

02.11.2015
Norbert Raich: Fashion ist die Botschaft
Haare sind Fashion, Trendkollektionen sind out, Friseure sollten mehr können... Ein Gespräch mit dem Innsbrucker The Wop Shop Inhaber Norbert Raich.
Fakten
geboren in Meran, Südtirol | aufgewachsen in Platt im Passeiertal
1 Salon: The Wop Shop | Innsbruck
4 internationale Mitarbeiter | 1 Lehrling aus Irland
8 Jahre Tony&Guy Irland & London
jede Menge Fashionshootings, Fashionshows, Arbeiten für Magazine, Film & TV
imSalon: Was verbirgt sich hinter "The Wop Shop"?
Norbert Raich: Ich bin Wop! Das ist mein Spitzname. Die Leute in Irland konnten Norbert nicht aussprechen. So wurde aus Nob WOP. Allgemein ist es die Abkürzung für „without papers“ oder auch die amerikanische Bezeichnung für italienische Einwanderer. In dem Zusammenhang wird es aber als Schimpfwort verstanden, weil es auf die organisierte Kriminalität der Mafia anspielt. Aber ich merke immer wieder, dass „The Wop Shop“ einen hohen Wiedererkennungswert hat.
"Ich wollte kein Friseur mehr sein."
imSalon: Du warst einige Jahre im Ausland, bist direkt nach dem Zivildienst nach Irland gegangen und hast auf Umwegen wieder zurück zu deinen Wurzeln gefunden.
Ich wollte kein Friseur mehr sein. Ich bin nach Irland, um im Pub zu arbeiten. Aber ich hab schnell gemerkt, dass ich da weniger verdiene, als ein Friseur. Das Friseurimage ist dort ja ein viel besseres als hier. Ich habe in einem Salon angefangen, um Englisch zu lernen, die Aufnahmeprüfung bei Toni&Guy gemacht und mich bis zum T&G Director rauf gearbeitet. Danach wollte ich noch eine Wintersaison in Innsbruck verbringen, weil ich auf ein T&G Transferangebot nach Tokio gewartet habe. Aber dann kam Fukushima, ich bin geblieben und habe "The Wop Shop" eröffnet.
imSalon: Das Salongeschäft ist bei euch nicht auf den ersten Blick erkennbar, gerade online muss man sich Mühe geben, zu verstehen, was ihr eigentlich macht. Absicht und wie kommt ihr hier zu neuen Kunden?
Wir sind schon ein normaler Friseur mit Buchungen, aber bei uns funktioniert das über Mundpropaganda, wir haben wenig Laufkundschaft. Es stimmt, es ist nicht für jeden erkennbar. Die Leute sehen, dass wir etwas mit Fashion und Beauty zu tun haben und fragen auch schon mal per Mail nach, ob wir einen guten Friseur für sie wüssten. Wir empfehlen uns dann immer selbst. (Lacht.)
"Pures Handwerk: ein Stuhl, ein Kamm, eine Schere - die Symbiose."
imSalon: Statt üblicher Salon-Philosophie findet man bei euch ein Vorwort: „We don´t want more choice, we just want more nicer things“: Wir möchten keine höhere Auswahl, sondern mehr von den schönen Dingen, mehr Qualität. Ein Versuch gegen Mainstream?
So habe ich darüber noch gar nicht nachgedacht. Der Satz stammt aus einer britischen Sitcom: „Absolutely Fabulous“ - und ja, ich fand den Satz sehr passend. Aber was man als unsere Philosophie verstehen könnte, ist pures Handwerk: ein Stuhl, ein Kamm, eine Schere - die Symbiose.
"Trendschulungen repräsentieren für mich nicht die neueste Mode."
imSalon: Interessieren euch die halbjährlich erscheinenden Trendkollektionen diverser Industriefirmen?
Schulungen und solche Geschichten in Österreich sind für mich eher schwierig, weil sie nicht die neueste Mode für mich repräsentieren. Ich empfinde diese Kollektionen meist schon wieder als überholt.
Wir sind häufig unterwegs, in London, Berlin, Dublin, Stockholm. Wenn man reist, nimmt man die Inspirationen und Eindrücke immer mit. Egal, wo ich bin, es inspiriert mich, durch die Straßen zu gehen. Ich suche keinen Mainstream und hole mir ganz bewusst verschiedenste Magazine ins Geschäft, die inspiriert sind von International High Fashion. Ich sammle Kontakte vor Ort. Gerade sind wir dabei, uns mit Jungdesignern aus London zu connecten. Wir möchten sie unterstützen und deren Klamotten bei uns im Geschäft anbieten.
imSalon: Ihr arbeitet immer wieder für Magazine und Fashionshows, macht Filmproprojekte. Reicht es nicht, einfach Friseur zu sein?
Hinter dem Stuhl zu stehen, ist ja nur ein Teil dessen. Die Passion liegt beim Haar, bei der Fähigkeit, kreative Fantasien aus dem Kopf umzusetzen. Deshalb auch die Kollektionen. Bei uns kann man aus jedem Bild auch einen Trend herausnehmen. Der muss nicht unbedingt beim Haar liegen, es sind die Details bei den Accessoires, den Klamotten, der Ausstattung. Es ist immer die Summe von allem.
imSalon: Wie nutzt ihr diese Sachen für euch, der Aufwand ist ja doch beachtlich?
Die Bilder hängen teilweise bei uns im Salon, wir verschicken sie an Magazine, meist international, wir nutzen sie für Eigenwerbung, wie Visitenkarten oder für Gutscheine und sie schmücken die Homepage.
imSalon: Kann es sein, dass ihr bei den Kollektionen auch eure eigenen Modelle seid?
Das bin manchmal ich. Aber auch Kunden. Ach ja, und der Lehrling, aber der muss das machen. (Lacht.)
imSalon: Hast du sonst noch künstlerische Ambitionen?
Man könnte vieles machen, wenn man die Zeit dazu hätte, wie kochen beispielsweise. Kann man kochen als Kunst bezeichnen? …
imSalon: … ich finde ja, das hat viel mit Kreativität und durchaus gutem Geschmack zu tun.
… aber ich bin schon künstlerisch geprägt. Ich habe lange in einer Musikkapelle Klarinette und Querflöte gespielt, bis ich 18 war. Ich bin also musikalisch. Ich würde das auch gern wieder aufnehmen, aber auch hier fehlt die Zeit. Ich habe die Arbeit, die Selbstständigkeit, die Shootings. Jetzt haben wir auch noch einen Hund...
imSalon: ... einen Salonhund?
Ja, der kommt immer mit. Wir haben uns die Rasse genau rausgesucht, einen freundlichen Hund, sozusagen!
imSalon: Roman Klammer (Creative Director bei The Wop Shop, Anm.) hat einmal in einem früheren Interview gesagt, er mag schräge Persönlichkeiten. Bist du eine?
Ich weiß nicht, was ist schon schräg? Vielleicht bin ich eher unkonventionell.
"Wir könnten mehr gute Friseure sein, würden kreativer und freier arbeiten, wenn wir mehr könnten."
imSalon: Wünsche an die Kollegen?
Weniger Neid, weniger Engstirnigkeit mehr Zusammenarbeit, mehr gute Weiterbildung für jeden, der interessiert ist. Wir könnten mehr gute Friseure sein, würden kreativer und freier arbeiten, wenn wir mehr könnten.
imSalon: Fühlst du dich von der Innung vertreten?
Ich kann das nicht beantworten. Das Image der Innung ist für mich nicht vorhanden, sonst würde mehr passieren. Die Kurse, die sie anbieten, gehen nicht meine Richtung, sind nicht in mein Style.
"Das Image der Innung ist für mich nicht vorhanden."
imSalon: Wie alt sind eure Salonkunden?
Von 20 bis 60. Jeder der einen guten Haarschnitt möchte, ist herzlich willkommen. Aber man muss wissen, dass unsere Wartezeit derzeit zwei Monate beträgt.
imSalon: Gibt es etwas bei der Ausbildung in Irland, dass du auf das österreichische System übertragen würdest?
Auf alle Fälle: Wenn der Lehrherr entscheidet, dass der Lehrling soweit ist, die Prüfung anzutreten, dann soll er das tun können. Die Ausbildung sollte spezifischer sein, Unterteilungen in Spezialisten geben. Jeder hat seinen Neigungen und Fähigkeiten und da sollte man individueller auf jeden eingehen.