Credit: Patricia Narbon

19.05.2022

Christine Wegscheider: Je mehr Instagram, umso mehr Geld gibt Braut aus

Wie Instagram aktuell Brautstyling beeinflusst weiß Hochsteckprofi Christine Wegscheider: mehr Zeit, höhere Kosten. Da kann man vor allem von jungen Stylist*innen sehr viel lernen.

Die Brautsaison im Salon ist da, wie ist diese bei dir angelaufen?
Christine Wegscheider:
Du merkst, dass es viel mehr ist, weil die letzten zwei Jahre war gefühlt nichts. Wir müssen den Andrang mittlerweile bremsen, weil so viele Anfragen da sind.

Warum hast du diese Entscheidung getroffen? Gibt es bei dir im Salon weitere Stylist*innen, die auch Brautstylings machen?
CW:
Im Moment bin ich ausschließlich diejenige, die Bräute stylt. Außer, wenn es um die eigenen Kund*innen geht. Da sind meine Mitarbeiter*innen die Wedding-Stylist*innen.
Das ist ein Hauptproblem der Salons: Wenn es um Stecken, Welle oder Abendstylings geht, dann gibt es ausgewählte Spezialist*innen im Team, die Routine haben. Somit steht eine begrenzte (Wo)man-Power zur Verfügung. Ein weiterer Punkt, der in meinem Fall hinzukommt: Wir haben am Samstag geschlossen und als Unternehmerin, Stylistin und Dreifachmama muss ich Grenzen ziehen und kann nicht alle Samstage in der Hochzeits-Saison verplanen.

Du machst seit über 20 Jahren Braut-Stylings. Was hat sich beim Braut-Service verändert?
CW:
Die modernen Bräute, die uns buchen, die wollen einen Event-Charakter. Da schlafen sie mit ihren Brautjungfern irgendwo und dort fahre ich ins Hotel, nach Hause, etc. Ich kann mich gar nicht mehr erinnern, wann ich die letzte Braut im Salon gestylt habe.
Es ist die Epoche der Instagram-Braut: Es wird zwei Jahre vorbereitet und es wichtiger, was Instagram sagt, als, dass die Gäste sagen „Wow, die Hochzeit war echt cool.“ Das hat sich gewandelt. Ich habe das Gefühl, wenn die erste Braut eine schräge Location hat, dann muss die 5., gefühlt, am Mond heiraten. (lacht) Hauptsache anders, spezieller, besonders, … Das finde ich schade, weil bei der ganzen Inszenierung der Spaß ein wenig verloren geht. Wir profitieren aber – je mehr Instagram, desto mehr Geld wird ausgegeben …

Das macht sich auch bei dir in der Kassa bemerkbar?
CW: Ja. Aber es gibt auch diejenigen, die 7.000 Euro fürs Brautkleid ausgeben und beim Styling versuchen, zu verhandeln, weil sie einen „natürlichen“ Look wollen. In dem Fall erkläre ich, dass ich als Dienstleister*in meine Stunden verrechne und nicht nur ein „nettes Styling“ mache. Das ist die Aufgabe der Friseur*innen, das Handwerk und die eigene Leistung nicht zu billig zu verkaufen.

"Neuerdings ist auch der Bräutigam zu stylen bzw. zu schminken."

Wie variiert der Preis beim Brautpaket?
CW:
Ich habe ein Fixum von 450 Euro inklusive Make Up und Probe, plus Kilometergeld und je nach Aufwand kommt noch etwas hinzu. Wenn es um eine Hochzeit mit weiter Anreise geht, zahlt es sich für mich nicht aus, wenn ich nur die Braut mache. Ich habe meinen Visagisten immer mit dabei, den ich auch bezahlen muss. Aber in den meisten Fällen kommen Mutter, Schwiegermutter, die Brautjungfern, … dazu. Neuerdings ist auch der Bräutigam zu stylen bzw. zu schminken. Dann zahlt sich der Aufwand aus. Vor allem finde ich es wichtig, zu zweit, parallel zu arbeiten, um effektiv zu sein. Aber man muss schon sagen, dass der Probetermin, am meisten Aufwand bedeutet …

Aber du verrechnest das nicht separat?
CW
: Nein, das ist im Package-Preis enthalten.

Warum hadern viel Stylist*innen damit, höhere Preise bei Brautstylings anzusetzen?
CW:
Das Um und Auf ist, dass du dein Handwerk beherrschst. Für mich ist es außerdem essenziell jemanden dabei zu haben, der das Make Up professionell umsetzt. Was man immer wieder beobachtet, dass ein Lehrling im 2. Lehrjahr eingesetzt wird. Die oder der kann das schon gut machen, aber du brauchst jemanden, der den Look perfekt umsetzt und als Profi kann man auch seine Preise höher ansetzen.
Vor allem die österreichische Braut will natürlich schön sein und das muss man beherrschen. Auch ich schminke meine Bräute nicht, weil die ansonsten aussehen, wie Drag Queens. (lacht)

Das Thema Preiserhöhung ist aktuell, wie nie zuvor. Überlegst du dein Preispaket anzupassen?
CW:
Ja. Das ist eine Sache, die wir Alten von den Jungen lernen können: Meine ehemaligen Schüler*innen verlangen höhere Preise als ich. Die Jungen haben da viel weniger Bedenken, wir Alten haben da oft einen Stress. (lacht) Aber mit Ende des Sommers werden wir die Preise anheben und uns auch breiter aufstellen.

Inwiefern?
CW:
Ich habe jetzt zwei neue Mitarbeiter*innen und ich werde selbst Schulungen im Team machen, damit mehr Personen diverse Top-Stylings machen können. Es kommt hoffentlich auch wieder die Ballsaison und da möchte ich mit meinem Salon und Mitarbeiter*innen vorbereitet sein. Denn es braucht, so wie überall, Routine und die ist in den letzten Jahren weggefallen. Ich investiere jetzt in mein Team.

"Ich mache auch günstigere Brautfrisuren. Aber das ist dann ein Pferdeschwanz und keine Steckfrisur."

Was darf eine Brautfrisur kosten?  
CW:
Ganz banal: Du musst für dich entscheiden, was ist es für dich wert. Das ist wie Essen gehen: Du kannst Hunger verspüren und sagen: „Ich geh Würst‘l essen“ und der Hunger ist gestillt. Die Frage ist, fühlst du dich damit wohl … Ich mache auch günstigere Brautfrisuren. Aber das ist dann ein Pferdeschwanz und keine Steckfrisur. Meine Kund*innen fragen aber nicht, warum sie den Preis bezahlen müssen. Wenn eine Kund*in sagt, dass sie nicht bereit ist mehr zu zahlen, gibt es zwei Möglichkeiten. Ich biete an, dass man vorbeikommt und wir ein Gespräch führen und darüber sprechen oder sie nimmt mein Service nicht in Anspruch. Meine Erfahrung ist aber, dass es mit dem Package-Preis keine große Diskussion gibt.

Wann ist das perfekte Timing für den Probetermin vor der Hochzeit?
CW:
Jetzt, wo es die Instagram-Bräute gibt, wollen alle schon ein halbes Jahr vorher die Probe. Das mache ich nicht. Dazwischen sieht sie 10 andere Blumen, 20 andere Bräute, 30 andere Looks – und da sitzt sie 3x bei mir. Zwei Monate vor der Hochzeit ist das beste Timing, da hat Braut schon ein Bild von sich selbst im Kopf. Dann kann sie dann mit Freundinnen oder der Mama kommen. Wobei ich schon öfters Mütter während dem Styling rausgeschmissen habe (lacht), weil sich die viel zu sehr einmischen und die Braut verunsichern.

Deine neue Brautkollektion sieht wunderbar aus, mit Frisuren, die elfenhaft, luftig, leicht sind. Was ist dein Geheimnis für eine gute Haltbarkeit bei locker aussehenden Stylings?
CW: Vier Punkte:
1. Die Haarstruktur: Wie behandelt man die Haare vorher? Entweder mit Lockenstab, Glätteisen oder Welleisen, etc.
2. Der Basis-Punkt: Man muss zu Beginn einen Mittelpunkt der Frisur festlegen und ein, zwei Punkte schaffen, wo jede Nadel hält. Dieser muss fest sein – dann hast du gewonnen. Der Rest ist „Spielerei“.
3. Keine Strähnen aufheben: Alle Strähnen sofort einarbeiten und nicht für den Schluss aufheben.
4. Ich muss wissen, welche Form mein Endergebnis haben soll. Und im Falle der Braut: Nicht auf den Schleier vergessen – und daran denken: Was macht die Braut, wenn der Schleier abgenommen wird. Da größte No-Go ist, wenn es eine Spange gibt, die weh tut. Das legt sich nicht – also immer nachfragen und entfernen, bevor man weitermacht.

Was sind Fehler, die man gut vermeiden kann?
CW:
Es wird zu wenig auf das Verhältnis Toupage und Frisur geachtet. Wenn einfach toupiert wird, kann ich kein stimmiges Endergebnis erreichen. Viele verlieren auch die Proportion aus den Augen: Abstand nehmen – und Seitenprofil ansehen, ob alles stimmig ist. Und: je weniger Nadeln umso, besser hält die Frisur. Die moderne Frisur spürt man fast gar nicht. Ich sage immer zur Braut: Nach der 3. Umarmung ist dein Look am schönsten.

Wie reagieren die Bräute darauf?
CW:
Sie wissen, dass es stimmt. Denn mit der Zeit, wird die Frisur ganz natürlich. Ich gebe aber den Brautjungfern oder Müttern auch ein paar Haarnadeln mit und zeige, wie man nach dem Schleier entfernen, Strähnen fixieren kann. Wir testen auch das Rein- und Rausgeben des Schleiers. Es ist auch schön, wenn die Trauzeugin da involviert wird.

Jetzt kommen Elemente wie Schmetterlinge oder Libellen. Rätst du von Trends ab?
CW:
Die Bräute haben sehr oft sehr wenig konkrete Vorstellung, was man überhaupt beim Haar umsetzen kann. Ich arbeite zum Beispiel sehr gerne mit frischen Blumen oder coolen Akzenten. Was gar nicht geht: Ist da ein Löckchen und dort ein Löckchen. Also entweder rate ich zu einem reduzierten Look oder dem Gegenteil – ein Statement zu setzen. Alles dazwischen ist: Ich habe mich nicht getraut.

Wie machst du das mit den Echtblumen?
CW:
Ich sage der Braut, sie soll mit einen Mini-Brautstrauß mitbringen, mit einer Auswahl an Blumen, die lange halten. Es gibt auch Bräute, die Blumen im Haar haben wollen, die nicht so lange halten. Da muss man öfters wechseln und genügend als Reserve mit dabeihaben, die dann zum Beispiel von der Trauzeugin mit Einschulung von mir gewechselt werden. Es ist alles möglich. Man muss nur darüber aufklären.

Danke, Christine, für das spannende Gespräch.