Mobilfriseurin Nicole Geissler möchte im Lockdown auch nicht arbeiten, bangt aber um Umsatzersatz | Credit: Susanne Trost Photography

21.11.2020

Mobilfriseurin Nicole Geissler: Ich weiß nicht, ob ich Umsatzersatz bekomme

Wie fühlt sich „Kollegen-Bashing“ an? Die derzeitige Diskussion über mobile Friseure in den sozialen Netzwerken ist mitunter „katastrophal“! Zeit, mit einer Mobilfriseurin zu reden …

Im Interview mit Katja Ottiger
 

Nicole, du bist mobile Friseurin. Warum und wer sind deine KundInnen?
Nicole Geissler:
Zu 70 Prozent betreue ich Hochzeiten - ca. 50 Bräute im Jahr - ansonsten Mütter mit kleinen Kindern, aber auch Fotoshootings. Mobilfriseurin war eine gute Entscheidung für mich. Den Meister hatte ich und Stammkunden aus dem vorigen Geschäft, das zusperren musste, auch. Beim mobilen Arbeiten liegt der Reiz in der großen Flexibilität mit niedrigem Kosten-Nutzen-Faktor.

Mobile Friseure stehen gern unter dem Vorwurf „Pfuscher“ zu sein. Wie fühlt es sich an, ständig im „Kollegen-Bashing“ zu stehen?
NG:
Es gibt immer schwarze Schafe, hier wie da: Ich bin z.B. auch nicht glücklich über 10 Euro Friseure! Ich liebe meine Arbeit und das ändert auch nicht der Unmut anderer. Ich zahle meine Steuern, die Sozialversicherung, die Kammerumlage so wie jeder anderer Salon auch.

„Der Tonfall in den sozialen Netzwerken war katastrophal.“

Was war in den letzten Tagen anders?
NG:
Der Tonfall in den sozialen Netzwerken war katastrophal. Es ist ja nicht so, dass wir im Moment mit Liebe zur Arbeit gehen würden. Wir wollen gleichgestellt sein. Jetzt, nachdem Umsatzersatz beantragt werden kann, ist es eben von Bedeutung!

Der aktuelle Stand (21.11.) ist, dass Bundesinnung und Gesundheitsministerium von Hausbesuchen zum Erbringen körpernaher Dienstleistungen abraten, über Rechtssicherheit und evtl. finanzielle Unterstützungen wird derzeit noch verhandelt. Was ist in der aktuellen Lage deine größte Angst?
NG:
Dass wir den Umsatz nicht erstattet bekommen! Im Moment wissen wir es nicht und sind natürlich zuhause. Sollte ich keinen Umsatzersatz bekommen, muss ich eventuell überlegen, Kunden zu besuchen. Ich arbeite ja, weil ich schließlich davon leben muss.

Könntest du Fixkostenzuschuss in Anspruch nehmen?
NG: Ich habe nur mein Auto. Mir geht es um den Umsatz, den ich verliere, denn auch bei mir ist der vor Weihnachten größer.

Ist es von mir naiv zu glauben, dass Kunden jetzt nicht bei mobilen Friseuren anrufen, weil der eigene Friseur geschlossen ist?
NG:
Es rufen viele an, aber meine Kapazitäten sind erschöpft und ich möchte auch nicht Kunden abspenstig machen. Im ersten Lockdown hatte ich Anrufe von Leuten, von denen ich lange nichts gehört hatte, mit der Frage: „Du bist doch eh mobil, bei dir ist es doch egal, du darfst doch kommen, oder?"

"Man braucht keine Angst haben, wenn man gut ist."

Mobile Friseure als Lückenfüller - was ist in deinen Augen die „Angst“ der „eingesessenen“ Friseure?
NG: Jeder hat seinen Kundenstamm und Zielgruppe. Man braucht keine Angst haben, wenn man gut ist.

Würdest du im Moment Neukunden annehmen?
NG: Nein! Und ich habe in den letzten Tagen mit einigen mobilen Kollegen gesprochen: Wir sind alle brav zuhause und es ist nicht Sinn und Zweck, anderen die Kunden wegzunehmen.

Während der Corona-Pandemie: Verweigern Kunden Schutzmasken, weil sie zu Hause sind? 
NG: Ja, ich hatte Kunden, die geglaubt haben, sie müssen keine Maske tragen, weil wir doch bei ihnen zu Hause sind. Deshalb habe ich immer Einwegmasken dabei, jeder Kunde bekommt seinen eigenen Friseurmantel, der danach in einen Sack kommt. Ich kippe ein Fenster, ich desinfiziere mein Werkzeug und bestehe darauf, dass sich die Kunden vor meinen Augen die Hände waschen.

Würdest du gern wieder in einem Salon arbeiten wollen?
NG
: Ich bin frei, das möchte ich behalten. Ich habe natürlich Träume: Ich würde die „Schnittbox“ gern vergrößern, als mobiles Franchisekonzept. Oder überhaupt nur noch Bräute machen und mich in der Hochzeitsbranche spezialisieren. Hockstecken und Make-up sind genau meines!

"Mobil - das hat für meine Kunden was mit Luxus zu tun."

Machen mobile Friseure günstigere Preise?
NG:
Wir Mobilen sind leider sehr gern günstig. Meine Angst war immer, dass ich nicht so viel verlangen darf, weil ich weniger Allgemeinkosten habe - Miete, Strom und Wasser zahlen die Kunden selbst. Aber ich habe gelernt, es darf etwas kosten, denn es ist eine Friseurmeisterstunde! Dass ich zu meinen Kunden nach Hause komme, hat für sie mit Luxus zu tun.

Was würdest du der Branche gern mitteilen?
NG: Wir sollten alle zusammenhalten, die einen haben sich für einen Salon und die anderen für mobil entschieden. Untereinander helfen und unterstützen ist das Wichtigste in dieser Zeit. Und ich bin froh, dass auch einmal jemand die Sicht einer Mobilfriseurin hören wollte.
 

Über Nicole Geissler:

  • seit 2012 mobile Friseurin „Schnittbox“, Graz
  • Lehrbeauftragte für LAP und Meisterschule WIFI Graz
  • Airbrush Fachtrainerin (Salonschulungen) 
  • Wedding Award 2019
  • Shootingbereich: u.a. „Feh“ Taschentücher, VOGUE Italia, Business Fotoshootings in diversen Bereichen