31.01.2017

Mathias Prüll über Jammern und Handeln

Stolz sein, auch wenn ich einen späteren Konkurrenten ausbilde, die Jungen können mehr als wir denken.

Fakten:

geboren und aufgewachsen in Werfen / Sbg

Wichtigste Lehrstation: Wolfgang Eder in Salzburg

Friseur in dritter Generation

20 Jahre lang Friseurunternehmer mit 2 Salons in Werfen | zuletzt 8 Mitarbeiter

5 Jahre Innungsmeisterstellvertreter von Wolfgang Eder

seit 2016 KAO Trainer



Ein Gespräch mit Katja Ottiger


imSalon: Du hast Deine Salons gegen die Akademie getauscht, deine Geschäfte verpachtet. Warum?
Ich hatte einen privaten Neustart und war auch beruflich auf der Suche nach neuen Herausforderungen. Irgendwie wollte ich mir beweisen, dass noch mehr geht! Vor zwanzig Jahren hatte ich schon einmal als Fachtrainer gearbeitet, hatte auch im Salon immer Spaß daran auszubilden. Als Goldwell einen Trainer in Wien suchte, habe ich zugeschlagen. Es ging alles irrsinnig schnell - innerhalb eines Monats.

imSalon: Zwei Salons – einfach mal kurz abgeben? Wie geht das?
Meine Frau gab mir den Tipp, unter Freunden herumzufragen. Robert Adam zeigt sich begeistert und hat die Salons für Headwork gepachtet.
 

"In deiner Größenordnung ist das und das möglich..."



imSalon: Warum Goldwell?
Ich habe immer mit Goldwell gearbeitet und was mich angesprochen hat, ist die gelebte Partnerschaft mit dem Friseur, was für die Industrie immer schwierig ist. Ich habe mich als Unternehmer stets gut betreut gefühlt, auch, weil Goldwell klarmacht: In deiner Größenordnung ist das und das möglich.

imSalon: Du bist jetzt fix angestellt, hast viel Verantwortung abgegeben. Ein gutes Gefühl?
(Lacht) Klar, das ist einerseits sehr befreiend. Andererseits bin ich verantwortlich, die Akademie mit Leben zu füllen. Seit dem letzten Jahr ist das Color House ja ausschließlich Akademie, der Salon ist weg. Hier planen wir u.a. Info-Abende zu bestimmten Themen, bei denen auch Fragen gestellt und Probleme angesprochen werden können. Immer auch mit Schwerpunkt auf Jungstylisten.

imSalon: Du hast das Inserat für die KAO-Stelle bei unserem Friseurjobagent gefunden…
Ja, natürlich! Auf die Seite schau ich immer regelmäßig, aus reinem Interesse. Es ist für mich wirklich die zielgerichtetste Plattform!
 

" ... den Friseurberuf für Maturanten attraktiver machen."



imSalon: In einer jüngst vom deutschen Zentralverband (!) präsentierten Schülerumfrage der WKO Österreich aus dem letzten Jahr ging hervor, dass der Friseurberuf auf wenig Interesse bei Schulabgängern stößt. Stichwort: schlechte Bezahlung, schlechtes Image. Was tun?
Wir müssen uns davon verabschieden uns auf die Gruppe der Pflichtschulen zu konzentrieren, sondern müssen den Zugang zum Friseurberuf für Maturanten attraktiver machen.
Die Sache mit dem Image hat viel damit zu tun, dass wir selbst oft zu wenig stolz sind auf unseren Beruf. Friseure sollten zukünftig ihre Arbeitsabläufe ändern, um die Wertigkeit der Arbeit stärker herauszustreichen. Auch wenn es längst abgedroschen klingt, bin ich davon überzeugt, dass Analyse und Beratung am Kunden nach wie vor zu wenig ernst genommen werden.
Ein befreundeter Arzt sagte mal zu mir: Was Friseure nicht machen – und das verstehe er nicht – ist, die richtige Heimpflege mitzugeben. Das ist unterlassene Hilfeleistung! Wenn er als Arzt das machen würde, hätte er ein Problem.
 

"Wenn eine Kundin aus dem Salon geht, hat sie sechs Wochen etwas davon!"



imSalon: Es braucht ein Umdenken bei den Preisen. Auf beiden Seiten!
Wir stehen zum Teil alle unter Preisdruck. Manchmal aber hilft der Blick in andere Länder mit anderen Sitten. Oder auch nach nebenan: In Berlin gibt es beispielsweise den Wolfgang Zimmer. Er verkauft in seinem Salon Pakete: Beim 300 Euro-Paket ist alles dabei: Farbe und Schnitt, aber auch die Heimpflege und die Beratung dafür. Für den Friseur ist es immer schwierig, als Verkäufer aufzutreten. Aber so schließt sich der Bogen zum Beratungselement.
Marlies Möller hat einmal gesagt, dass sie am Vorabend in einem Haubenrestaurant speisen war. Und, dass sie so und so viel bezahlt hat und sie jetzt, einen Tag danach, schon nichts mehr davon hat. Wenn eine Kundin bei ihr aus dem Salon geht, hat sie sechs Wochen etwas davon! Man darf den Preis niemals auf einen zwei-Stunden-Preis reduzieren! Wenn man das den Friseuren deutlich macht, dann denken sie weniger über ihre Preispolitik nach.

imSalon: Du warst eine Periode lang LIM-Stellvertreter in Salzburg! Warum so kurz, die meisten bleiben ein wenig länger …
Für mich war von Anfang an klar, ich mache das gern, aber nicht für ewig. Ich glaube, wenn man solch ein Amt übernimmt, dann für etwas, bei dem man mitentscheiden möchte. Und kann! Und danach sollte man wieder gehen. In meinem Fall waren das die erste Ideenfindung zur Modeschule Hallein und „Karriere mit Schere“, die wir damals versucht haben, voran zu treiben.
 

"Wir jammern, ... aber ändern unsere Strukturen nicht."



imSalon: Die Modeschule Hallein - Daraus schließe ich, Du bist kein Verfechter der dualen Ausbildung?
Bei der Modeschule war die Grundidee anfangs eine andere. Aber das ist nicht so einfach, wenn es um Öffentlichkeitsrecht geht. Ich halte die Schule für wichtig, finde aber, dass die Praktikumszeit zu kurz ist.
Wenn man die Lehre überdenken möchte, wäre es besser, in Modulen zu arbeiten: Gezielte Schule, gezielte Praxis und gezielter Abschluss des Moduls. Erst, wenn ich gewisse Module erledigt habe, darf ich mich Friseur nennen. Das hat auch den Vorteil, flexibel wieder einsteigen zu können, z.B. nach Schwangerschaften.
Wir jammern, dass wir keine jungen Leute bekommen, aber wir verändern unsere Strukturen nicht, um junge Menschen zu bekommen. Und das ist ein Fehler.
Es überfordert Jugendliche doch nicht sich seine Praktika selbst zu suchen. Junge Menschen sind in der Lage, solche Entscheidungen zu treffen. Ein Student muss sich seine Vorlesungen auch selbst zusammensuchen. Wir dürfen nicht vergessen, dass die jungen Leute heute um vieles mehr informiert sind, nur werden sie gerade hier auch meisten unterschätzt.

imSalon: Die Lehrlingswettbewerbe gehen bald wieder los. Sind die noch modern?
Für mich hakt es da, weil ich denke, dass wir uns immer mehr vom Kunden entfernen. Wir möchten den künstlerischen Aspekt hochhalten, der unsere Kunden aber nicht interessiert. Diese Zeiten sind einfach vorbei. Das war interessant, als unsere Kundinnen noch Frisuren trugen, die wirklich frisiert wurden!
 

"Junge Friseure können ganz viel anderes..."



imSalon: Wo liegt der Unterschied zwischen damals und heute?
Was ich ganz ehrlich schlimm finde ist, dass Friseure gern behaupten, unsere jungen Friseure können viel weniger, als früher. Nur, die können ganz viel anderes und das sollten wir auch sehen.
Wenn ich heute einer 20jährigen Friseurin zuschaue, was die alles mit einem Glätteisen aufführt, da brauch ich einiges dazu. Wir erfahrenen Friseure glauben immer zu wissen, was gut und schlecht ist. Aber eines ist klar: Der junge Friseur ist immer näher am jungen Kunden.

imSalon: Wie siehst Du den Wechsel an der KAO Spitze in Österreich?
Walter Hoog sehe ich als eine lebende Legende, schon, weil er mit Abstand der längstdienende Geschäftsführer in der Industrie in Österreich ist. Er ist ein sympathischer, toller Mensch, der es geschafft hat, dass in unserer Firma ein freundschaftliches, inniges Verhältnis untereinander gelebt wird. In einer Zeit, in der alle unter Druck stehen, ist das nicht selbstverständlich.

imSalon: Und sein Nachfolger: Marco Felice?
Marco sprüht vor Energie. Er ist dynamisch, er kennt den Markt von innen und außen. Ich glaube, dass er jeden unserer Kunden persönlich kennt. Eine tolle Entscheidung, jemandem diesen Posten zu übergeben, der die Firma UND die Kunden kennt. Der Übergang findet harmonisch statt, das ist intern zu spüren.

ImSalon: Du bist jetzt im mittleren Alter, hast gerade als Fachtrainer begonnen. Was glaubst Du, wie lang kannst Du den Job machen?
Ganz ehrlich. Jetzt bin ich mal angekommen. Mein Ehrgeiz gilt der Akademie. Naja, ich denk jetzt noch nicht ans Aufhören (lacht).

imSalon: Hast Du ein Trainer-Idol?
Vom Fachlichen her: Heinz Fessl, ein lebendes Lexikon und ein Guru. Vom Kreativen her ist Trevor Sorbie für mich der beste Friseur der Gegenwart. Er kann, wie kaum ein anderer, kreative Ideen einfach auf den Punkt bringen, ohne zu verschnörkeln.
 

imSalon: Was macht ein gutes Seminar für Dich aus?
Für mich sind das die, bei denen Trainer und Teilnehmer auf Augenhöhe miteinander kommunizieren und die Dinge praktisch angegangen werden. Wobei es wichtig ist, das Neue immer auszuprobieren. In das Gewohnte zurück fällt man bekanntlich sehr leicht.

imSalon: Das beste Seminar, das Du je besucht hast?
Oh, das ist sehr, sehr lange her. Das war mit Lutz Leufen. Da ging es um Textur und Styling von langen Haaren. Lutz hatte es damals wirklich geschafft, auf jeden persönlich einzugehen und mit persönlichen Anregungen zu fördern. Das war wirklich ein sehr cooles Seminar!

imSalon: Und was ist es ein schlechtes Seminar?
Das sind allgemein Seminare, die zu über 80 Prozent aus Produktschulungen bestehen. Das ist lähmend. Seminare sind dazu da, beruflich voran zu bringen. Das sollte man streng trennen.

imSalon: Hast du einen Lieblingsfilm?
Uhh! (nachdenklich.) Das ist schwierig.
Ich denke „Blow-Up, ein Film aus den 60ern über einen Fotografen und sein Modell (Anm.: mit David Hemming und Vanessa Redgrave, 1966). Aber ich bin nicht der „Filme-Mensch“. Ich habe jetzt gerade seit zwei Jahren mal wieder einen Fernseher. Mit Internet-Anschluss, so kann ich schauen, was ich will, denn Werbung und Sitcoms machen mich aggressiv.

imSalon: Und deine Lieblingsnuance?
Alles im Gold-Kupfer Bereich.
 

"Stolz sein, auch wenn ich einen späteren Konkurrenten ausbilde ..."



imSalon: Etwas, dass Du deinen Kollegen mit auf den Weg geben möchtest?
Wir müssen mit mehr Selbstbewusstsein und Stolz aussagen, dass wir nicht nur einen schönen, sondern auch einen schwierigen Beruf haben. Und wir müssen stolz auf die jungen Leute sein und gut ausbilden. Denn je besser ich ausbilde, desto besser läuft mein Salon. Auch wenn ich einen späteren „Konkurrenten“ ausbilde – und das ist wahrscheinlich - habe ich mit Sicherheit auch eine gute Nachrede.


Credits: KAO Austria (oben) & imSalon

Februar 2017