01.08.2016
Adina Bürger weiß genau, wo ihr der Kopf steht
Es gibt selbstgemachten Salat und Aufstriche im L’Image eigenen Reiseabteil des Pausenraumes. Adina und ich begeben uns auf eine Reise in die Vergangenheit, ins eigene Gewissen, nach Indien und China und in die Zukunft. Es geht um Unternehmensübernahme und mütterliche Auflagen, um jugendliche Arroganz und darum, Vorurteile zu überwinden. Und es geht um Trainingsköpfe und ganz viel Wissen dazu. Also zurücklehnen und mitreisen!
Fakten:
geboren und aufgewachsen in Augsburg
Abitur, 3 Jahre Friseurausbildung, Ausbildung Groß- und Außenhandelskauffrau, Ausbilderschein IHK
Aktuelle Positionen:
Leitung Verkauf und Personal bei L’Image
10 Mitarbeiter
Verantwortlich für Ausbildungen im Haus: Kauffrau/mann für Groß- und Außenhandel und Büromanagement und Leitung Verkauf
u.a. Bayerische Meisterin Preisfrisieren
imSalon: Ihre Mutter Gabriele Bürger ist Friseurin und ehemalige Berufsschullehrerin und Begründerin des L'Image Familienunternehmens. Auch Ihr Vater ist seit 15 Jahren dabei. War es geplant, dass die Tochter ins Unternehmen einsteigt?
Adina Bürger: Nein! Ich wollte Veterinärmedizin oder Musik studieren. Ich liebe Tiere und seit meinem dritten Lebensjahr spiele ich Tasteninstrumente. Angefangen mit Melodica, Keyboard und Klavier, später Tenor Saxophon. Ich habe eine klassische Gesangsausbildung und singe in einer Band, „Delicious“, wir spielen häufig auf Hochzeiten, Taufen, Festen.
imSalon: Liegt das Musische in der Familie?
Das kommt von meines Papas Seite, der spielt Gitarre und Saxophon und ist ein ganz passabler Sänger (lacht). Das weiß er übrigens selbst!
„Ich bin ein Sicherheitsmensch“
imSalon: Wie kam es zum Unternehmenseinstieg?
Meine Eltern haben mir immer ins Gewissen geredet, mir bewusst zu machen, das es schwierig werden wird von der Musik zu leben, und das stimmt. Du musst entweder unfassbar gut sein oder spielst im Mittelfeld mit, dann hast du mal ein Engagement und dann mal wieder keines. Und dafür bin ich nicht der Typ. Ich bin ein Sicherheitsmensch. Die Entscheidung, das Unternehmen zu übernehmen, war letztlich ganz easy (lacht). Mein bester Freund und ich saßen zusammen und er meinte, dass meine Eltern eine gut gehende Firma haben und ob ich noch nie überlegt habe, da einzusteigen? Hatte ich aber nicht. Ich wollte etwas ganz Cooles, Hippes und Angesagtes machen, aber sicher nicht in einem Büro sitzen!
„Die Friseurausbildung machen zu müssen, war ein Schock für mich.“
imSalon: Wie kam die Entscheidung dann letztlich in der Familie an?
Meine Mama meinte nur: um Gottes willen (lacht).
Sie gab mir 5 Auflagen: Abi, Friseurausbildung, kaufmännische Ausbildung, Ausbilderschein und die Letzte: Mache dich selbstständig mit einer GmbH! Tja, ich habe die Auflagen erfüllt. Alle.
Obwohl, die Friseurausbildung machen zu müssen, war ein Schock für mich. Vom katholischen Mädchengymnasium kommend, da denkst du, dir gehört die Welt und ich dachte, ich kann doch mit Abi unmöglich eine Friseurlehre machen!
„Meine Vorurteile hatten sich schnell aufgehoben!“
imSalon: Wow, das ist aber schon schlimm …
Ja, unglaublich, oder? Und das, obwohl ich in der Friseurbranche groß geworden bin und mein Leben lang mit netten, tollen Friseuren zu tun hatte! Im Nachhinein frage ich mich oft: Was hast du dir dabei gedacht? Aber ich wollte das nie, das Handwerk und so, es hatte für mich einen schlechten Beigeschmack.
Aber meine Vorurteile haben sich schnell verschoben. Meine Mama schickte mich zu Oliver Bohn nach Lörrach und meinte, da bleibst du mal 6 Wochen und schaust dir das an. Der Erste, den ich kennengelernt habe, war Sebastian Pfister aus Österreich. Er hatte eine Gitarre dabei und ein Buch! Da dachte ich, der kann schon mal gar nicht so falsch sein! Die Ausbildung war anstrengend und interessant. Und ich habe Vollstoff gegeben, mit Preisfrisieren und allem! Für mich war klar, ich bleibe Friseurin.
imSalon: Tja, und dann?
… bekam ich eine Allergie. Meine Hände waren total offen, mein Nagelbett komplett zerstört. Ich habe beim Amtsarzt von der Berufsgenossenschaft einen Test machen lassen und es wurde mir ans Herz gelegt, mit dem Beruf aufzuhören. Sonntags und montags nahm ich Cortison, um die Woche zu überstehen, am Wochenende wieder Cortison. Auf Dauer war das keine Lösung … Aber ich hatte Plan B und bin nahtlos in die nächste Ausbildung geschlittert.
imSalon: Auflage Nummer drei: Kaufmännische Ausbildung.
Genau!
„Man kann niemanden überholen, wenn man in dessen Fußstapfen tritt.“
imSalon: Haben Sie Angst vor den großen Fußstapfen Ihrer Mutter bzw. vor der Verantwortung für Mitarbeiter?
Angst würde ich es nicht nennen, aber es ist eine riesen Herausforderung!
Meine Mama ist ein großes Vorbild für mich. Sie polarisiert einerseits, ist sehr extrovertiert. Sie weiß unheimlich viel über den Beruf und über die Branche. Meine Mama wollte das Unternehmen immer bewusst klein halten und gesund wachsen lassen. Sie hat sich sehr viel selbst beibringen müssen: Buchhaltung, Einkauf, Warenwirtschaftssystem… Mit diesen Dingen tu ich mir leichter. Aber ja, es sind große Fußstapfen. Aber ich bin der Meinung, dass man niemanden überholen kann, überholen kann, wenn man in dessen Fußstapfen tritt.
imSalon: Was haben Sie von Ihrer Mutter gelernt?
Bescheidenheit, das hat uns immer geprägt. Wir waren nie „aufhauserisch“, das war immer ganz wichtig!
„Ich habe von klein auf mitbekommen, dass man nicht nur EIN Hobby haben muss, nein man kann ruhig fünf oder sechs haben.“
imSalon: Ihre Mutter polarisiert? Gibt es etwas, dass sie besonders an ihr beeindruckt hat?
(Lacht) Ja, da gab es schon einige Sachen, bei denen ich dachte: „Mensch Mama“! Das krasseste war, dass sie vor fünf Jahren zu uns kam und sagte, sie fliegt jetzt für ein halbes Jahr nach Asien. Allein. Einfach so. Ohne Vorwarnung. Ich war gerade ein halbes Jahr in der Firma.
Oder vor zehn Jahren machte sie eine Ausbildung zur Make-up Artistin und darüber ist sie auch zu Ihrer Kunst gekommen. Alle Bilder, die Sie hier sehen können, sind von ihr. Das ist, was sie ausmacht: Ihre unfassbare Kreativität und Vielseitigkeit! Ich habe von klein auf mitbekommen, dass man nicht nur EIN Hobby haben muss, nein man kann ruhig fünf oder sechs haben: Kunst, Sport, Hunde, Katzen, Pferde, Skifahren. Ich verbringe mein halbes Leben unter einem Helm, ich denke, deshalb kommen bei mir auch nur lange Haare infrage.
imSalon: … die dann wer schneidet?
Marco Arena! Ausschließlich.
imSalon: Weil Sie ihn ansprechen, mit ihm haben Sie Auflage 5 erfüllt?
Ja, Marco Arena und ich kennen uns gut und haben uns selbstständig gemacht mit „Marco Arena Tools GmbH“: Hochsteckhandwerkszeug, spezielle Bürsten, Kämme, Pinbox …. Alles zu haben im Online Shop oder bei den Seminaren, die Marco gibt.
imSalon: Was waren denn die Anfänge von L’Image?
Mein Papa war als Dipl. Ing. für Maschinenbau beruflich immer viel unterwegs und brachte irgendwann einmal von einer Reise aus Malaysia aus Gaudi einen Katalog mit Trainingsköpfen mit. Das war 1989. Meine Mama hatte sich dann einfach mal welche um 5000,- Euro bestellt, die in der Garage gelagert, sich im freien Kinderzimmer ein Büro eingerichtet und ein Kleingewerbe gegründet. Und von dort aus hat sie die ersten importierten Köpfe an ehemalige Kollegen verkauft.
imSalon: Gibt es Pläne, Dinge anders zu machen? Und weiß das Ihre Mutter auch schon?
Ja, die gibt es. Meine Mama nimmt mich ganz, ganz ernst mit meinen Vorstellungen, Plänen und Wünschen, und darin, wie ich die Branche sehe. Seit 8 Jahren setze ich mich auseinander mit Kunden und Salons, mit Friseuren, mit Salonleitungen und Saloninhabern, mit der Industrie und Großhändlern, mit der Presse, mit Messen. Ich habe das komplette Feld abgedeckt, das weiß meine Mama zu schätzen. Und wir haben meistens den gleichen Geschmack. Wir sind uns unfassbar ähnlich, vom Charakter her, die meisten sagen auch vom Aussehen her, von der Mimik und Gestik. Sie lässt mich laufen und sagt, ich muss meine eigenen Fehler machen.
"Ich weiß, dass ein Trainingskopf jetzt kein Produkt ist, dass besonders sexy ist."
imSalon: Das L’Image Lookbook war eines der neuen Ideen?
Ich wollte immer schon mal ein eigenes Lookbook machen, ein Tool, das man den Leuten in die Hand geben kann. Ich weiß, dass ein Trainingskopf jetzt kein Produkt ist, dass besonders sexy ist und in der Anschaffung recht teuer.
Und unser nächster Coup wird sein, Education Videos zu machen, in denen wir mal aufklären, was man bei Übungsköpfen zu beachten hat, wie man die pflegt. Wir haben zwar nur 8 Prozent Reklamationen, aber die sind zu oft auf falsches Waschen oder z.B. die falsche Verwendung von Conditionern zurückzuführen. Diese Videos sollen auf USB-Sticks verteilt und beispielsweise als Unterrichtsmaterialien angeboten werden. Somit können wir dem Produkt einen zusätzlichen Mehrwert verschaffen.
imSalon: Die Trainingsköpfe sind 'Made in China', die Haare kommen aus Indien und werden aus religiösen Gründen gespendet. Die Tempel verkaufen diese Haare wiederum an Firmen wie Ihre. Was passiert denn mit dem Geld?
Ich war vor 4 Jahren in Indien, um mir genau das anzusehen. Die Tempel dort sind prunkvoll und unfassbar sauber, vor allem wenn man das im Vergleich zum restlichen Indien sieht. Um die Tempelanlagen herum gibt es Leute, die den Müll einsammeln und Gärtner, die die Anlagen pflegen. Ich gehe davon aus, dass sie neben dem vielen Gold genau diese Dinge damit zahlen.
„Das steht in keiner Relation. Wir sprechen hier von einem dreistelligen Millionenbetrag.“
imSalon: Ihre Mutter war schon einmal beim Spenden der Haare dabei. Wie läuft das ab?
Man wird durch ein „Kuhgatter“ geschleust, bekommt eine neue Rasierklinge in die Hand gedrückt und ein Schälchen mit einer Maske für die Pflege der Kopfhaut hinterher. Im Tempel setzt man sich an eine Rinne, dort sind dann auch die Scherer, die die Haare rasieren. Danach gibt es Reis und eine Art Gemüsecurry. Das steht natürlich in keinem Verhältnis zu dem, was dort umgesetzt wird. Wir sprechen hier von einem dreistelligen Millionenbetrag, den allein dieser eine Tempel umsetzt.
imSalon: Alle Achtung!
Ja! Eigentlich ist es so, dass die Existenz und das Aufleben von Extensions die Preise kaputt gemacht haben. Der Endverbraucher ist bereit, über 600 Euro für Extensions auszugeben. Das sind ungefähr 120 Gramm Haar, dasselbe, dass auch wir verwenden: Indisches Echthaar, in einer Chlorlösung veredelt und aufblondiert, um es europäischen Haar anzupassen. Mit Extensions lässt sich durchaus gut Geld verdienen.
Die günstigsten Trainingsköpfe gehen bei uns mit 32 Euro los, das sind dann 25 cm Haare und 103 Gramm. Kein Vergleich also zu den Preisen der Extensions. Die Haare werden handimplantiert. Das dauert einen ganzen Tag, hinzu kommen noch das PVC für die Haut, der PU Schaum, das Make-Up …
imSalon: Wie lange dauert ein Trainingskopf von der Bestellung bis ich ihn in den Händen halte?
Ein Kopf, der bereits im Sortiment ist, 3-4 Monate.
Wir gehen über Seefracht, das dauert schon einen Monat, hinzu kommt die Produktionszeit, die Verzollung im Hafen Hamburg; dann kommt der Container mit dem Zug nach München, mit dem Lkw dann hierher nach Täfertingen. Deshalb können wir nur bedingt schnell reagieren. Aber zum Glück stehen wir in engem Kontakt zur Industrie. Mit Wella, z.B. oder mit Paul Mitchell verbindet uns eine enge Beziehung. Das waren unsere ersten Industriekunden, mit denen wir zusammengearbeitet haben. Da findet regelmäßig ein freundschaftlicher Austausch statt, auch um vorzufühlen, was könnte passieren, wohin geht der Trend? Derzeit wollen alle wieder blonde Köpfe.
imSalon: Wie viele Köpfe hat L’Image auf Lager?
Puh, ich denke um die 15.000.
imSalon: Gibt es da einen Abverkauf?
Nein.
imSalon: Ein Museum?
Es gibt ganz viele alte Köpfe, die meine Mama aufgehoben hat, alleine schon, um die Entwicklung des Designs zu zeigen. Das ist lustig und interessant. Ein Museum haben wir leider nicht.
imSalon: Wenn die Köpfe in Asien hergestellt werden, wer entscheidet denn über das europäische Design?
Das machen wir. Man muss ein paar Dinge ganz klar festlegen. Die ovale Gesichtsform, das schmale Kinn, die Nase, die Augen, die Wangenpartie, Hautfarbe, Make-Up. Das dauert mindestens ein Jahr.
imSalon: Gibt es dafür ein Computerprogramm?
Nein. Ein neues Gesicht ist extrem aufwendig, die neue Mutterform, nach der die anderen Köpfe gemacht werden, kostet um die 25.000 US Dollar. Deshalb macht man das nicht allzu oft. Die Gesichter sind immer Geschmackssache. Bis vor fünf Jahren standen beim Wettbewerbsfrisieren vor allem osteuropäische Modelle auf dem Steg herum. Jetzt ändert sich das gerade.
Es geht vor allem immer um die Haare, die Stechweise, Stirnbreite. Meine Mutter hatte sich vor vielen Jahren das bewegliche Ohr einfallen lassen, um dahinter auch einmal einen Zopf ablegen zu können. Da sind wir Vorreiter. Aber die Branche ist so schnelllebig. Plötzlich kommen die Leute und sagen, sie hätten gern 80 cm lange, schneeweiße Haare. Dann bestellt man 500 Stück, das dauert ein halbes Jahr und in der nächsten Kollektion ist dann alles wieder hinfällig.
imSalon: Gibt es in der Entwicklung Rücksprache mit Friseuren?
Oh ja, das ist für uns ganz wichtig. Gerade mit den Trainern aus den Akademien.
imSalon: Dass die Produktion nicht gerade nachhaltig ist, kann man nachvollziehen, aber gibt es eine Art Rückholsystem ausgedienter Köpfe?
Nein. Man kann einen alten Kopf nicht neu implantieren. Der Aufwand ist zu groß. Denn man müsste unten den Stöpsel aufmachen, den festgewordenen PU-Schaum herausnehmen und wieder neu implantieren. Aber es würde die „Kopfhaut“ kaputt gehen machen. Hinzu käme der Aufwand, die Köpfe vom Kunden einzusammeln und wieder zurück nach China zu schicken und neu bestellen zu lassen. Das steht in keinem Verhältnis.
imSalon: Wie entsorgt man die?
Im Restmüll. Aber es schreiben uns immer wieder Kunden an, und fragen, was sie machen können. Dann holen wir sie schon mal wieder zurück und geben sie weiter, z.B. an Kindergärten. Oder an den Verein ProKapsogo, der sich in Kenia für die Ausbildung von Menschen einsetzt, u.a. auch für Friseure.
imSalon: Was ist, wenn ein Container stecken bleibt?
Dann haben wir keine Ware. Wir haben drei Produzenten, kurzfristig könnten wir uns Lieferungen über Luftfracht sichern, der Einkauf gestaltet sich generell schwierig und unberechenbar. Aber seit ein paar Jahren haben wir das gut im Griff. Wir setzen uns regelmäßig zusammen und beraten: Was wissen wir, was benötigen die einzelnen Firmen, welche Seminare sind geplant? Dann wird noch ein bisschen spekuliert ...
imSalon: Adina, eineinhalb Stunden sind vergangen. Vielen Dank für Ihre Zeit und die herrliche Verköstigung in Ihrem Hause!
Ja, das ist auch etwas, worauf meine Mutter bei uns allen hier in der Firma Wert legt. Dass wir uns gut ernähren, gemeinsam und in Ruhe essen. Und ganz wichtig: niemals vor dem PC!
imSalon: Und Sie halten sich daran?
Fast immer! (lacht).
www.limage.de
Das Interview führte Katja Ottiger
August 2016