Credit: Zur Verfügung gestellt von David Rinner

30.11.2012

David Rinner ist Überflieger trotz Handycap

Der Top-Stylist über seinen alles verändernden Unfall und den langen Weg zurück, über gleiches Maß und künstlerische Ambitionen.

Ein folgenschwerer Unfall während seiner Lehrzeit brachte zunächst alle privaten und beruflichen Zukunftspläne des gebürtigen Grazers ins Wanken. Doch für ihn scheint es keine Grenzen zu geben. Er kämpfte sich zurück in sein Leben, beendete die Ausbildung zum Stylisten, zog nach Wien, um Visagist zu werden und arbeitete international für Editorials, Shows und fürs Fernsehen (u.a. Mailand, NY). Er ist Geschäftsführer und Ausbildungsleiter bei Less is More, macht Musik und verkauft hin und wieder auch Bilder seiner Fotokollektionen.

Im Gespräch mit Katja Ottiger

David, du hattest mit 17 Jahren einen schweren Unfall und hast seitdem einen Rollstuhl. Was hat sich für dich verändert?
David Rinner: Als ich den Unfall hatte, war ich gerade Ende des zweiten Lehrjahres. Bis zu dem Zeitpunkt ist alles gut gelaufen. Ich war ehrgeizig und hatte hohe Ziele. Nach so einem Unfall ist erst mal alles anders. Du musst realisieren, was passiert ist und auch abwarten, welche Funktionen sich körperlich wieder einstellen, so etwas kann bis zu drei Jahren dauern.

Es stelle sich die Frage, ob es denn überhaupt noch möglich ist, zu arbeiten.

Und es stellte sich, nach vielen anderen Fragen auch die, ob es denn überhaupt noch möglich ist, weiterhin zu arbeiten. Ich hatte in meiner Situation noch das Glück, dass meine Mutter in einem Rehazentrum arbeitete. Zu ihr hatte ich immer ein sehr intensives Verhältnis und sie hat mich stets sehr unterstützt. Und von ihr kannte ich auch die Geschichten von jungen Leuten, die beispielsweise nach einem Motorradunfall, im Rollstuhl sitzen. Das war mir nichts Fremdes. Aber man hört sich das an und denkt, dass so etwas immer nur den anderen passiert.

Und dann ist man dieser „Andere“. Wie bist du damit umgegangen?
DR: Ich bin in ein Loch gefallen, aber ich habe mich nie aufgegeben. Klar, es hat immer wieder Zeiten gegeben, in denen ich schwere Einbrüche hatte. Ich war 17 und war vorher extrem selbstbewusst, ein „Überflieger“. Nach dem Unfall hatte ich 7 Monate Reha. Da musst du plötzlich deinen Körper neu kennenlernen, musst überhaupt alles wieder lernen, wie bei einem Kind, wie du dich anziehst, mit dem „Rolli“ (Rollstuhl, Anm.) umgehst und dein Selbstbewusstsein wieder aufbauen.

Ich konnte mich wirklich glücklich schätzen, einen tollen Freundeskreis zu haben. Ich hatte in der Reha ständig Besuch, bei mir war immer etwas los. Ich hab auch relativ schnell nach dem Unfall wieder eine Freundin gehabt. Und das war extrem wichtig, um mich wieder „normal“ zu fühlen. Ich hab in dieser Situation mehr Freunde dazu gewonnen, als verloren. Es gibt viele Leute mit Handicap, die sich immer nur in ihrer sicheren Umgebung aufhalten, da, wo sie sich auskennen. Ich weiß, dass es sehr viele Rollstuhlfahrer gibt, nur manchmal frage ich mich, wo die alle sind, dann auf der Straße kann ich sie kaum sehen.

Für mich hat sich z.B. nie die Frage gestellt, ob ich das mit dem „Rolli“ schaffe oder nicht. Oder ob ich in diesen oder jenen Club gehe oder nicht, nur weil er vielleicht im 2. oder 3. Stock liegt. Irgendwie komm ich da schon rein, wenn ich mal dort bin.
Das Schönste ist überhaupt, wenn du merkst, dass die Leute den Rollstuhl um mich vergessen und mir einfach einen Sessel frei halten.

Wie ging es nach der Reha weiter?
DR: Kurz nach dem Unfall hat mich mein damaliger Chef Gerhard Mayer im Spital besucht und mich gleich gefragt, ob meine Hände funktionieren. Denn wenn ja, werd ich weiter arbeiten.
Ich hab dann in der Reha schon wieder mit dem Trainieren begonnen. Es gab dort ein kleines komplett eingerichtetes Friseurstudio für die Patienten. Von der Friseurin, die dort ab und zu arbeitete, hab ich den Schlüssel bekommen und allen Patienten und Therapeuten, die mir vor die Schere kamen, die Haare geschnitten. Ich musste mich daran gewöhnen, dass ich jetzt niedriger bin und meine Arme beim Arbeiten weiter oben halten muss. Ich hab dann auch viel mit meinem „Rolli“ ausprobiert. Die ersten 1 1/2 Jahre hab ich versucht mit einem Aufstellrollstuhl zu arbeiten, mit dem man sich hinstellen kann, aber auch das war nicht so ideal.

Die Berufsschule war nicht barrierefrei, deshalb konnte ich dort nicht mehr hin. (...) Ich habe dann auf die LAP mit verschiedenen Leuten hintrainniert.

Nach der Reha war ich mit der Lehre fertig und hab 2 Monate als Stylist bei Intercoiffeur Mayer gearbeitet. Dort musste ich allerdings den Salon in Graz wechseln, weil mein voriger nicht barrierefrei war. Und da ich das Problem mit dem barrierefrei auch in der Berufsschule hatte, konnte ich auch dort nicht mehr hin. Ich bekam dann die Unterlagen zugeschickt und habe mit verschiedenen Leuten auf die LAP hintrainiert und später die Prüfung gemacht.

Wie sieht dein Arbeitsplatz eigentlich aus?
DR: Ganz normal. Ich habe lediglich für die Kunden einen tieferen Schneidesessel, bei dem hab ich einfach den Mittelteil gekürzt. Hiervon hab ich einen in Wien stehen und einen in Graz bei Ginger, wo ich immer noch zweimal die Woche meine Kunden betreue.

Wie bist du zum Friseurberuf gekommen?
DR: Also, eigentlich hab ich mich immer für Musik interessiert, hab Saxophon gespielt und gesungen, aktuell spiel ich Gitarre und mache wieder Gesang. Ich hatte immer aber auch ein Faible für Mode und Haare. Irgendwann hab ich vom Modefriseur Gerhard Mayer gelesen und mir gedacht: Mode und Frisur, das klingt doch gut und hab mich für ein Praktikum beworben. Ich geb zu, anfangs hatte ich mir das etwas anders vorgestellt, aber als ich dann dabei war, fand ich´s gut. Ich wollte mit 15 einfach Geld verdienen und nach 3 Monaten Probezeit bin ich dann auch dort „hängen“ geblieben.

Und dann kam der Visagist dazu?
DR: Dieses 5 Tage die Woche im Salon stehen, war nicht mein Ziel, also hab ich eine neue Herausforderung gesucht. Ich bin nach Wien und hab bei Karin van Vliet die Make-up-Ausbildung gemacht, später ein Jahr lang bei Pro7 in der Maske gearbeitet. Das war schon ein Sprungbrett, hab z.B. einmal 3 Tage lang als persönlicher Stylist Andi McDowell begleitet.

Wie das?
DR: Ich hatte gelesen, dass sie Gast bei Lugner´s Opernball sein wird und hab ihn einfach angerufen, erzählt wer ich bin und was ich alles so gemacht habe und den Job gekriegt.

Du bist gern in Bewegung und unabhängig: Ausbildung bei Toni&Guy in Stuttgart, 2 Jahre in Mailand Make-ups für Editorials, lässt dich 1-2 mal im Jahr in New York inspirieren, derzeit teilst du dich auf zwischen Graz und Wien. Eigentlich wolltest du ganz nach New York ziehen…
DR: Ja, das war mal der Plan. Ich bin 2 Jahre in Mailand gewesen und wollte dann nach New York gehen, dort Stylings für Editorials und Shows machen. Das war auch alles fix, aber mein Gefühl sagte irgendwie Nein. Nach meiner Zeit in Wien wollte ich wieder verstärkt zu Hause in Graz sein. Ich hatte in dem Mode-Kunst Geschäft NOVARIUM wieder als Stylist begonnen und angefangen, mehr Friseurhandwerk zu machen. Ich hab dann NY gecancelt, und bin als Stuhlmieter nach Graz zu Robert Gudera (Ginger ), den ich 2008 kennen gelernt hatte, als ich für seine Hairdressing Award Kollektion das Make-up machte und für den ich schon freiberuflich gearbeitet hatte. Seit 2 Jahren bin ich jetzt auch wieder in Wien, als Stylist, Ausbildungsleiter und GF von Less is More in der Lindengasse.

Ich will den Award auch für alle Menschen mit Handicap gewinnen!

Bei Ginger in Graz kamst du erstmals mit den Hairdressing Awards in Berührung. Du hast seit deiner ersten AHDA Teilnahme 2009 regelmäßig mit Nominierungen geglänzt und heuer zum ersten Mal gewonnen. Wie geht´s weiter, arbeitetest du schon am AHDA 2013?
DR: Klar! Zuerst dachte ich, ich schließ das Ganze ab, wenn ich in einer Kategorie den Hairdressing Award gewinne. Allerdings macht das ein bisschen süchtig und mittlerweile möchte ich den Hairdresser of the Year gewinnen. Ich will den Award auch für alle Menschen mit Handicap gewinnen! Irgendwie tauchen solche Leute als Sieger lediglich im Sport auf, aber selten in anderen Bereichen. Auch wenn Mode und Handicap auf den ersten Blick nicht zusammenpassen: Ich möchte mich gleich messen mit anderen und beweisen, dass man mit Handicap genauso viel erreichen kann.

In meinen Arbeiten versuche ich auch immer eine Spur weit mich selbst neu zu erfinden.

In meinen Arbeiten versuche ich auch immer eine Spur weit mich selbst neu zu erfinden. Und so sehe ich auch die Hairdressing Awards. Es geht nicht darum, Kopien von beispielsweise Sassoon, zu produzieren, sondern neue Inspirationen zu liefern, innovativ und trendführend zu sein.

Die Kollektionen, die du in den letzten Jahren für die AHDA gemacht hast, sind sehr unterschiedlich. Da vereinen sich Kunst und Fotografie mit Handwerk. Dein Thema heuer: Der Blick zurück - die Sängerknaben und deren Gouvernanten.
DR: Ja, ich mag Retro. Bei meiner Wohnung, bei Möbeln, bei Kleidung, die Frisuren der 30er Jahre. Ich wollte mal was typisch Österreichisches machen, sozusagen ein „AMA-Gütesiegel“ das zeigt, wie lebenswert Österreich ist. Ich habe das Gefühl, dass man wieder gerne zeigt woher man kommt und stolz darauf ist. Und die Geschichte ist einfach: Die Sängerknaben treffen sich nach Jahren wieder, passen nicht mehr in ihre alten Sachen hinein, schwelgen in Erinnerungen an Jugend und Leistungsdruck. Dazu passend: ihre Gouvernanten, versnobte Frauen, die im Internat das Sagen hatten, im Hintergrund vergilbte Fotos.

Du kannst beides: Machst du Make-up und Haare bei deinen Produktionen selbst?
DR: Nein, ich konzentriere mich nur auf die Haare. Ich hab zwar das Gesamtbild im Kopf, aber für´s Make-up nehme ich mir jemanden dazu, das unterstützt auch den Blick auf die Sache.

Die Meinung, dass den AHDA nur jemand gewinnen kann, der auch dementsprechend viel Geld hineinsteckt, hält sich hartnäckig. Wie siehst du das?
DR: Also ich halte es mit wenig Budget, nicht weil ich knausrig bin, sondern weil ich Leute mit meinen Ideen und Projekten begeistern möchte. Die Modelle, die Fotografen…Dann steckt auch ein ganz anderer Spirit dahinter.

Die Bilder deiner ersten Kollektion für die AHDA hast du sogar nach Anfrage auf Leinwand drucken lassen und verkauft?
DR: Stimmt, die Bilder der Kollektion 2010 hatte ich im Rahmen einer kleinen Ausstellung im Studio Ginger ausgestellt und die Nachfrage nach ihnen war so groß, dass ich sie nachproduzieren musste.

Man kann nicht behaupten, dass du ein ruhiges Leben führst. Wie hältst du dich körperlich fit?
DR: Ich hab einiges ausprobiert, z.B. Tennis und Basketball. Momentan geh ich schwimmen, mach natürlich Krafttraining und jetzt im Winter fahr ich Monoski.

Über David Rinner:

  • Ausbildung bei Intercoiffeur Mayer in Graz, Karin van Vliet, Toni&Guy Academy Stuttgart
  • Less is More Wien, Lindengasse: GF, Stylist, Ausbildungsleiter
  • freiberuflicher Visagist & Beauty-Coach
  • AHDA 2012 Damen Nord-Ost | Mehrfachnominierungen AHDA 2009-2012