04.02.2019

Stephan Conzen über Kleinsein, seine Glynt Nachfolge, Eigenmarken und Industriehörigkeit

Stephan Conzen mit Interview mit Raphaela Kirschnick über Kleinsein, seine Nachfolge bei Glynt, Friseur-Eigenmarken und die Industriehörigkeit der Salons...

imSalon: Bei Ihnen hat man immer das Gefühl, jeder mag und schätzt Sie. Wie schafft man es, der Liebling der Branche zu sein?
Stephan Conzen:
(lacht) Wenn die Geschäftspartner das Gefühl haben, dass man ihre Anliegen ernst nimmt und man sich selbst verantwortlich zeigt, sich diesen anzunehmen. Eigentlich weil man jemanden genauso behandelt, wie man selbst behandelt werden möchte. Dann ist es einfach!

Ist es einfach?
SC:
Das ist ein Vorteil jeder klein- und mittelständischen Firma: Man kann sich von A-Z einbringen, verwaltet nur wenig. Wenn in einem großen Industrieunternehmen eine Anfrage gestellt wird, heisst es „Ich geb das weiter“, vor lauter Weitergeben fühlt sich der, der das Anliegen hatte, nicht mehr richtig aufgehoben.

Man begegnet Ihnen sehr häufig. Gibt es für Sie ein Leben außerhalb der Branche?
SC:
(nachdenklich) Das ist in der Tat relativ kompakt (lacht). Doch, das gibt es natürlich auch, aber ich sehe meine Arbeit nicht als anstrengende Pflichterfüllung, sondern es macht Freude.

Glynt ist bekannt für Private Label und die Marke Glynt. Wann ist ein Kunde ein klassischer Private Label, wann ein Glynt Kunde?
SC:
Es sind die gleichen Rezepturen, nur in unterschiedlichen Verpackungen. Private Label wird mehr und mehr nachgefragt, viele Friseure sind frustriert, dass sie nicht mehr wettbewerbsfähig sind gegenüber billigen Online-Anbietern. Diese Salons wollen sich abheben und sehen ihr Heil in einer eigenen Serie. Ich kann diesen Schritt nicht vollumfänglich empfehlen.

Was empfehlen Sie?
SC:
Die Private Label Serien sind jenen vorbehalten, die einen so kraftvollen Dienstleistungsmarkennamen haben, dass sich die Kunden mit dem gelabelten Produkt identifizieren können. Man sollte schon schauen, ob es nicht auch kraftvolle Marken gibt, die online preisstabil sind – und Glynt ist eine der wenigen.

Wie viel % Anteil am Conzen Geschäft hält Private Label?
SC:
Die liegen bei 7-8%

Und wie schaffen Sie es, Onlinepreise zu halten?
SC:
Es gibt restriktive Elemente in unseren AGBs, die dafür sorgen. Wir beliefern nur Friseurbetriebe, keine reinen Onlinehändler, wie Amazon. Wir haben geregelt, dass der Weiterverkauf von Glynt Produkten an Gewerbetreibende untersagt ist. Damit möchten wir verhindern, dass ein Kunde die Produkte an einen Onlinehändler weiterreicht, der von uns unkontrollierbar irgendetwas anbietet.
Ein dritter Passus untersagt, die Produkte über Handelsplattformen anzubieten, wie Amazon oder Ebay. Und wir kontrollieren das.

Wie unterstützen Sie Kunden dabei?
SC:  
Wir schaffen erst gar keinen Produktüberschuss. Bei uns gibt es keine Naturalrabatte – es gibt kein 100+100, es kommt auch kein Außendienst von uns vor Weihnachten zum Kunden und bittet darum, seinen Jahresumsatz noch ein wenig zu steigern. Wir erziehen unsere Kunden dazu, wie ein modernes Industrieunternehmen zu agieren: Also „just in time“ – alles was gekauft wird, soll in den Regalen untergebracht werden. Wir stellen keine Keller und Garagen voll.

Wie hoch ist der durchschnittliche Verkaufsanteil in Glynt Salons?
SC:
Der deutsche Durchschnitt liegt bei einem Verkauf von 1,50€ pro Kundenbedienung. Wir haben solche Kunden, aber auch jene, die bei 10€ Verkauf/ Kundenbedienung liegen. Das ist natürlich davon abhängig, wie kompetent die Beratung in einem Salon erfolgt. Wir generieren eine hohe Nachkaufbereitschaft, aber die Erstanimation muss im Salon stattfinden.

Setzt ein Private Label Salon mehr um?
SC:
Wir hatten vor 30 Jahren mehr Private Label Kunden als heute. Die meisten sind umgestiegen auf Glynt. Das sind die einzigen Kunden, bei denen wir Vergleichszahlen haben und dort liegen die Umsätze heute mit der Marke GLYNT viel höher. Das waren eben Salons, für die eine Private Label Linie gar nicht die richtige Wahl gewesen ist.

Wer ist nicht geeignet?
SC:
Das heißt nicht, dass das nicht erfolgreiche Salons sind. Aber die Frage ist doch, ob es begehrenswert ist, ein Shampoo mit dem Namen „Ihr Salon im Einkaufscenter“ zuhause zu haben.

Hat das Vollsortiment Zukunft?
SC:
Vom kommerziellen Aspekt her auf jeden Fall. Durch die Mikronisierung der Friseurbranche gibt es jedoch das Phänomen, dass Produkte eher Salondekoration sind. Die Kleinstsalons werden kaum noch von Markenanbietern besucht. Wer also beim Großhandel bestellt, der bestellt eben von allem etwas – ob das wirklich eine Strategie ist, sei dahingestellt.

Eine Serie schafft Vertrauen nach außen und ist im Zweifel immer besser, als sich aus jedem Dorf einen Hund zu kaufen.

Viele Salons wenden sich von „den Großen“ ab, spüren Sie das?
SC:
Ja.

Wo liegt die Zukunft des Schulungsbereiches?
Nach wie vor im Persönlichen. Online kann eine gute Ergänzung sein, aber kann nichts ersetzen. Das ist kein Plädoyer gegen neue Wege, wie Webinare, das Persönliche jedoch darf man sich aber nicht sparen.

Gibt es digitale Education Pläne für Glynt?
SC:
Ja, aber nur als Add-on! Wir wollen fast alle Schulungsformate auch in Form eines kompakten Tutorials bereitstellen. Zum Anteasern bestimmter Seminare, aber auch als Ergänzung, zwischen Seminaren. 

Was halten Sie von Kundenclubs?
SC:
Ich würde sagen, Themenclubs wären besser. Bei 8.000 Kunden, wie soll der Club aussehen? Uns käme nicht in den Sinn, sie nach Einkaufs-Umsatz zu klassifizieren, wie das häufig in der Branche gemacht wird. Das ist kein Kriterium zur Bemessung der Güte von Kunden.

Was ist ein Themenclub?
SC:
Aus unseren Erfahrungen gibt es Themen, die sind besonders interessant für Filialisten und wieder andere Themen, die sind interessant für Einzelsalons. Z.B. ‚Zentrales Callcenter statt Rezeption‘ – super spannend, wenn man viele Filialen hat.
Wir versuchen das mit flexibler Themenzusammenstellung in unseren Businessseminaren/ Camps zu bewerkstelligen. Unsere Branche ist derart inhomogen, dass man viele Themen findet

Wie sieht es eigentlich mit Ihrer Nachfolge aus?
CS:
Ich habe das Glück, dass ich vier Geschwister mit insgesamt 13 Nachkommen habe. Eine Nichte von mir ist schon im Unternehmen und es gibt weitere angemeldete Interessenten. Das ist aber keineswegs ein Muss, es geht darum, dass man mit Freude und einer gewissen Nähe zur Branche am Start ist. Wenn das ein Externer ist, ist der uns ganz genauso lieb, wie jemand aus der Familie.

Conzen ist der Anführer der Kleinen“ meinte ein Friseur. Wie fühlt sich das an?
CS:
Ich gebe mich heute nicht mehr mit dem Begriff des Kleinen zufrieden, das ‚Klein-Sein‘ war so viele Jahre nicht immer positiv. Diese romantisch verklärte Kleinheit war schon oft strapaziös. Als wir nach vielen Jahren den Status erreicht hatten, dass ein Saloninhaber wenigsten unsere Marke kannte, war das sehr erfreulich.   
Heute werden wir auch von Filialisten als möglicher Lieferpartner in Erwägung gezogen. Früher konnten wir dort nur aufsammeln, was übrig geblieben ist. Das erste Mal sind wir eine wirkliche Alternative – früher sind die Filialisten nur von einem großen Anbieter zum anderen großen Anbieter gewechselt.

Heute ist es genau umgekehrt, da ist eher der Begriff „die Großen“ negativ besetzt.
CS: 
Die Filialisten trauen den Kleinen schon zu, gute Produkte zu machen, aber ‚den Kleinen‘ Anbietern wird bis heute nicht zugetraut, das ganze Paket inklusive Seminarwesen zu liefern. Uns traut man das jetzt schon zu. Wir haben einen Kunden mit 65 Filialen gewonnen und den haben wir in 10 Tagen eingeschult. Wenn uns das gelingt, können wir im Grunde überall antreten.

Beunruhigen Sie die aktuellen Filialisten-Insolvenzen, gerade im Norden?
CS:
Ja, das beunruhigt die ganze Branche, auch andere Friseure. Das zeigt, dass man auch als sehr solides Unternehmen nicht gefeit ist in der jetzigen Situation, die geprägt ist von Personalmangel, in Liquiditätsprobleme zu geraten. Das trifft auf jedes einzelne Geschäft zu, sehr viele leiden darunter.

Heisses Thema: Schwarzarbeit!?
CS:
Hat es immer gegeben. Die Politik ermöglicht jedoch die legalisierte Schwarzarbeit mit der € 17.500 Kleinstunternehmensgrenze, die soll ja noch erhöht werden. Das wird noch zu weiterer Ausdehnung der legalisierten Schwarzarbeit führen.

Sie sind gegen die Kleinstunternehmerregelung?
CS:
Ich verstehe nicht, warum nicht jeder, der ein Unternehmen betreibt, egal welcher Größe, das unter steuerlich gleichen Voraussetzungen machen könnte. Warum mit zweierlei Maß messen? Das ist eine absolute Wettbewerbsverzerrung, wo doch die Hälfte der Unternehmen aus EPUs besteht.

Wo könnte die Politik ansetzen?
CS:
Ich glaube, die Politik wird der Branche nicht helfen. Reduzierung des Mehrwertsteuersatzes wäre ein Punkt, der vor Jahren mal diskutiert wurde. Sinnvoll wäre das schon, im Bereich, wo ich nur Privatpersonen als Kunden habe, eine Leistung also niemals von der Steuer abgesetzt werden kann.

Eine zweite Sache ist der Personalmangel, im Handwerk im Allgemeinen. Es gibt den Trend zur Akademisierung und das Handwerk an sich hat vom Sozialprestige eingebüsst. Vielleicht wird es eine Renaissance des Handwerks geben, wenn die Millennials sich trotz Studium in Jobs wiederfinden, die man mit einem Realschulabschluss ebenso hätte machen könnte.

Die Mindestlohnforderungen von 12 Euro, wie Herr Scholz das fordert, da wäre ich einverstanden, wenn er gesagt hätte „Mindestlohn für alle mit abgeschlossener Berufsausbildung“. So sagen doch nur mehr junge Leute „Wozu soll ich eine Ausbildung machen, wenn ich ungelernt auch 12 Euro kriege“.

Abschließend etwas Positives: Was begeistert Sie aktuell in der Branche?
CS:
Eine gefühlte Wahrnehmung ist, dass Unternehmer sich von der Industriehörigkeit emanzipieren. Ob jemand Erfolg als Friseur-Unternehmer hat, hängt von ihm ab. Viele haben sich klein gemacht und dachten, ihr Wohl wäre vom Industriepartner abhängig. Aber jeder ist seines Glückes Schmied. Viele junge Leute sehen jetzt ihre eigene Wertigkeit klarer. Das ist doch eine erfreuliche Botschaft.

Ich danke Ihnen Herr Conzen für das Gespräch und wünsche Ihnen und Ihrem Team weiterhin viel Erfolg.