Credit: Eduard Senfter

01.03.2023

Judith Moosmann: Meine Mitarbeiterinnen sollen sagen, ich bin in der Stunde mindestens 70 Euro wert

Mehr Persönlichkeitsentwicklung für Lehrlinge, hohe Wertigkeit von Mitarbeiterinnen, aber auch ein gesunder Umgang mit der jungen Generation fordert die Inhaberin zweier Osttiroler Salons. Und warnt: Unsere Generation muss aufpassen, dass sie sich nicht zur Geisel seiner Mitarbeiter macht.

Im Gespräch mit Raphaela Kirschnick

Judith, du hast 2 Salons in Osttirol, findet man dort leicht Lehrlinge?
Judith Moosmann:
Aktuell ist es gut. Mir liegen für heuer 3 interessante Bewerbungen vor. Was auffällt, es melden sich immer häufiger ältere Mädchen.

Was zeichnet diese jungen Frauen aus?
JM:
Viele junge Leute schlagen einen Weg ein und unisono ist deren Antwort, dass sie mit 15 Jahren diese Entscheidung noch nicht treffen konnten, sich jetzt, mit 20, aber sicher sind.

Wie wirkt sich das Alter auf die Lehre aus?
JM
: Das Fachliche schaffen junge Menschen leicht, nicht aber von der Persönlichkeit her. Ich finde, es braucht ein zusätzliches Modul oder Kursprogramm, um junge Menschen zu einem selbstbewussteren Auftreten am Kunden zu begleiten.

"Wenn ein Lehrling unsicher ist, dann überträgt sich das auf die Kundin."

Was meinst du damit, sie schaffen es persönlich nicht?
JM:
Die meisten Lehrlinge sind sehr jung und noch in ihrer Selbstfindungsphase. Am Modell oder am Trainingskopf ist die Welt in Ordnung. Im Salonalltag fehlt dann aber größtenteils der selbstbewusste Auftritt, der der Kundin das Gefühl gibt, der kann das. Und wenn ein Lehrling unsicher ist, dann überträgt sich das auf die Kundin. Jetzt braucht ein junger Mensch aber Bestätigung, die er dann so nicht erhält, das demotiviert dann noch mehr.

 

Bei älteren Auszubildenden ist das anders?
JM:
Absolut. Bei 20-Jährigen braucht man das nicht mehr. Deshalb wünsche ich mir mehr Persönlichkeitsschulung.

Wie soll das im Detail aussehen?
JM:
Man könnte diese Module z.B. als Community Events für Lehrlinge in den Bezirken schaffen. Zum einen, um Selbstbewusstsein zu schaffen und zweitens auch als Sprachrohr für die Branche. Wir müssen ja auch an Folgegenerationen denken.

Treffen sich die Lehrlinge denn nicht in der Schule?
JM:
Bei uns im Bezirk kennen sich die Lehrlinge nicht. Wir haben Blockunterricht und die Lehrlinge sind 10 Wochen am Stück in Innsbruck. Dort sind sie mit Lehrlingen aus ganz Tirol, aber nicht aus der Nähe. Es wäre schön einen Community-Event auf Bezirksebene zu haben, sodass sich Lehrlinge vernetzen, um ein größeres Miteinander zu schaffen!

Bist du auf Innungsebene aktiv?
JM:
Das war ich, bis ich 2022 meinen zweiten Salon öffnete, dann hatte ich keine Zeit mehr. Ich bin aber auch ein sehr ungeduldiger Mensch und viele Entscheidungsprozesse dauerten mir viel zu lange. Ich bin da oft angestanden mit meinen Visionen. Unterm Strich habe ich viel Zeit investiert und dafür kam mir zu wenig dabei heraus.

Weshalb nimmst du an, die Community stärkt Persönlichkeit?
JM:
Meine Meisterin Anna-Sophie ist hier ein gutes Beispiel. Sie kommt aus der Modeschule Hallein (► Beiträge zur Modeschule Hallein) und ich bin begeistert, was diese Mädchen können. Was die in der Stylistenschule lernen, ist unglaublich. Aus einer Community, wo sich Lehrlinge gegenseitig stärken, kommen tolle junge Persönlichkeiten hervor.

Dann ist Anna Sophie ja aus einem der ersten Jahrgänge an der Modeschule!
JM:
Ja, Anna Sophie ist aus dem ersten Abschlussjahr, quasi ein Prototyp.  Sie hatte bei mir bereits das Pflichtpraktikum und später ihre Abschlussarbeiten gemacht.  Anna-Sophie hat ihren Abschluss in Visagistik, Kosmetik & Haarstyling, sowie Abitur. Den Meister hat sie auch gleich darauf gemacht.

Das Konzept der Modeschule gibt es allerdings nur einmal.
JM:
Da denke ich, muss sich unsere Branche noch mehr einfallen lassen, um mehr qualifizierten Nachwuchs zu bekommen.

Ihr seid 6 Frauen! Welchen Stellenwert hat die Frau in der Branche für dich?
JM:
  Für mich machen sich die Frauen selbst viel zu oft zu klein und fordern zu wenig ein.  Und sie stehen oft auch nicht für ihren Wert ein.  Langsam dreht sich das. Im Salon ist mir das sehr wichtig, wir arbeiten stark in die Richtung „Wir sind uns das wert“.
Ich möchte, dass sich in den Köpfen verankert, „Ich bin in der Stunde mindestens 70 Euro wert“. Ich will, dass das alle meine Mädchen sagen.

Du zahlst Überkollektiv?
JM:
Ja natürlich. Auch mein Lehrling, der bereits Umsatz erbringt.

Und welchen Status hat eure Beauty Assistentin?
JM:
Dazu hat mich tatsächlich die Kao Initiative (imSalon berichtete) inspiriert. Wir hatten genügend Lehrlingsbewerbungen und sind ein gutes Team. Aber wir benötigen Unterstützung bei vielen kleinen wichtigen Zu-Arbeiten. Lienz ist eine Schulstadt und viele Schüler suchen Nebenbeschäftigungen. Was kann einem denn Besseres passieren, wenn man an 1-3 Tagen Unterstützung von Schülerinnen erhält.
Vor allem sind sie Werbeträger für uns und damit Neukundenbringer. Die Beauty Assistentin, die wir jetzt beschäftigen ist ein 20-jähriges Mädchen, die am WIFI im zweiten Bildungsweg Matura macht. Und die arbeitet an 2 Tagen bei uns.
Sie betreut den Waschbereich, wir haben ihr das Augenservice gelernt, sie macht Getränke und Rezeption und räumt uns am Abend den Laden auf.

Weil du gerade Augenservice erwähnst. Das wird ja häufig sehr stiefkindlich gehandhabt.
JM:
Bei uns bekommt wirklich jede Frau einen Augenservice angeboten und 90 % machen das. Unsere Anna-Sophie hat eine hervorragende Basisausbildung und hat alle im Salon darauf trainiert. Augenservice umfasst bei uns Färben, Zupfen, Harzen und Lashlift. Und die machen wir immer, während die Pflege einwirkt, im Waschbereich.

Du hast viele Ideen für die „Jungen“ Wie begegnest du der neuen Generation?
JM:
Auch ich tue mir mit der neuen Generation schwerer als noch vor 15 Jahren. Die letzten 1 ½ Jahre habe ich mich bemüht, auf die Work-Life-Balance aller einzugehen. Da war ich dann die große Verliererin, denn ich war die Erste, die Letzte und die, die dauernd im Laden war. Das hat mich so viel Energie gekostet und ich habe dazu gelernt.

"Unsere Generation muss aufpassen, dass sie sich nicht zur Geisel seiner Mitarbeiter macht."

Und wie kommt man da wieder raus?
JM:
Miteinander reden! Unisono haben wir das im Team besprochen und ich hab‘ dem einen Riegel vorgeschoben. Wenn von 6 Personen ständig jemand eine Ausnahme fordert, dann macht das mürbe. Unsere Generation muss aufpassen, dass sie sich nicht zur Geisel seiner Mitarbeiter macht. Es kann nicht alles stattfinden, was jetzt als Work-Life-Balance verkauft wird.

Und jetzt?
JM: Meine Mädels sind klasse und wir haben gemeinsam Regeln definiert. Jetzt wissen alle, wohin die Reise geht. Wir haben Lösungen gefunden. Zum Beispiel haben wir an einem Standort samstags geschlossen und so können wir gut verteilen und es hat jeder regelmäßig freie Samstage.

Liebe Judith, vielen Dank für dieses interessante Gespräch und weiterhin viel Erfolg beim Ausbilden.
 

Über Judith Moosmann

Judith Moosmann ist Inhaberin zweier Friseursalons in Osttirol, in Sillian und seit Sommer 2022 in Lienz. Sie ist seit 30 Jahren Ausbilderin, mit immer 2 Lehrlingen parallel. Sie beschäftigt 5 Mitarbeiterinnen, darunter eine Beauty-Assistentin.