Aaron Leufen | Credit: Michael Landl

12.11.2021

Aaron Leufen: 3 Lehrjahre sind nicht mehr zeitgemäß

„Duales Ausbilden“ ist aufs Abstellgleis geraten, Entsetzen über die Inhalte der Schul-Lehrpläne, Ausbildner werden allein gelassen, diese und viele andere Beobachtungen macht Aaron Leufen und regt Gedanken an, was Wir in Zukunft anders machen können und wie sich die Branche verändern soll...

Ein Kommentar zur aktuellen Nachwuchssituation 

Ungehörte Warnungen

Herbstzeit ist und viele Ausbildungsbetriebe haben jetzt schon den Blues – wo sind die Lehrlinge abgeblieben und/oder warum hat es mit ihm/ihr nicht funktioniert? Nach 8 Wochen Probezeit kennt man sich und für nicht wenige hat diese Zeit wohl gereicht, um dem Beruf den Rücken zu kehren statt die Haare vom Boden. Gleichzeitig bilden immer weniger Betriebe überhaupt noch Lehrlinge aus, eine sehr absurde Situation.

Immer wieder höre/lese ich viele Allgemeinsätze wie das Argument, ein gelockerter Kündigungsschutz würde mehr Salons motivieren, Lehrlinge aufzunehmen  – wäre dann die permanente, drohende Kündigung, der Verlust des Lehrplatzes, eine intrinsische oder extrinsische Motivation, um dem Beruf mit Liebe und Ehrgeiz, dem Lehrherrn mit Respekt zu begegnen? Auch das Lamento, mit der Jugend wäre nichts mehr anzufangen, ist so alt wie die Geschichte der Menschheit.

Das sind Argumente aus dem vergangenen Jahrhundert und diese angestaubte Denkweise passt sehr gut zu vielen unserer Altvorderen in der Branche.

Immer wieder betonen die „Granden“ der Branche, die Probleme wären vielfältig, warum uns plötzlich die Mitarbeiter wegbrechen, ganz besonders bei den Jungen. Dabei sind die Gründe gar nicht mal so schwer zu verstehen, sie sind ja schon seit Jahrzehnten gleich! Diese „Entwicklung“ kommt auch keinesfalls überraschend, die Warnungen sind ungehört geblieben von Ökonomen, Mahnern, Visionären, Insidern, Industrie.

Gründe

Wie kommt es zu dieser Misere? Ich lege in diesem Text den Fokus auf zwei Kernthemen, die auf so gut wie alle Lehrberufe zutreffen.

Zum einen sind es ökonomische Gründe – knapp 3 Jahre als Putzfetzen, Abwäscher, Zuschauer und Wurstsemmelholer für einen Hungerlohn missbraucht zu werden, um dann fachlich im Team Anerkennung zu bekommen, passt nicht so zum Anspruch vieler Eltern, die selbst viel Zeit, Geld und Mühen in ihre eigene Ausbildung investiert haben.

Und ökologische Gründe - unser Beruf hat sich nicht gut genug von Klein an professionalisiert, ohne Aus- und Weiterbildungswillen kommt niemand mehr weit, nirgendwo. Doch dafür müssten die Rahmenbedingen für (junge) Mitarbeiter stimmen – was offensichtlich so nicht ist, sonst wäre der Ruf aller Lehrberufe ja auf einer Stufe mit Universitäten oder Fachhochschulen.

Und genau diese Basis-Professionalisierung wurde geschickt „outgesourct“ an die Industrie, die Wissen, Kommerz und Marketing perfekt verschmolzen haben. Die Bundesinnung hat das verstanden und daraus einen FH-Lehrgang gebastelt – mit der Unterstützung der Industrie (!) - und das wird auch das Epitaph der Lehre sein.

Denn das teure und unflexible „duale Ausbilden“ ist aufs Abstellgleis geraten – die Auflösungserscheinungen sind kaum noch zu übersehen. Zu Recht - wer sich ernstlich beispielsweise mit dem Lehrplan der Schulen auseinandersetzt, muss entsetzt sein was da drinnen steht, während Ausbildner im Salon komplett allein gelassen werden.

Wissensvermittlung durch den „Lehrherrn“ wird in Lehrberufen seit jeher als ein rein autodidaktischer Vorgang wahrgenommen. Die vorhandenen Lehrlingsausbildungstrainings im WIFI sind einfachste Allgemeinplätze und keine berufsspezifischen Weiterbildungs- oder gar Ausbildungsprogramme, sondern reiner Selbstzweck – das müssen wir schließlich anbieten, aber dürfen/ sollen/ wollen uns nicht anmaßen, in das Herrschaftsgebiet des Lehrherrn einzugreifen. Schließlich wird er/sie schon wissen, was er/sie tut, es gibt ja auch noch die Meisterprüfung und so weiter… Dass hier nur Top-Leute dabei rauskommen ist illusorisch, aber auch das ist eins der ungeschriebenen Dogmen unserer Branche – was in jedem einzelnen Salon passiert, bleibt in diesem Salon. Jeder für sich. This is the way.

Ob wir in Zukunft mit Lehrlingswettbewerben, schicken (und unterkühlten) Image-Videofilmchen oder einer „Haarmania“ pro Jahr frisches Blut in die Branche bringen werden? Außerhalb unserer „Stylisten-Bubble“ interessiert sich kaum jemand für einen Lehrlingswettbewerb oder schätzt die Kreativität von Frisuren-Shows!

Was können Wir also in Zukunft anders machen, wie soll sich die Branche verändern?

Ich denke, 3 Lehrjahre sind nicht mehr zeitgemäß. Um (junge) Menschen berufsfit zu bekommen, braucht es die Berufsschulen in dieser Form nicht mehr und wenn, dann sollte sich zumindest der Lehrplan entschlacken. Hier noch immer stur den Schulcharakter zu verfolgen macht meiner Meinung nach keinen Sinn. Und es bliebe mehr Zeit für praktisches Training oder sogar Digitalkompetenz!

Mit einer verkürzten Lehrzeit sollten auch die Löhne deutlich ansteigen, insbesondere wenn wir „ältere“ Um- oder Einsteiger ansprechen wollen. Diese Möglichkeit gibt es über Stiftungen, nur hat bei diesem Modell der Dienstgeber in Wahrheit nur wenig „echte“ Salonzeit mit seinem Mitarbeiter - der Großteil dieser 18 Monate geht für Schulzeit drauf. Wenn uns schon die Jugend ausbleibt, so sollte sich die Branche öffnen für „Quereinsteiger“ wie Make-Up-Artists. Der Weg zum Stylisten ist inzwischen so fragmentiert, dass man schnell den Überblick verlieren kann – und da kommt dann Unsinn raus wie der „Herrenfriseur“.

Was bzw. Wer definitiv besser werden muss – der Ausbildner! Mit einem Trainer-Programm, das sich an Saloninhaber oder Top-StylistInnen richtet, konnten wir als Akademie einige TrainerInnen ausbilden, die in ihren Betrieben äußerst erfolgreich den Nachwuchs trainieren.

Ob sich mal was ändert? Das ist so wie mit der Dauerwelle, die jedes Jahr ihr großes, phänomenales Comeback feiert…die Hoffnung stirbt zuletzt!

Aaron Leufen