12.09.2024
Alternative Ausbildung für Quereinsteigende: Wir haben zu lange gewartet
Andreas Födö initiiert mit WKO und WIFI in Vorarlberg die 6-monatige Ausbildung „Diplom Stylist“. Ein niederschwelliges Angebot für Interessierte und Betriebe. Wir haben nachgefragt.
Im Gespräch mit Katja Ottiger
"Ich kann einer 35-jährigen Frau, die Friseurin werden möchte, nicht sagen, sie soll sich in die Berufsschule setzen."
In Kooperation mit dem WIFI und der Landesinnung startet im Oktober der Kurs zum Diplom Stylist in Vorarlberg, den du konzipiert hast. Dieses Angebot soll den Berufseinstieg in 6 Monaten ermöglichen. Was steckt dahinter?
Andreas Födö: Die meisten von uns kennen das Unwort „Fachkräftemangel“, ein Drama das auch die Friseurbranche belastet. Reden nützt da nichts, wir müssen handeln. Mit dem „Diplom Stylist:in“ möchten wir eine Zielgruppe ansprechen, der es kaum möglich ist, den Weg einer klassischen Lehre zu gehen. Die Bedürfnisse, die Lebensgestaltung einer Person über 18 Jahren sind anders - Fixkosten, Betreuungspflichten ect. - als bei jemandem, der sich noch in Ausbildungspflicht befindet. Ich bin der Meinung, ich kann einer 35-jährigen Frau, die Friseurin werden möchte, nicht sagen, sie soll sich in die Berufsschule setzen.
Gerade Ältere brauchen schnellere, flexiblere und effizientere Konzepte. Das Problem des Fachkräftemangels und das Fehlen einer adäquaten Ausbildungsmöglichkeit für Quereinsteigende ab 18 haben mich motiviert, das Konzept „Diplom Stylist:in“ auf die Beine zu stellen. Unterstützt haben mich das Wifi Vorarlberg und die Innungsgeschäftsstelle der WKV inhaltklich auch als organisaorisch. Meine Branchenkolleginnen und Kollegen, allen voran Innungsmeister Günther Plaickner, standen sofort hinter meinem Vorhaben.
Wie ist der Kurs aufgebaut?
AF: Konzipiert ist dieser als Ganztages-Kurs mit begleitenden Salons, in denen die Teilnehmenden einen Monat lang für 30 Stunden mitarbeiten. Trainiert wird intensiv in kleinen Gruppen. Wir sind ein Team von drei Trainern, allesamt langjährig selbstständig und erfahrene Lehrausbildner, die wissen, was der Friseurmarkt in Zukunft braucht und wie die zukünftigen Mitarbeitenden ausgebildet werden müssen. Wir wollen die Lehre nicht ersetzen, sondern ein alternatives Angebot bieten.
"Wir wollen die Lehre nicht ersetzen, sondern ein alternatives Angebot bieten."
Wir übernehmen die komplette Ausbildung, die Unternehmen müssen nichts tun und können sich auf ihr Salongeschäft konzentrieren. Unsere Teilnehmenden werden sattelfest ausgebildet - von der Chemie über die Beratung bis hin zu Typstyling, Hochstecken, färben, strähnen, Balayage und Haare schneiden. Nach 6 Monaten bekommen die Betriebe einen top ausgebildeten und motivierten Mitarbeitenden ohne Trainingsabende oder Seminare, die sie hätten bereitstellen müssen.
Alle Fakten zum Kurs haben wir für euch aufgelistet: ►HIER
Start ist im Oktober mit 11 Teilnehmenden. Wie wird es in der Praxis ausschauen?
AF: Der Kurs ist gut gefüllt, 12 Plätze gäbe es, Interesse ist also da. Die ersten beiden Monate sind die Teilnehmenden 4 Tage in der Woche zum praktischen Training bei uns im WIFI. Sie sollten danach auf dem Stand des zweiten Lehrjahres sein. Im Dezember arbeiten sie in den Betrieben, die sie während der Ausbildung begleiten. Von Januar bis März kommen Schnittausbildung, kreative Farbausbildung, Hochstecken, Beratung und Verkauf dazu, alles, was es für eine salongerechte Ausbildung braucht. Im April folgt die Diplom-Prüfung. Diese ist eine kleinere Form der Gesellenprüfung - mit Prüfungsvorsitzendem, Arbeitnehmer- und Arbeitgebervertretern. Mit dem Diplom in der Tasche und einem nachgewiesenen Jahr einschlägiger Berufserfahrung in Vollzeit besteht für Teilnehmende die Möglichkeit, ein Ansuchen für die außerordentliche Lehrabschlussprüfung beim Prüfungsservice Vorarlberg zu stellen.
Was sind das für begleitende Betriebe?
AF: Es handelt sich um Betriebe, die auf der Suche nach qualifizierten Fachpersonal sind. Sie haben unterschiedliche Möglichkeiten und können so Kursteilnehmende entweder direkt anstellen, für die Zeit des Kurses in ihrem Salon anmelden oder aber einen Praktikumsplatz für den Praxismonat zur Verfügung stellen Andere werden über das AMS und den Verein zur Förderung von Arbeit und Beschäftigung (FAB) betreut.
Wie finanziert sich der Kurs?
AF: Es gibt unterschiedliche und individuelle Finanzierungsmöglichkeiten. Sowohl Betriebe als auch Teilnehmende können über unterschiedlich geförderte Modelle am Kurs teilnehmen bzw. eine Fachkraft gewinnen. Aber nicht nur die Innung, sondern auch gut ein Drittel der Angemeldeten sind Selbstzahler und der Meinung, dass eine gute Ausbildung Geld kostet und eine Investition in die Zukunft ist, die sich lohnen wird. Denn wenn man in kurzer Zeit einen Beruf neu erlernt, kann man in absehbarer Zeit auch damit Geld verdienen.
Bekommen die Teilnehmenden in der Zeit, in der sie in den Betrieben mitarbeiten, eine Entlohnung?
AL: Diejenigen, die den Praxismonat in einem Salon absolvieren, haben einen Arbeitsvertrag, sind in dieser Zeit versichert und müssen lt. geltender Lohnordnung bezahlt werden. Für weitere Informationen dazu steht die WKV jederzeit zur Verfügung.
Der Kurs ist eine anerkannte Ausbildung, die es derzeit nur in Vorarlberg gibt?
AF: Die Ausbildung wurde nach Qualitätsstandards des Wifis und angelehnt an die Ausbildungsordnung des Friseurberufs erstellt. Auch die Prüfungskommission besteht aus erfahrenen und qualifizierten Prüfern und Prüferinnen, rund um Innungsmeister Günther Plaickner. Die Anrechnung der Ausbildung für die Zulassung zur außerordentlichen Lehrabschlussprüfung wurde der Innung zugesagt. Anerkannt im Sinne des eben genannten. Also ja, Ziel der nächsten Jahre soll es sein, die Ausbildung in den Köpfen zu etablieren. Außerdem wäre uns nicht bekannt, dass es in anderen Bundesländern ein ähnliches Format gibt. Was nicht ist, kann aber noch werden.
6 Monate klingen sehr kurz, wenn man die der 3-jahrigen Lehre oder einer 18-monatigen Ausbildung gegenüberstellt.
AF: Wir haben mal zusammengezählt, wie viele Praxisstunden jemand in 3 Jahren Lehre konsumiert. In sehr guten Betrieben, in denen man einmal in der Woche trainiert, und wenn man die Berufsschule dazu zählt, sind das ungefähr 280 Lerneinheiten. In unseren Lehrgang kommen die Teilnehmenden auf knapp 600 Ausbildungsstunden. Damit können wir intensiv und mit hohen Qualitätsstandards ausbilden.
Wie kamen die Teilnehmenden zum Kurs?
AL: Das Team der WKV, des Wifis und Friseursalons, haben sich bemüht, die Informationen zur neuartigen Ausbildung über diverse Kanäle zu streuen. Sehr wichtig sind persönliche Gespräche und Beratungen oder auch Veranstaltungen wie das „Speed Dating“, das stattgefunden hat. Hier hatten Salons und Interessierten die Gelegenheit, sich zu finden.
Welche Altersgruppe haben die Teilnehmenden?
AL: Zwischen 22 und 57 Jahren, bunt gemischt. Das sind tolle Leute! Sie machen das nicht, weil sie nichts anderes finden, sondern entschließen sich bewusst, diesen Beruf lernen und ausüben zu wollen. Ich war 30 Jahre lang Unternehmer, ich wäre auf die Knie gegangen, hätten sich solche Leute bei mir vorgestellt.
"Wir brauchen schnelle, praktikable Lösungen für die Branche."
In der Berufsschule Feldkirch in Vorarlberg soll es nun die Möglichkeit der 2-jährigen Friseurausbildung geben. Was weißt du davon?
AL: Ich finde es gut, dass auch die Berufsschule auf veränderte Bedürfnisse reagiert. Allerdings unterscheidet sich das Angebot etwas in der Zielgruppe und Umsetzung. Generell denke ich: Je diverser das Angebot an Ausbildungen, umso besser für Quereinsteigende, eine entsprechende Ausbildung zu finden.
Mein Anliegen und Ziel von Anfang an war es, Fachkräfte auszubilden, unbürokratisch, rasch und in guter Qualität. Allein in Vorarlberg brauchen wir 200 Fachkräfte, um den Fortbestand eines adäquaten Angebots und nicht zuletzt der Friseurbetriebe zu gewährleisten. Jeder kennts mittlerweile: teilweise monatelange Wartelisten auf einen Termin und veränderte Öffnungszeiten. Die fehlende Kundschaft ist dabei lange nicht das Problem! Die Herausforderung sind fehlende Fachkräfte. Wir haben zu lange gewartet, wir brauchen schnelle, praktikable Lösungen für die Branche, um weiterhin eine gute Abdeckung der Kundenanliegen zu gewährleisten.
Über Andreas Födö:
- 30 Jahre Friseurunternehmen „Haar-Cult“ in Bregenz - mittlerweile verkauft
- Mitglied Innungsausschuss und Prüfungskommission in Vorarlberg
- Trainer im WIFI
- Konzeptentwickler Diplom Hairstylist
Ist die duale Ausbildung noch zeitgemäß? Und wenn nein, was wären Alternativen? Innung, Auszubildende, Lehrpersonal und Friseurunternehmen diskutieren mit uns und euch auf der imSalon Wien ... Schaut vorbei!►Alle Infos