Job frei haben sind sie immer offen, sie müssen dir ja die Ausbildung nicht mehr finanzieren. In London gibt es ungefähr 20 oder 25 Eigentümer-Salons, die dem Toni gehören. Du verdienst zwar weniger, aber du bist mitten im Geschehen.

"Wenn ich heute denke, ich möchte nach Ägypten Steine klopfen gehen, dann mag ich das machen können."

Hast du jemals darüber nachgedacht, einen eigenen Salon aufzumachen?
RD: Ja. Aber ich bin sehr freiheitsliebend und wenn ich heute denke, ich möchte nach Ägypten Steine klopfen gehen, dann mag ich das machen können. Ich habe auch immer noch den Plan als Trainer ins Ausland zu gehen. Ich möchte in meinem Leben flexibel bleiben, da passt kein Salon.

Jetzt bist du Fachtrainer bei Matrix. Wie kam das?
RD: Ich wollte weniger Salonalltag, aber mehr Trainer und Colorist sein und Fotoshootings machen. Ich mag keine Stagnation. Für mich muss es immer weiter gehen. Zu Matrix kam ich zufällig. Bei meinem Bewerbungsgespräch mit Ingmar (Frieling, Anm.) war ich gleich ehrlich und meinte, ich kenne Matrix nicht, die Produkte nicht und auch keinen Friseur, der damit arbeitet. Für mich war das ein Sprung ins eiskalte Wasser und es war die perfekte Entscheidung. Sie arbeiten professionell und lassen dir persönliche Freiheiten.

"Egal mit welcher Marke du arbeitest, du hast immer die gleichen Herausforderungen."

Wie schauen deine Freiheiten aus?
RD: Die Möglichkeit, Seminare und Salonschulungen individuell zusammenstellen zu können, so, wie es für den Friseur sinnvoll ist. Arnie Miller, der Gründer von Matrix, war selbst Friseur und diese, seine Leidenschaft kommt für mich bei Matrix rüber. Wir sind Friseure und wir sind am „same level“, auf Augenhöhe. Das hab ich auch in New York so erfahren. Du bist mittendrin und gleichwertig mit allen anderen. Das ist für mich das Schöne. Wir Friseure haben ja alle dasselbe Thema. Egal, mit welcher Marke du arbeitest, du hast immer die gleichen Herausforderungen. Ob ich Trainer bin oder in einem Salon stehe. Bei Matrix arbeiten zu 98 Prozent Friseure, auch im Marketing, in der Educationentwicklung, in den Facilityprozessen. Sie wissen, was der Friseur braucht.

Stichwort New York. Bei der Entwicklung der weltweiten SS´2016 Matrix-Kollektion warst du als einziger Trainer aus dem gesamtdeutschen Raum eine Woche lang im Big Apple.
RD: Ja, das war spannend! Ich habe gemeinsam mit meinem Mentor aus dem artisitc global team, Dan Csicsai aus L.A., den Look „Raven“ für die Kampagne entwickelt. Er Schnitt & Styling, ich die Farbe.
Sie hatten in N.Y. extra ein Set für das Shooting aufgebaut. Anders, als bei uns, die wir immer auf der Suche nach der passenden Location sind, machen sie sich die einfach passend. Die haben eine Bar komplett nach ihren Vorstellungen umgebaut, wie man das von einem Filmset kennt, mit Tourbus und so. Da laufen dann 70 Leute für 5 Modelle herum. Die Arbeitszeit 12 Stunden, pick up time am Hotel morgens 4:30 – und ich bin KEIN Morgenmensch! Das besondere war ja auch, dass in dieser Woche gerade die New York Fashion Week war. Da ist N.Y. wirklich ein Hype. Du siehst nur schöne, top gestylte Menschen.

"Die Friseure sind generell teuer. Die jungen Menschen machen ihre Styles meistens selber."

Fashion Week in N.Y. – was hat dich inspiriert, beeindruckt?
RD: Was ich in N.Y., aber auch in England auffällt: Die Friseure sind generell teuer. Die jungen Menschen machen ihre Styles meistens selber. Es ist egal, wie du herumläufst, weil dich keiner wirklich anschaut. Dadurch entstehen Looks, bei denen ich immer wieder denke: Wow! Was sie für coole Farben mixen! Und auch bei den Klamotten wird sehr viel selber gemacht, das finde ich extrem inspirierend.

Bist du noch nervös wenn du auf die Bühne gehst?
RD: Ja. Ich bin immer angespannt. Die Nervosität legt sich, sobald ich auf die Bühne gehe. Aber diese Anspannung, dieses leichte Kribbeln, sind mir wichtig, die halten die Konzentration. Für mich wär es nur halb so lustig, wenn es nur noch Routine wäre.

Hast du einen Talismann?
RD: Ja. Meinen kleinen Buddha, den trage ich immer um den Hals.

Was ist dein Tipp für jemanden, der eine Akteurslaufbahn einschlagen möchte?
RD: Du brauchst Leidenschaft, musst immer mehr machen, als verlangt wird und über den Tellerrand schauen. Das ist kein nine to five job. Es kann sein, dass du auch mal bis Mitternacht bleiben musst. Man sollte immer authentisch bleiben, auch wenn man vielleicht im Dialekt spricht. Und was mir als Trainer immer besonders wichtig ist, ist, die Menschen im Publikum zu erreichen. Sich die Frage zu stellen, was kann ich denen wirklich mitgeben?
Und auf dem Boden bleiben!

imSalon: Vielen Dank für deine Zeit, Reinhard!

Über Reinhard Dietrich:

  • geboren in Leoben | aufgewachsen in der Obersteiermark
  • seit 2000 Friseur

Sationen:

  • Matura & Tourismusschule
  • Musicalausbildung in Graz | Tanzausbildung/Berufsreifeprüfung Studio an der Wien
  • Farbtherapie
  • verkürzte Ausbildung Toni&Guy Graz (bei Michael Grillitz)
  • 1 Jahr Toni&Guy London | 3 Jahre Toni&Guy Wien, u.a. Salonmanager
  • aktuelle Position: Fachtrainer und Colorationsexperte bei Matrix Österreich