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16.03.2016

Abschaffung des Bargeldes - Kolumne Dieter Schneider

Weltweit ist sie schon längst im Gange. Nun ist die Diskussion darüber auch in Deutschland angekommen. Konkret geht es zurzeit in Deutschland erst um die Abschaffung des 500-Euro-Scheins und die Einschränkung von Barzahlungen, z. B. auf Zahlungen bis zu 5.000,- Euro. Dieter Schneider denkt in seinem Gastkommentar über eine Wirtschaft ohne Bargeld nach. Ist das überhaupt möglich?

Kurzfassung

„Friseure betrifft das nicht, kein Mensch zahlt mit 500 Euro-Scheinen“, ist in der Branche zu hören. Kurzfristig richtig, längerfristig sieht es aber ganz anders aus. Hier kurz zusammengefasst einige wichtige Aussagen von Dieter Schneider, die zum genaueren Lesen einladen.

  • 500-Euro-Scheine weg und keine Barzahlungen über 5.000,- Euro, das sind die harmlos erscheinenden „Einstiegsdrogen“ für den Weg, Barzahlungen immer mehr einzuschränken und dem fernen Ziel, Banknoten und Münzen als Zahlungsmittel abzuschaffen
  • Die Bekämpfung der Schattenwirtschaft durch die Abschaffung des Bargeldes ist kein unzutreffendes Argument, aber weder das einzige noch das wichtigste Motiv der Regierenden
  • Steuerhinterziehung ist in vielen Fällen Notwehr gegen die Steuer- und Abgabenkrake Staat
  • Kleine Selbständige mit ein paar Mitarbeitern, die vom Geschäft mit privaten Kunden leben, sind steuerehrlich oft nicht mehr existenzfähig
  • Jetzt kann in Deutschland eine allgemeine Registrierkassenpflicht kommen
  • Umsatzsteuerfreie Kleinstunternehmen bleiben auch da wieder verschont?
  • Private Altersvorsorge von Unternehmern illusorisch?
  • Viel ist auch da faul im Staate Deutschland und im EU-Staatenverbund....

Langfassung

Ein Prof. Schneider aus Linz wird mit seiner fragwürdigen Theorie, dass Bargeldumlauf und Schattenwirtschaft parallel laufen, dazu gern zitiert. Seine Theorie besagt, dass, je höher der Bargeldumlauf in Relation zum Sozialprodukt von Land zu Land ist, ist umso höher der Anteil der Schattenwirtschaft am Sozialprodukt. Von dieser Theorie hat sich der Professor klammheimlich verabschiedet, als der Euro für viele europäische Länder einheitliches Zahlungsmittel wurde. Schon zu DM-Zeiten war die genannte Theorie höchst fragwürdig, weil die deutschen DM-Scheine in vielen Ländern gehortet und gehandelt wurden. In einigen Balkanländern waren sie sogar eine Art Zweitwährung. Die Bekämpfung der Schattenwirtschaft durch die Abschaffung des Bargeldes ist kein unzutreffendes Argument, aber weder das einzige noch das wichtigste Motiv der Regierenden.

Warum ist das Schattenwirtschafts-Argument überhaupt glaubwürdig?

Auch ohne die Bargeldtheorie des Prof. Schneider weiß jeder aufmerksame Bürger, dass Schwarzarbeit und schwarze Umsätze möglichst bar abgewickelt werden. Wenn ein Handwerker fragt: "Brauchen Sie eine Rechnung?", dann ist klar, was damit gemeint ist: Bar und günstiger durch Einsparung der Umsatzsteuer. Der Handwerker spart die Einkommenssteuer. Bei vielen Geschäften, z. B. auf Flohmärkten, wird es gar nicht so gefragt. Da gilt: Nur Bares ist Wahres!

Mit Sicherheit werden Schwarzarbeit und Schwarzhandel bei Abschaffung des Bargeldes erschwert. Das wird allgemein als erstrebenswert angesehen, solange die Menschen nicht selber davon profitieren. Aber ist nicht Steuerhinterziehung in vielen Fällen Notwehr gegen die Steuer- und Abgabenkrake Staat?

Wenn z. B. eine Friseurunternehmerin 100,- Euro für eine sehr aufwendige Haarbehandlung einer Mitarbeiterin kassiert, muss sie mindestens 40,- Euro davon sofort an die öffentlichen Hände für Umsatzsteuer, Sozialabgaben, Lohnsteuern und Einkommenssteuern abliefern. Es ist schon häufig darauf hingewiesen worden, dass eine Friseurin fünf bis sieben Stunden arbeiten muss, um sich eine Stunde ihrer eigenen Arbeit leisten zu können.

So hart wie es klingt: Kleine Selbständige mit ein paar Mitarbeitern, die vom Geschäft mit privaten Kunden leben, sind steuerehrlich oft nicht mehr existenzfähig.

Sie müssen entweder größer oder zu Alleinunterhaltern werden. Alleinunternehmer gibt es im Handel und der Dienstleistung immer mehr. Typische Beispiele dafür sind Kosmetik-Institute oder Friseursalons. Davon gibt es in Deutschland über 120.000. Rund 50.000 erzielen einen Jahresumsatz (nicht Jahresgewinn!) von weniger als 17.500,- Euro pro Jahr. Die sind umsatzsteuerfrei und sie zahlen bestimmt auch keine Einkommenssteuer bei dem verbleibenden Gewinn nach Abzug der Fremdkosten. Davon können sie nicht leben. Da fast alles Frauen sind, sind sie oft Zweitverdiener. Prompt kommt die Erklärung für den niedrigen Umsatz und noch niedrigeren Gewinn aus den eigenen Reihen: Teilzeit und mehr ein Hobby. Im Einzelfall kann das durchaus sein, in der Regel ist es im wahren Sinne des Wortes eine Schutzbehauptung.

Jetzt kann in Deutschland eine allgemeine Registrierkassenpflicht kommen

Das kann als vorbereitende Maßnahme zur Abschaffung des Bargeldes gesehen werden. In Österreich gilt sie seit Januar 2016 mit einer kurzen Übergangsfrist. Von dort ist zu hören, dass angeblich der österreichischen Regierung fest versprochen wurde, dass Deutschland nachzieht. Vielleicht kommt die Registrierkassenpflicht erst einmal durch eine Hintertür. Die kann so funktionieren, dass die Konsumenten ein Recht auf bargeldlose Zahlung eingeräumt bekommen. Bei den Berliner Taxis ist das schon so. Bargeldlose Zahlung mit Kassenschublade, das geht nun mal nicht.

Wer eine elektronische Registrierkasse für bargeldlose Zahlungen hat, muss sie auch für Barzahlungen einsetzen. Schon jetzt gilt in Deutschland, auch noch mit Schonzeit; dass eine Registrierkasse Daten speichern muss, auf die bis zu 10 Jahren rückwärts ein Steuerprüfer Zugriff hat. Direkte Umsatzverkürzungen sind damit zwar auch nicht automatisch nachzuweisen, das ist aber gar nicht nötig. Ein paar kleine formale Fehler genügen, um die Kassenführung zu verwerfen und den „wahren“ Umsatz schätzen zu können. Die Beweislast dreht sich dann rum: Der Steuerpflichtige muss nachweisen, dass die Schätzung des Steuerprüfers nicht stimmt. Ein sehr teures und zeitaufwendiges Unterfangen, das häufig mit einem „Vergleich“ endet, weil von der Finanzverwaltung mit Schlimmeren gedroht wird. Zunehmend trifft das Kleinunternehmen mit wenigen Mitarbeitern, die früher nicht geprüft wurden.

Es ist aber für eine Übergangszeit auch möglich, dass umsatzsteuerfreie Kleinstunternehmen (also mit angeblich weniger als 17.500,- Euro Jahresumsatz) von der Pflicht zur Verwendung einer Registrierkasse und Annahme bargeldloser Zahlungen befreit werden. Die sind dann auch nicht „prüfungswürdig“. Das verschärft den Wettbewerb zwischen ungeprüften steuer- und sozialabgabenfreien Kleistunternehmen und voll steuerpflichtigen und prüfungswürdigen größeren Unternehmen noch weiter. Ein eklatanter Verstoß gegen den Grundsatz der Wettbewerbsneutralität des Steuerrechts.

Registrierkassenpflicht und Abschaffung bzw. Einschränkung von Bargeldzahlungen zielen in die gleiche Richtung: Den wachsenden Anteil der öffentlichen Hände am Einkommen der Bürger zu sichern. Das ist übrigens keine „moderne“ Entwicklung.

Neulich schrieb Jürgen Kaube in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung folgendes: „Der entscheidende Impuls zur Herausbildung des Geldes, wie wir es kennen, kam dabei von Zahlungen, die nicht auf Tauschfreiheit beruhten, sondern Pflichtzahlungen waren. Politische Zahlungen: Steuern und Gebühren. Administrative Verpflichtungen: Entlohnung im „öffentlichen Dienst“. Rechtliche Verpflichtungen: Strafen.“ Kaube bezieht sich dabei auf ein aktuelles Buch von Sitta von Reden: „Antike Wirtschaft“, Berlin 2015.

Mit der Einschränkung und Abschaffung des Bargeldes will der Staat die ihm bisher schon zustehenden „Pflichtzahlungen“ noch mehr als bisher sichern, aber auch den Boden für noch stärkere Zugriffe auf die Einkommen und Vermögen seiner Bürger vorbereiten.

Minuszinsen auf Bankguthaben sind praktisch auch Pflichtzahlungen an die öffentlichen Hände, denn die Banken reichen die Kosten für ihre Minuszinsen bei der EZB oder dem deutschen Staat an ihre Kunden weiter. Gerade hat die EZB die Minuszinsen für Geldanlagen der Banken bei sich von - 0,3 auf - 0,4 Prozent erhöht. Klingt harmlos, führt aber dazu, dass die Banken ihrerseits keine Haben-Zinsen mehr zahlen, die Sollzinsen und die Gebühren für die Geldaufbewahrung erhöhen. Wenn dann noch inflationäre Kaufkraftverluste dazu kommen, ist das eine schleichende Enteignung der Bürger. Damit die sich dieser Pflichtzahlung durch Bargeldhortung nicht entziehen können, wird Bargeld vollständig oder weitgehend abgeschafft.

Auszuschließen ist auch nicht, dass mit der Bargeldabschaffung auch der Zugriff auf die Geldvermögen der Bürger besser abgesichert werden soll. Eine groß angelegte Vermögensabgabe gab es in Deutschland schon einmal nach dem zweiten Weltkrieg. Sie nannte sich Lastenausgleich. Der betraf übrigens sowohl mobiles als auch immobiles Vermögen. Bei den zu erwartenden dramatischen Entwicklungen in Europa und damit auch Deutschland ist ein solcher zwischenstaatlicher und innerstaatlicher Lastenausgleich nicht auszuschließen, sondern wird immer wahrscheinlicher, wenn es mit dem schleichenden Vermögensverzehr durch Inflation nicht funktioniert.

„Warum nicht?, tönt es aus der linken Ecke: „Starke Schultern sollen mehr tragen“ und „Reichensteuer ist sozial gerecht.“ Da ist es nützlich, darüber nachzudenken, wer solche starken Schultern hat, also so reich ist, dass er etwas davon den öffentlichen Händen zusätzlich abgeben könnte. Da hilft ein kleines Zahlenbeispiel aus der Praxis weiter:

Altersvorsorge illusorisch?

Ein Selbständiger wird 65 Jahre und hat seine Altersversorgung privat aufgebaut. Seine Lebensversicherungen bringen ihm mit 500.000 Euro - ein schönes Sümmchen. Zu DM-Zeiten wäre er damit auch ohne Grundbesitz Vermögensmillionär gewesen. Aus seinem Unternehmen kommt er - was immer mehr der Fall ist - zu seiner Enttäuschung kaum über +/- Null raus. Er fragt seine Versicherung, wie viel er für sich und seine gleichaltrige Frau lebenslange Rente bekommt, wenn er der Versicherung das Geld lässt. Er kann froh sein, wenn er 1.650 Euro pro Monat bekommt. Hartz IV verdächtig ist das noch nicht, aber reich ist das auch nicht.

Wenn sich unser Selbständiger nun entschließt, sein Geld eigenständig zu verwalten, haben er und seine Frau das enorme Risiko, sehr alt zu werden. Dann ist nämlich das Geld, weil wenig oder überhaupt nicht verzinst, irgendwann ausgegeben. Wenn das Ehepaar keine Kinder hat, ist auch an innerfamiliären Lastenausgleich nicht zu denken. Wenn dann die berechtigten Sorgen der Betroffenen von nicht wenigen Medien als „irrationale Abstiegsangst reicher Menschen“ lächerlich gemacht werden, dann ist ein neuer „Wutbürger“ geboren, der darüber nachdenkt, ob nicht viel faul ist im Staate Deutschland und im EU-Staatenverbund...