Credit: Wella Professionals

01.12.2014

Eveline Gassner: Making Waves retrospektiv - Interview

Stehen bleiben liegt der BUNDY BUNDY Stylistin und - Ausbildungsexpertin nicht. Sie ist neugierig, lässt sich ungern den Mund verbieten und ist bereit, sich für das Vorankommen Anderer einzusetzen.

Für “Making Waves“ ist sie nach Brasilien gereist. Für das von Wella in Unterstützung mit UNICEF ins Leben gerufene Charity-Projekt, das benachteiligten Jugendlichen die Möglichkeit auf ein selbstbestimmtes Leben geben möchte, hat sie 10 Tage lang Jugendliche begleitet und gecoacht. Wir treffen Eveline, frisch zurück, in Wien. Im Gepäck viele tolle Eindrücke, ihr Resümee und ehrliche Antworten.

Im Gespräch mit Katja Ottiger

imSalon: Seit 3 Jahren gibt es „Making Waves“. Du warst zum ersten Mal dabei und kommst gerade aus Rio zurück. Wie bist du zu dem Projekt gekommen?
Eveline Gassner: Über unseren Wella Großkundenbetreuer. Er hat uns vor 2 Jahren erstmals davon erzählt und mich damit sofort begeistert. Ich hatte mich auch gleich beworben, geklappt hat es hat aber erst heuer.

Wie funktioniert das mit der Teilnahme?
Im März hab ich meine Bewerbung für dieses Jahr abgeschickt. Im Juni gab es ein erstes Auswahlverfahren und im Juli wurde ich zu einem Interview nach Frankfurt geladen. Anfang August bekam ich dann meine Bestätigung, dass ich fliegen darf und im Oktober ging es dann nach Rio.

"Das Bewerbungs-Interview war für mich ein komische Situation."

Das ging dann doch ziemlich schnell.
EG: Vom Timing her muss ich sagen, war das für mich alles schon ein bisserl knapp. Man möchte sich ja (doch) vorbereiten, im Vorfeld ein paar Dinge organisieren, vor allem beruflich.
Zum Zeitpunkt des Interviews gab es nur ungefähre Termine, wann das Projekt starten würde. Meine Wella-Unterlagen, sprich die fachlichen Details zu den Schulungen, bekam ich überhaupt erst in meinem Hotelzimmer in Rio, so wie die anderen Kollegen auch. Wir Mentoren sind ja Leute, die es gewohnt sind, andere zu schulen mit eigenen Ideen und Methoden. Da hätte ich mir gewünscht, früher informiert zu sein.

Wie muss ich mir das Interview vorstellen, das du vorhin erwähnt hast?
EG: Das war für mich eine komische Situation. Ich bin für ein 20-minütiges Interview nach Frankfurt geflogen. Ich kam in einen Raum hinein, in dem 4 Leute von Wella /Procter&Gamble und UNICEF an Tischen saßen, die hufeisenförmig aufgestellt waren. Mein mir zugewiesener Platz war in der Mitte vor ihnen, aber einige Meter entfernt. Nach kurzer Interviewzeit habe ich „meinen“ Sessel samt Tisch erst mal näher heran gerückt, um mein zu großes „Distanzgefühl“ zu überbrücken. Dann wurden meine Unterlagen noch mal gesichtet und mir Fragen gestellt, warum ich denn mitmache, was ich glaube, welchen Input ich geben kann, Fragen zur Persönlichkeit, sich meine Ausbildungen im Einzelnen angeschaut - von Gefühl her wie ein richtiges Bewerbungsgespräch.

Hast du dir für „Making Waves“ Urlaub nehmen müssen?
EG: Anfangs bin ich davon ausgegangen, ich würde eine Woche Urlaub nehmen und habe gehofft, mein Unternehmen überzeugen zu können, mich zusätzlich noch eine Woche freizustellen. Aber das war nicht notwendig. Für BUNDY BUNDY war von Anfang an klar, mich für die 2 Wochen fix freizustellen.

Was hast du vorbereiten müssen?
EG: Gesundheitlich brauchte ich Impfungen: Hepatitis A, B und Typhus. Eine extra Rückreiseversicherung – das war P & G sehr wichtig – Kosten hat mein Unternehmen übernommen. 
Ich habe mein Werkzeug eingepackt und ein paar Geschenke: Ungefähr 5 Kg Süßigkeiten „eingeschmuggelt“, ein bisschen Schminksachen, Nagellacke…
Meine eigentliche Grundidee war, meine Kollegen um Geldspenden zu bitten um jedem Teilnehmer in Rio eine Schere mitzubringen. Aber der Plan hat nicht funktioniert. Denn erstens wusste ich im Vorfeld nicht, wie viele Jugendliche dort sein würden und zweitens war da noch die Frage mit dem Zoll, kann ich mit 25 Scheren problemlos einreisen , oder werden mir diese abgenommen?

"Von 18 Jugendlichen hatten 11 ein iPhone."

Was waren deine Erwartungen?
EG: Du erwartest dir ganz arme Menschen, die dringend Hilfe brauchen – und das brauchen sie auch!!!
Aber dann stehen sie das erste Mal vor dir, sind komplett „normal“ angezogen, erzählen, was sie alles können und was sie alles schon gemacht haben - in beruflicher Hinsicht. Das war so ganz anders als erwartet. Und von 18 Jugendlichen hatten 11 ein iPhone! Das hat uns irritiert, denn selbst mit dem kleinsten Tarif brauchst du doch eine gewisse Summe, um das monatlich zu finanzieren. Teilweise haben sie auch schon einen kleinen Salon, d.h. sie waren gar keine Anfänger. Da kam dann schon die Frage auf, hat man uns da jetzt die „besten“ heraus gesucht, wenn wir da extra aus dem Ausland daher kommen? Ich denke, die meisten von uns haben sich gedacht, wir fangen hier praktisch bei null an.

Wie viele Teilnehmer und Mentoren hatte das Projekt und woher kamen diese?
EG: Es waren 18 Jugendliche von ca. 15-26 Jahren aus ganz Brasilien und insgesamt 9 Mentoren aus D-A-CH, Finnland, Niederlande, Schweden, Norwegen. Jeder Mentor hatte jeweils 2 Jugendliche zu betreuen die jeden Tag gewechselt wurden.

Wie war das Kennenlernen der Mentoren, kanntest du deine Kollegen?
EG: Nein, ich kannte niemanden, aber wir haben uns bereits im Flieger von Amsterdam nach Rio sozusagen „erkannt“. Wir hatten schon im Flieger viel Spaß und die Leute rings um uns herum wurden gut unterhalten. Ich hoffe nur, die Passagiere der Reihen 10 bis 15 haben das auch so empfunden (lächelt beklommen).

Wer hat die Jugendlichen ausgewählt?
EG: Das machen die Sozialstellen, die es brasilienweit gibt. Hier findet man Ärzte, Kindergärten, Beratungsstellen und Streetworker. Diese Stellen kümmern sich um sozial schwach gestellte Jugendliche, die wirklich einen unsagbar schlechten Start ins Leben haben. Wir reden hier nicht nur von wenig Geld, sondern von Prostitution, schwerem Missbrauch, Drogen, Bandenkriegen und Bindungsängsten. Die Jugendlichen werden von diesen sozialen Stellen aufgegriffen und erst einmal psychologisch betreut. Danach wird geschaut, was können diese Kinder, was möchten sie selbst?

Kannten die Jugendlichen eigentlich Österreich?
EG: Nein, gar nicht. Wir hatten am ersten Tag eine Vorstellungsrunde an einer großen Weltkarte. Die wussten nicht, was oder wo Österreich ist. Lustig dabei war, dass einige selbst ihre eigene Region nicht auf Anhieb finden konnten.

Wie geht es für die Jugendlichen nach diesen Tagen weiter?
EG: Soweit ich weiß, fliegen die Jugendlichen wieder zurück in ihre Städte und werden dort auch weiterhin betreut. Sie bekommen neben psychologischer Unterstützung z.B. auch Startgelder, um sich Existenzen aufbauen zu können.

Hast du noch Kontakt zu den Jugendlichen und Kollegen?
EG: Ja. Über Facebook, da bin ich bin ja mit ihnen befreundet . Und klar, auch mit den Kollegen möchte man in Kontakt bleiben. Das war für alle ein einschneidendes Erlebnis.

Wie war die Kommunikation untereinander?
EG: Auf Englisch, mit Händen und Füßen, zwei Dolmetschern und Fremdwörterbücher – und viel Spaß dabei !

Was hast du von den anderen Kollegen lernen können?
EG: Im Großen und Ganzen arbeiten wir schon sehr ähnlich, aber was mich beeindruckt hat, waren vor allem Emmas Flechttechniken aus Schweden…wir haben selbst auch fleißig geübt 

"Ich war das erste Mal in meinem Leben in einem Fußballstadion, dem Maracana."

Was habt ihr in der Freizeit unternommen – ein Highlight?
EG: Wir haben viel tolle Sachen mit den Jugendlichen gesehen und erlebt. Ich war z.B. das erste Mal in meinem Leben in einem Fußballstadion – Maracana –, jetzt werden einige Männerherzen höher schlagen. Ich wusste gar nicht, zu wem wir da eigentlich halten, aber das war egal, weil die Stimmung unter uns und in dem Stadion einfach so toll war.
Mein persönliches Highlight war der Hubschrauberflug über Rio!

Was ist mit Ausflügen ins Hinterland?
EG: Nein, in diesem Jahr nicht, weil es in den Favela zu Bandenkriegen gekommen ist.

Hast du dich in Rio eigentlich sicher gefühlt?
EG: Ja. Wir wurden immer geschützt. Wir haben in einer sehr guten Gegend gewohnt, in Barra da Tijuca.
Und wir wurden immer gefahren. Da lernt man auch, was Stadtstau wirklich bedeutet: wir sind jeden Morgen richtig zeitig aufgebrochen, um den Stau zu vermeiden. Denn für unseren Weg konnten wir entweder 10 Minuten oder 1,5 Stunden brauchen.
Aber in Puncto Sicherheit war es klar, dass es ratsam ist, sich an bestimmt Sachen zu halten: Keinen Schmuck und generell nichts zeigen, das irgendwie wertvoll ausschaut. Weil viele Leute kein oder wenig Geld haben, sollte man gut auf sich aufpassen und sich auch mit gesundem Menschenverstand bewegen.

Wie ist das Styling der Brasilianer im Alltag?
EG: Was sofort auffällt, ist, dass die Leute sehr modebewusst sind und auf ihr Aussehen viel Wert legen.
Von der Kleidung her sehen sie so aus wie bei uns und gar nicht exotisch, wie man glauben würde. Auch wenn sie kein oder sehr wenig Geld haben, schauen sie gut aus. Die Frauen gehen häufig zum Friseur, zum föhnen und zur Maniküre. An den Stränden sieht man überall Fitnessgeräte, die vor allem die Männer nutzten, was man ihnen wiederum ansieht!

Dein Resümee zu „Making Waves“? Und würdest du es wieder machen?
Im Vorfeld konnte man sich leider nicht so gut über das Projekt informieren. Wenn man das bei Google eingibt, findet man nicht so viel, selbst bei Wella nicht. Es wäre schön, wenn es hier eine breitere Kommunikation gäbe, auch, um mehr Geld akquirieren zu können und dem Projekt die breite Aufmerksamkeit zukommen zu lassen, die es verdient.

Weiterführend ist es eine tolle Sache für unser Image als Friseure.
Procter&Gamble hat hier als Hauptsponsor viel Geld in die Hand genommen: die Flüge, die Unterkünfte, Ausflüge, aber auch Teile der Ausrüstung, die jeder der Jugendlichen erhalten hat!

Würde ich es wieder machen? Ja. Sofort, auf jeden Fall!
Ich halte das Projekt für eine tolle zu unterstützende Sache! Man wächst dort zu einer kleinen Gemeinschaft zusammen. Du merkst, die jungen Leute können mal wieder in Ruhe Kinder sein, sie beginnen, sich etwas zu öffnen, rücken ein bisschen „näher“. Sie sind von Herzen dankbar. Sie haben uns kleine Abschiedsgeschenke gemacht und uns in den Arm genommen. Das nimmt man für immer mit.