Michael Schlömer | Credit: Alois Müller

15.06.2022

Michael Schlömer: Ein Japaner kauft keine Schere für 100 Euro

Als Geschäftsführer des Solinger Familienunternehmens Haaro setzt Michael Schlömer auf Klingen aus Japan. Was Japaner anders machen, weshalb Kopfhaut noch kein Zusatzkonzept ist und er auf Schneideseminare setzt …

Im Gespräch mit Raphaela Kirschnick

Michael, du leitest Haaro in zweiter Generation, wie ist die Firma ursprünglich entstanden?
MS:
Ursprünglich ist Haaro sogar einmal als Tochter unseres heutigen Wettbewerbers Jaguar gegründet worden, wo man sich für den Vertrieb von Joewell interessierte. Ein guter Freund meines Vaters Dieter Schlömer sagte irgendwann mal, dass die Firma Joewell aus Japan eine Vertretung für Europa sucht. Die gemeinsame Zusammenarbeit hielt aber nur ca. 2 Jahre und mein Vater hat dann 1987 Haaro als alleiniger Inhaber übernommen. Ich selber bin dann im Jahre 1995 dazugestoßen.

Und der Name?
MS:
Die damaligen Chefs hießen Hardy und Rolf. Daraus wurde dann ganz kreativ HA_RO. Das zweite A hat man dann für die Haare noch mit reingenommen. Mein Vater zu diesem Zeitpunkt nur stiller Teilhaber. Die ersten Scheren wurden dann aus einem kleinen Büro im Keller unseres Elternhauses verkauft und versandt.

Und so kamen die Japaner nach Solingen?
Was ist aus deiner Sicht der größte Unterschied zwischen japanischen und Solinger Klingen?
MS:
Der Unterschied ist nicht riesengroß, von der Herstellung her ist es ja das gleiche Prinzip. Die Japaner haben allerdings von jeher extrem hohen Maßstäben an Qualität angelegt. Wenn man sich diese Samurai Vergangenheit ansieht, deren Schwerter und einzelne Techniken, dann waren die Japaner immer schon weiter vorne, auch was die Preise angeht.

„Japaner wundern sich über das niedrige Ausbildungsniveau in Deutschland.“

Sind Japaner bereit, mehr für Scheren auszugeben?
MS:
In Japan sind Friseure Schönheitsexperten! Sie haben eine viel längere und sehr intensive Ausbildung, verdienen mehr Geld und geben auch mehr aus. Japaner wundern sich über das niedrige Ausbildungsniveau in Deutschland.

Wann kamen die Kämme dazu?
MS:
1999 ist mein Vater leider verstorben, seither führe ich die Firma allein. Irgendwann Anfang der 2000er haben wir angefangen mit Carbonkämmen, 2005 haben wir die Firma Y. S. Park kennengelernt und bald darauf mit dem Vertrieb begonnen. Diese super-professionellen Kämme und Bürsten waren für den deutschen Markt eine Sensation. Das riesengroße Sortiment und die vielen Farbvarianten haben allerdings den Handel anfangs etwas überfordert. Wir mussten erst den Umweg über einige sehr erfolgreiche Messen gehen, um die Marke endgültig zu etablieren

Arbeitet ihr denn mit japanischen Akteuren?
MS:  
Mr. Young Soo Park, der Gründer von YS Park ist inzwischen sehr bekannt. Niemand kann die Anwendung seiner eigenen Werkzeuge so gut erklären, wie er selbst. Auf der TOP HAIR 2020 wäre er gerne auch auf der Bühne gewesen, aber die fiel ja bekanntlich aus. Seine Vorstellung von Ausbildung geht allerdings weit über das hinaus, was hier in Deutschland geschieht. Wir wollten das forcieren, aber das wird dann vielleicht doch etwas zu kompliziert.

Wie kam es zur Eigenmarke e-kwip?
MS:
Die haben wir gemacht, weil die Japaner gewisse Preiskategorien nicht produzieren wollen und können. Ein Japaner kauft keine Schere für 100 Euro. Hier gibt es aber einen Markt, zum Beispiel für Lehrlingssets und vor allem für junge, kreative Friseure, die trotz begrenztem Budget eine gute Schere wollen. Wir haben diese dann in Taiwan produzieren lassen und konnten Sachen machen, die die Japaner nicht machen wollten, bunte oder gebogene Scheren zum Beispiel. So ist e-kwip entstanden, als coole junge Marke für ein neues Preissegment.

Führt das zu mehr Reklamationen?
MS:
Wir nehmen unsere Qualitätsverantwortung sehr ernst und haben starke Qualitätskontrollen der Scheren. Dadurch haben wir eine geringe Reklamationsquote. Für uns ist das immer ein Zusammenspiel deutschen Qualitätsbewusstseins und günstiger Preise aus Fernost.

Made in China, Made in Japan, spielt das eine Rolle bei den Friseuren?
MS:
Ja, allerdings spielt für uns nur „Made in Japan“ wirklich eine Rolle, da das für Joewell und YS Park eine echte Qualitätsgarantie ist.

Scheren und Kämme und jetzt auch Haarkosmetik! Wie kam es dazu?
MS:
Das war ein reiner Zufall. Wir haben ‚Aromase‘ vor 7 Jahren auf einer Messe in Honkong kennengelernt. Die bieten einen medizinischen Ansatz, das ist weniger Shampoo und mehr Kopfhautpflege. Es geht darum, Kopfhautprobleme zu beheben, ein Ansatz, mit dem der Friseur seine Kompetenzen ausbauen kann.

Ist denn der Friseur bereit, das Thema Kopfhaut, umfangreicher anzugehen?
MS:
Da gibt es noch Luft nach oben. Viele Friseure beschäftigen sich lieber mit den schönen Seiten, als mit den oft unangenehmen Problemen der Kopfhaut. Wir haben Mikroskope, mit denen du deine Kopfhaut in 400facher Vergrößerung sehen kannst, was nicht immer schön ist. Daher sehen viele dieses Thema auch eher bei Apotheken und Dermatologen. Einige Profifriseure arbeiten jedoch schon begeistert und sehr erfolgreich mit Aromase. Mittlerweile ist Aromase auch für den Endkunden über Onlineshops erhältlich, wodurch die Bekanntheit und die Akzeptanz auch bei den Profis steigen wird.

Gibt es neue Produktgruppen, die ihr gerne ins Sortiment aufnehmen würdet?
MS:
Was Produkte angeht eigentlich eher nicht. Wir haben uns bewusst entschieden, nur mit professionellen Vertriebspartner zusammenzuarbeiten und da werden sie feststellen, da hat jeder sein Spezialgebiet. Natürlich schauen wir auch rechts und links, fokussieren aber eher auf den Ausbau unserer bestehenden Marken, wie zuletzt mit e-kwip plus. Und immer wichtiger wird auch die Weiterbildung.

Was ist im Bereich Education geplant?
MS:
Wir haben vor, zukünftig mehr im virtuellen Bereich zu arbeiten. Aktuell arbeiten wir eng mit Safet Skeric, Creative Director of Cut Arts bei Oliver Schmidt Hairdesign in Düsseldorf. Mit ihm haben wir viele Produktvideos aufgenommen, die wir unseren Vertriebspartnern zur Verfügung stellen. Besonders stolz bin ich auf ein 2-stündiges Schneidseminar „Big City Styles“ mit Safet, das qualitativ wahnsinnig gut und hochwertig geworden ist. (LINK) Wir haben das hochprofessionell von einer Fernsehfirma aufnehmen lassen. So was kann ich mir auch gut mit einem japanischen Akteur vorstellen. Wir haben sehr gute Partner im Bereich Live-Streaming-Events und da möchte ich noch hin.

Das klingt alles sehr spannend, Michael, weiterhin viel Erfolg und danke für das spannende Gespräch.

Wer ist Michael Schlömer
Michael Schlömer ist Geschäftsführer der Solinger Haaro GmbH, ein Familienunternehmen für den Vertrieb qualitativ hochwertiger Friseurbedarfs-Werkzeuge. Dazu zählen japanische Scheren, Messer, Klingen und Kämme der Marken Joewell, e-kwip, Y.S.Park und Feather. Aber auch andere Kategorien wie Haarschneidemaschinene und medizinische Kopfhautpflege.