22.05.2025

„Nur an etwas glauben, weil es trendig ist, macht es nicht nachhaltig.“

Nachhaltigkeit ist für das Familienunternehmen Kemon kein Trend, sondern eine aus Überzeugung gelebte Markenrealität. Mit Inhaltsstoffen aus Pflanzen von den eigenen Feldern und dem Upcycling natürlicher Abfallprodukte setzt die italienische Marke neue Maßstäbe für natürliche Salonerlebniswelten.

Raphaela Kirschnick im Gespräch mit Giuliano Nocentini, Gründer und CEO von Kemon

Herr Nocentini, was ist das Herzstück der Kemon-Philosophie, und wie spüren Friseure das im Alltag?
Giuliano Nocentini: Nachhaltigkeit ist ein zentraler Wert unseres Unternehmens. Unsere Produkte enthalten sehr viele natürliche Inhaltsstoffe. Wir investieren kontinuierlich in Forschung, um unsere Produktion, unseren Betrieb und die verwendeten Inhaltsstoffe noch nachhaltiger zu gestalten. Gleichzeitig erweitern wir unser Education-Angebot, um auch in Friseursalons das Bewusstsein für Nachhaltigkeit zu stärken.

Sie leben Nachhaltigkeit. Für viele Friseure scheint das im Salonalltag jedoch noch eine Herausforderung zu sein – obwohl alle über Nachhaltigkeit sprechen. Wie kann Kemon als Marke hier unterstützen?
GN: Es kommt auf die Überzeugung an. Etwas nur zu tun, weil es im Trend liegt, macht es nicht nachhaltig. Man muss es mit echter Überzeugung leben und in allen Bereichen umsetzen. Wir werden diesen Weg konsequent weitergehen – auch wenn uns bewusst ist, dass nicht alle Friseure diesem Thema gegenüber aufgeschlossen sind. Doch diejenigen, die es sind, unterstützen wir mit ganzem Herzen.

Viele loben sich für ihre Nachhaltigkeit. Was ist aus Ihrer Sicht ein überzeugendes Argument?
GN: Wir haben seit vielen Jahren ein Patent auf einen Pflanzenwirkstoffkomplex – Sie kennen sicherlich den Velian-Komplex. Dabei handelt es sich um eine Kombination natürlicher Inhaltsstoffe mit beruhigender und pflegender Wirkung auf die Kopfhaut. Wir setzen diesen Komplex in Produkten vom Shampoo über Conditioner bis zur Haarfarbe ein. Die Heilpflanzen dafür bauen wir biologisch zertifiziert auf unseren eigenen Feldern rund um unsere Fabrik an. Das ist gelebte Nachhaltigkeit – vom Feld bis in die Flasche. Wir kontrollieren den gesamten Produktionskreislauf.

Sie sprechen viel über Upcycling. Was ist in diesem Bereich für die Zukunft geplant?
GN: Das ist ein besonders zukunftsrelevanter Bereich. Wir forschen derzeit an der Nutzung von Abfallprodukten aus der Bier-, Olivenöl- und Weinproduktion. Viel kann ich noch nicht verraten, aber Malzrückstände etwa besitzen hervorragende Eigenschaften – wir haben soeben ein Patent für ein neues Alkalisierungsmittel für Haarfarben angemeldet.
In Olivenblättern beispielsweise steckt Fescolan – ein Wirkstoff, der gegen freie Radikale wirkt – auch damit arbeiten wir. Unsere Produkte enthalten inzwischen bis zu 94 % Inhaltsstoffe natürlichen Ursprungs, selbst im Bereich der Haarfarben. Und wir werden unsere Bemühungen weiter ausbauen.

Entdecken Sie solche Wirkweisen eher zufällig oder durch gezielte Forschung?
GN: Natürlich kennen wir bereits die positiven Eigenschaften etwa von Olivenblättern. Auf dieser Grundlage betreiben wir gezielte Forschung – das kann allerdings Jahre dauern.

Friseure sind sehr kreative Menschen. Wie lassen sich Kreativität und Nachhaltigkeit verbinden?
GN: Nachhaltigkeit kann viele Facetten haben – auch Kreativität gehört dazu. Das schließt sich keineswegs aus. Dazu zählen auch der Umgang mit Mitarbeitenden, ethische und soziale Unternehmenswerte oder die Förderung von Weiterbildung. All das fällt unter gelebte Nachhaltigkeit. Wir arbeiten an all diesen Themen – und werden bald auch als B-Corp-zertifiziertes Unternehmen gelistet sein.

Gibt es internationale Trends, die Sie beobachten und in Ihre Produktphilosophie integrieren möchten?
GN: Ein klarer Trend ist das Wachstum im Bereich Haarpflege. In Europa steigt das Durchschnittsalter – das Haar benötigt dadurch mehr Pflege. Während der Markt für Haarcolorationen stabil bleibt, wächst der Pflegebereich kontinuierlich. Unsere Entwicklung konzentriert sich daher derzeit stark auf Produkte zur Rekonstruktion und gegen Frizz.

Das Friseurhandwerk hat es aktuell nicht leicht – Beschäftigtenrückgang, Nachwuchsmangel, Schwarzarbeit. Wo sehen Sie die Zukunft des Handwerks?
GN: Viele Salons entwickeln sich zu Erlebnis-Orten, gleichzeitig gibt es auch sehr günstige Anbieter. Dadurch polarisiert sich der Markt zunehmend – entweder günstige Masse oder hochwertige, professionelle Angebote. Der Mittelweg scheint weniger gefragt zu sein. Ich hoffe sehr, dass der hochwertige Bereich in Zukunft dominieren wird.

Was möchte Kemon in Zukunft tun, um den Friseurmarkt zu stärken?
GN: Aus- und Weiterbildung bleiben essenziell. Wir werden auch weiterhin nachhaltige Produkte entwickeln – und damit Friseuren Argumente an die Hand geben, die sie glaubwürdig an ihre Kundschaft weitergeben können. Ein erfolgreicher Salon muss sich kontinuierlich weiterentwickeln.

Herr Nocentini, ich danke Ihnen für dieses Gespräch und wünsche weiterhin viel Erfolg.