Credit: Andrea Ganshorn | Sandrino Donnhauser

22.10.2019

Kommentar zum angekündigten Wella-Verkauf: Aller Guten Dinge sind drei, oder?

Als Ex-Wellanerin verfolge ich das Geschehen mit großer Neugier und bin wie jeder andere pumperl-neugierig. Gefühlt hunderte WhatsApps und Anrufe erreichten mich gestern zu diesem Thema - meine Gedanken schwirren...

Aller Guten Dinge sind drei, vielleicht ist es ja wirklich etwas Gutes, sogar Besseres, das da kommen wird!

Gemunkelt wird eh seit Jahren, immer wieder. Klar, ursprünglich wollte Coty das Parfum-Geschäft, es gab aber nur das Gesamtpaket. Jetzt stösst man es halt wieder ab. Wella ist ja auch nicht still gestanden, hat viel bewegt und erneuert unter Coty (Wella bewegt, neues Koleston, ...). Die Braut wurde gesund gehalten und geschmückt, man will ja auch ein gutes Geschäft machen.

Unter Mitarbeitern

Hört man sich unter den Mitarbeitern um, so hört man: "Ach uns kann nichts mehr schrecken - Coty war ein Fortschritt zu P&G, endlich hatte man das Familiäre wieder gespürt, was in P&G Zeiten verlorenging." Man sieht mit stolz auf seine Arbeit und weiß, man hat das Beste gegeben, jetzt wird es noch besser.

Der Gewohnheitseffekt besticht bei all jenen, die zu den Alt-Wellanern gehören, man hat halt schon viel erlebt in den Jahren. Klar sorgt man sich, ist verwirrt und bisweilen regiert Angst, zum Beispiel vorm Umzug nach Hamburg oder so, aber vielleicht bleibt man auch im Ströher Haus.

Die Wunschliste ist lang und Spekulatius wird gerade viel gebacken, nicht weil Weihnachten vor der Tür steht, sondern weil es Spaß macht mit Gott, den Friseuren und der Welt mit zu spekulieren.

Reaktion am Markt

Die Reaktion im Markt ist da schon weitaus pointierter: lachende Häme. Ich hab nachgezählt, es ist das am meisten kommentiergenutzte Emoticon. Klar entbehrt es nicht einer ordentlichen Portion Ironie, wenn man von einem Besitzer zum anderen gereicht wird, bleibt irgendwann zwangsläufig der Makel der ungewollten alten Jungfer kleben... will wohl keiner. Ob die Geschäfte nun schlecht gehen oder super ist längst irrelevant, man glaubt, was man glauben will oder in all den Scharaden zu erkennen glaubt.

Die möglichen Käufer?

So wird spekuliert von Henkelanern bis Unilevisten! Spielen wir das doch gedanklich durch:

Henkel: Der mit Abstand am meisten genannte Name. Die Traditionsmarke Schwarzkopf ist lebendig aktiv wie nie. Eingekauft wurde über die letzten Jahre viel und erst im vergangenen Jahr wurden klare Strategien erkennbar, wie mit Joico, Alterna und Sexy Hair umgegangen wird. Umgesetzt ist Vieles, allerdings erst in Ansätzen. Was will man da mit den vielen Wella Marken? Die Forschung & Entwicklung brauchen sie nicht. Sind es die Marktanteile in USA und Südamerika? Ist es der ultimative Wunsch L'Oréal die Stirn zu bieten?

L'Oréal wird im Übrigen gar nie erwähnt - warum eigentlich nicht? Es gibt ja nicht nur Wella im Portfolio, ghd und OPI sind starke Marken mit ganz anderer Marktausrichtung.

Unilever - wollen Sie oder wollen Sie nicht? Nachdem keiner so richtig weiß, was eigentlich mit Tigi los ist, könnte man sich endlich dazu durchringen, doch noch Fokus auf den Friseurmarkt zu legen, da hätte man mit Wella eine Mainstreammarke Tigi zur Seite gesetzt und gleich ein ganzes Portfolio im Friseur-Bau-Kasten.

Elizabeth Arden: Ha, spannend oder? Hier hat man ganz klar den Friseurmarkt im Visier.  Revlon Pro ist dafür noch viel zu klein und American Crew zu nischig. Jedoch wurden dort einige Branchengrößen an Land gezogen: Tobias Staehle, Anke Telthörster, Fouad El Assous - auch eine Strategie sich Königinnen und Könige aufs Schachbrett zu setzen, die brauchen jetzt Futter für die Kanonen.

Und dann gibt es noch die Ströhers, schließlich hausiert man wieder in deren Gebäude, also doch nur ein sentimentaler Akt?

Oder gibt es noch die große Überraschung? Mars Inc., Warner Bro.inklusive Filmerechte? Leisten können muss man sich das Ganze nämlich auch und das ist zweifelsohne der Knackpunkt, denn wer hat so viel Kohle...

Next Steps

Man kann natürlich davon ausgehen, dass die mediale "Verkaufsankündigung" nicht gleichzusetzen ist mit einer "Flohmarkt-Anzeige", frei nach dem Motto - jetzt fangt mal an zu bieten, in der Hoffnung, dass sich bis nächsten Sommer jemand findet. Dazu ist eine solche Abwicklung viel zu langwierig. Ich bin überzeugt, dass Peter Harf, Vorstandsvorsitzender von Coty Inc., genau weiß, was er tut und die Tinte für die Unterschrift bereits im Füller ist.

Wer die Schritte des Coty Bosses verfolgt hat, weiß: Da ist jeder Schritt sorgfältig überlegt.

Hut ab, wie kommunikationstechnisch vorgegangen wird. Wohlwissend, dass solche Aktivitäten jederzeit leaken können, hat man proaktiv mit einem motivierenden Dankesschreiben die Mitarbeiter (es liegt der Redaktion vor) ins Bild gesetzt - das ist Vorzeige-Kommunikation, auch wenn man den Inhalt nicht mag.

Immer besser man erfährt vom eigenen Chef was Sache ist, als aus der Presse - gut so.

Wir alle hoffen, dass, wer auch immer sich jetzt Wella und Co einverleibt ein echtes Interesse an den Friseuren hat, vielleicht sogar ein gewisses Gespür für den Markt, denn dann dürfen die vielen Mitarbeiter und die geschichtsreichen Marken doch noch auf ein Happy End hoffen.

Wir bleiben dran

Raphaela Kirschnick