22.12.2021

Friseur Guido Paar schreibt Adventsgeschichte

Die Willicher Advent-Atmosphäre und die Suche nach DEM WEIHNACHTSGEFÜHL hat den deutschen Friseurunternehmer, Intercoiffeur, Vlogger und Moderator dazu inspiriert, eine Geschichte zu schreiben - "Eine Schokobanane" ...

Eine Schokobanane

von Guido Paar

Es ist der dritte Advent 2021, ein grauer Tag. In meiner Wohnung gibt es als weihnachtlichen Boten gerade mal einen Adventskranz. Ach was, es ist gar kein Adventskranz, es ist ein Tablett mit 4 Kerzen und etwas Tannengrün. Ich glaube, das genügt auch für dieses Jahr.
Es fühlt sich einfach nicht wie Weihnachten an. Ja, ich weiß, das sagen wir jedes Jahr. Und jedes Jahr haben wir dieses Gefühl, dass gerade noch Sommer war und sind davon überzeugt, dass es noch einmal schneller ging, als die Jahre zuvor. Sinn macht das irgendwie nicht. Wir wissen nachweislich, dass der Tag 24 Stunden hat und das Jahr 365 Tage. Da wird nichts schneller.

Aber es fühlt sich so an. Ist es die Routine?

Zurück zum Weihnachtsgefühl. Heute Nachmittag habe ich mit Freunden geplant, auf den Weihnachtsmarkt zu gehen. Dort werde ich es sicher finden, dieses besondere Gefühl. Es wird Zeit, denn in eineinhalb Wochen ist schließlich Weihnachten.

Wir gehen auf einen wunderschönen Weihnachtsmarkt, romantisch, glänzend und mit einer großen Eisfläche in der Mitte zum Schlittschuhlaufen. Der Markt ist eingezäunt, es gilt die 2G-Regel. Corona hat uns schon das 2. Weihnachten im Griff. Die Menschen sind dünnhäutig. Die Meinungen prallen nicht nur in den sozialen Medien in furchtbarer Weise aufeinander. Zuhören ist out. Geimpfte gegen Ungeimpfte und eine neue Bundesregierung, die dynamisch startete und sofort mit Krisenmanagement beschäftigt war, was die Kritiker von Tag 1 an wieder laut werden ließ.

Das alles hilft dem Weihnachtsgefühl auch nicht.

Am Eingang des eingezäunten Weihnachtsmarktes gibt es eine gründliche, aber schnelle Kontrolle der 2G-Nachweise und dann darf die Maske abgenommen werden. Ja, das finden manche falsch, aber die Besucher genießen es. Wie früher, man sieht Gesichter. Nein besser, man sieht lächelnde Gesichter und sprechende Gesichter. Die Freundlichkeit der Menschen am Eingang tut gut. Unter Menschen sein, wie schön das ist. In den Gesichtern spiegeln sich die vielen Weihnachtslichter und die Atmosphäre des Marktes. Es ist nicht zu voll, nein, genau richtig und es spielt wunderschöne Musik. Wir genießen die verschiedenen Glühweine, mal weiß, mal rot, lachen und freuen uns miteinander, erzählen viel, schlendern und schauen den Schlittschuhläufern und -läuferinnen zu. Eine schöne Heiterkeit besteht überall, und ja, ein Hauch von Weihnachtsgefühl, endlich! Dann geht es zur Wurstbude, eine riesen Krakauer für jeden. Lecker!

Stehend vor der Bude essen wir unsere Wurst, Ketchup läuft über die Hände. Aus dem Augenwinkel sehe ich, wie ein Mann in meine Richtung kommt. Offensichtlich ein Obdachloser. „Wie ist der denn hier hereingekommen?“, denke ich bei mir. „Er kommt direkt auf mich zu, oh nein“. Eine recht dunkle Gestalt, Ende 30 ungefähr, kaputte Kleidung, dunkle Kleidung, ein langer Mantel, zotteliges Haar. Scheinbar lebt er schon länger auf der Straße. In seiner ausgestreckten Hand ein Pappbecher. Offensichtlich ist er betrunken. Wortlos steht er nun vor mir, während ich in meine Wurst beiße, schaut mich an und hält mir den Pappbecher hin. Er möchte Geld. Ich stehe da, in der Hand eine Wurst und Ketchup überall, gerade ungünstig, also weise ich ihn mit einer freundlichen Geste ab.

Was nützt ihm das Freundliche? Es ist Weihnachten. Aber Geld? Vielleicht möchte er eine Wurst? „Warten Sie“, rufe ich leise. Er dreht sofort um. „Ich möchte Ihnen etwas zu essen kaufen.“ Er versteht mich nicht. „English?“, frage ich. „Yes, Yes“, flattert aus seinem Mund. Wie sein Blick, der genauso flattert. Er ist skeptisch. Auf Englisch wiederhole ich meinen Wunsch, ihm etwas kaufen zu wollen und frage, ob er auch eine Wurst mag.

Er lächelt. Wie anders sein Gesicht plötzlich aussieht. Als würde dieses dunkle, matte, Gesicht plötzlich genauso die Lichter des Marktes widerspiegeln. Vorsichtig antwortet er: „Can I have sweet?“ Er möchte etwas Süßes. „Klar“, sage ich, dann zeigt er auf den Schokoladenstand und sagt „schoklata banana“, eine mit Schokolade überzogene Banane. Wir gehen hin. Ich sage der Verkäuferin, dass ich dem Mann gerne eine Schokoladenbanane kaufen möchte. Der Mann steht neben mir. Er wippt wie ein kleines Kind auf seinen Füßen hin und her. Seine Hände sind zu leichten Fäusten geformt, die wild vor ihm flattern. Aber diesmal anders, dieses Flattern drückt Freude aus.

Die Verkäuferin gibt ihm die Banane. Er nimmt sie sehr vorsichtig an. Sie sagt zu mir: „3 Euro.“ Ich bezahle, drehe mich um und der Mann ist verschwunden. Er ist sofort mit seiner Banane weggegangen. Vermutlich will er den Moment für sich haben.

Ich muss weinen. Mitten in diesem Überfluss gibt es Menschen, die gar nichts haben.

Diesmal waren es 3 Euro plus ein wenig Aufmerksamkeit und Empathie, die jemandem eine Freude gemacht haben. Es ist so leicht, wenn wir die Augen offen halten. Und wenn wir einmal nicht an den für uns unbequemen Moment denken - bei mir war es das Wurstbrötchen - sondern die Gelegenheit sehen.

Das Weihnachtsgefühl! Ich hatte es in diesem Moment.
Dafür braucht es keine schillernde Deko.
Ich habe mir selber eine Freude damit gemacht.
Dafür braucht es kein Weihnachten.

Ich werde ab jetzt jede ähnliche Gelegenheit nutzen, mir selber wieder eine Freude zu machen. Ich werde Menschen, die mich um Geld anbetteln, etwas zu essen anbieten.

Es war ein schöner Tag, der 3. Advent, am Abend fühlte er sich sogar ungewöhnlich lang an.