08.07.2021
Hendrik Rumpfkeil: Wir sind die alte Industrie!
Gieseke wächst, hat große Ziele und startet eine Imagekampagne. Welche Rolle dabei Caipirinha spielt, wie jeder Kunde ein VIP sein kann und welcher Kampf niemals endet, darüber sprachen wir mit Geschäftsführer Hendrik Rumpfkeil
Im Gespräch mit Raphaela Kirschnick
Es ist aktuell sehr ruhig im Markt. Post-Corona-Müdigkeit oder Ruhe vor dem Sturm?
Hendrik Rumpfkeil: Es ist eine leichte Melancholie in der Branche zu spüren. Aber das liegt auch immer an jedem selbst, das zu kompensieren. Das ist eigentlich wie immer im Markt: Diejenigen, die jetzt aktiv sind, die sich Ideen einfallen lassen, die Aktionen machen, die sind gut ausgelastet und machen tolle Umsätze. Die, die sich hinsetzen und jammern, wie schlimm alles ist, bei denen wird’s noch schlimmer. Ich nehme an, das wird auch noch eine Zeit so weiter gehen. Ich befürchte die Verhaltensweise der Menschen hat sich auch ein bisschen verändert, weil sie gemerkt haben, man hält auch mal ein bisschen länger ohne Friseur aus.
Sie haben im Frühjahr eine Imagekampagne gestartet. Wozu?
HR: Ja wozu das Ganze? (lacht) Es geht schon darum zu zeigen, was Gieseke eigentlich alles kann und wofür wir stehen. Unser Kunde weiß das oft gar nicht. Der Slogan „Mach was du willst, aber mach es mit uns!“, den fanden wir spontan sehr gut und symbolisiert auch am besten, was wir eigentlich können.
„Wir können von klassischem Großhandel bis hin zu hochprofessionellem Markendistributor.“
Und das ist?
HR: Wir können von klassischem Großhandel bis hin zu hochprofessionellem Markendistributor. Als solche sind wir in allen Bereichen für den Kunden da, geben über 1.000 Salonschulungen im Jahr, haben 100 Außendienstler draußen, machen das, was Kunde will. Um das rüberzubringen, haben wir diese Imagekampagne gemacht.
„Gieseke … steht für etwas und wenn’s der Caipirinha auf der Messe ist.“
Haben Sie schonmal die Markenbekanntheit von Gieseke messen lassen?
HR: Nein, haben wir nicht. Eine Zeitlang war ich sogar so getrimmt, dass ich gesagt habe, Gieseke ist eigentlich egal, unsere Exklusivmarken will ich nach vorne bringen. Aber irgendwann ist uns dann aufgefallen, Gieseke ist eine Marke und steht für etwas! Wenn’s der Caipirinha auf der Messe ist – das ist Gieseke.
Ein Satz Ihrer Imagekampagne „Bei uns hat der Kunde vom ersten Tag mehr Geld in der Tasche.“ Auf was achten Friseure eigentlich mehr, auf Rabatte oder auf den Produktendpreis?
HR: Das kann man nicht verallgemeinern. Wir haben sehr viele Kaufleute unter unseren Kunden, es gibt aber auch die andere Seite, nach dem Motto „Gib mir 100% Rabatt“. Wir können dafür sorgen, dass ein Salon je nach seiner Klasse oder Kundschaft die richtige Marke hat und ab dem ersten Moment dann auch wirklich mehr Geld damit verdient.
Vergleichen Friseure eigentlich Preislisten von Hersteller und Großhandel oder geht es mehr um Sympathien?
HR: Es ist ein Mix. Der persönliche Kontakt zählt in unserer Branche glücklicherweise noch unheimlich viel, weil Vertrauen zählt. Dennoch gehen auch viele Kunden sehr kaufmännisch ran.
Was ist Gieseke bei der Preiskalkulation wichtig?
HR: Gieseke ist kein Billiganbieter, wir versuchen marktgerechte Preise zu machen, damit wir auch einen hohen Service aufrechterhalten können. Deswegen sind unsere Preise transparent. Wir sind im Gegensatz zu anderen sehr auf unterschiedliche Unternehmensgrößen ausgerichtet. Dementsprechend werden Konditionen immer individuell auf den Kunden zugeschnitten, ein kleiner Friseur kann die gleichen Konditionen erhalten wie ein Großer, das ist dann fair.
Soll heißen Kleinstbetriebe können die gleichen Konditionen erhalten wie eine Kette?
HR: Ja! Denn es wäre unfair, wenn ein zwei-Mann Salon, der sich sehr auf uns einstellt und aktiv mit unseren Produkten arbeitet, viel schlechtere Konditionen bekommt als ein 10-Mann Salon, bei dem wir nur das dritte Rad am Wagen sind.
„VIP Kunde bedeutet bei Gieseke nicht,
dass man 20 Mitarbeiter haben muss…“
Wie berechnen Sie das denn?
HR: Wir berechnen individuell das wirtschaftliche Potential auf Basis der Arbeitsstunden aller Salonmitarbeiter. Darauf rechnen wir eine Umsatzgrenze und je nach dem was erreicht wird, geben wir Konditionen oder Marketingpakete, sonstige Vergütungen, Reisen, aber auch Messekarten, etc. Daran sehen wir, dass ein Kunde mit uns partnerschaftlich zusammenarbeitet, und möchten diese Partnerschaft genauso wieder zurückspiegeln. Das empfinde ich persönlich als fair, weil wir damit Große wie Kleine gleichbehandeln.
Also jeder kann VIP sein?
HR: VIP Kunde bedeutet bei Gieseke nicht, dass man 20 Mitarbeiter haben muss, sondern es kann auch Susanne sein, die Ein-Mann Friseurin, die mit Gieseke lebt. Es wäre unfair, wenn ich dieser Dame keine Möglichkeit gebe eine kostenlose Messekarte zu erhalten, bloß weil sie eine Einzelkämpferin ist.
Was halten Sie eigentlich vom Begriff „Großhandel“?
HR: Viel! Das sind unsere Wurzeln und das ist eine unserer Kernkompetenzen, die wir nach wie vor ernst nehmen und auch gut beherrschen. Mittlerweile sind wir eher so eine Metamorphose zwischen reinem Markendistributor und Friseurgroßhandel. Ich finde es schade, dass der Friseur ein schlechtes Image hat, genauso wie der Begriff Fachgroßhandel. Heutzutage sind alle größeren Friseurgroßhandel hochprofessionelle Unternehmen, mit Weiterbildung, vernünftiger Logistik, etc. Aus Marketinggründen nimmt man dann lieber etwas moderner klingende Namen. Aber wenn sie mich persönlich fragen, ich bin stolz ein Friseurgroßhändler zu sein!
„Wenn ich irgendwann mal höre, ‚die Mutter Gieseke‘, dann bin ich stolz wie Oskar!“
Ist der Großhandel die neue Industrie?
HR: Ich würde eher sagen, der Großhandel ist die alte Industrie. Die neue Industrie will ich gar nicht sein, die finde ich nicht schön. Das ist nicht das, was ich als Kaufmann und als Person mag. Ich bin so froh, in einem menschengemachten Handwerker-Markt zu arbeiten. Die alte Industrie habe ich immer ein bisschen bewundert und beneidet. In Deutschland hat man früher gesagt: Die ‚Mutter Wella‘. Wenn ich irgendwann mal höre, ‚die Mutter Gieseke‘, dann bin ich stolz wie Oskar!
2022 – welche Pläne hat Gieseke in Punkto Sortimentsgestaltung?
HR: Unser Markt lebt von Innovation. Jetzt war es ja sehr eingeschränkt, was Messen und Innovationssuche angeht. Normalerweise verbringe ich locker 10 Wochen pro Jahr auf internationalen Messen. Unsere Lieferanten, die Innovationen in der Tasche haben, warten händeringend darauf ihre internationalen Distributoren wieder zusammenzuziehen. Deswegen gehe ich davon aus, dass es zumindest 2022 viele tolle Produkte geben wird.
Giesekes zukünftige Rolle im Markt?
HR: Da gibt es nur einen Weg und der geht nach vorne! Ich bin nach wie vor der Meinung, dass wir bei Weitem noch nicht da angekommen sind, wo wir eigentlich hingehören und ich glaube wir können noch viel, viel mehr. Das werden wir nicht nur mit Imagekampagnen versuchen, sondern auch mit wachsendem Außendienst, mehr Schulungen, auch digital.
„Digital … ich will nicht ersetzend, sondern verbessern.“
Pläne in Punkto Digitalisierung?
HR: Ich sehe digital als ideale Ergänzung und Hilfe für unseren Außendienst, für unsere Fachtrainer, für unsere Kunden, aber nicht als ersetzende Maßnahme. Ich will nicht ersetzen – ich will verbessern! Natürlich sind wir stark auf Instagram, Facebook und YouTube vertreten, wir haben eine Social Media Abteilung mit drei Leuten. Unsere Akademie produziert jede Woche mindestens zwei Schulungsvideos. Unser Außendienst ist recht digital, da haben wir einen guten Einklang zwischen Digitalisierung und persönlicher Bindung gefunden.
Pläne 22 für den Außendienst?
HR: So viel wie möglich dazu.
Pläne in Punkto Eigenmarken?
HR: Ja, haben wir, aber die werde ich dann verraten, wenn es so weit ist.
Wie entwickelt sich Morroccanoil?
HR: Es ist nicht mehr der Boom aus den ersten Jahren, aber unsere Umsätze sind auf hohem Niveau stabil und die Marke bleibt ein Türöffner. Wir haben gerade eine Morroccanoil Premium Salonmarkenpartnerschaft aufgelegt. Wir sind nach wie vor führend in der Ölkategorie, es hat kein anderes Industrieprodukt geschafft auch nur annähernd an unsere Umsätze ranzukommen. Das Sortiment hat sich in den vergangenen Jahren sinnvoll erweitert, sodass wir mittlerweile eine Marke sind und nicht nur ein Produkt. Da stehen auch schon einige Innovationen an.
„Es ist ein Kampf, der niemals endet.“
Wie halten Sie Morroccanoil aus dem Retail raus?
HR: Kennen Sie den Kampf mit der Hydra, der neunköpfigen Schlange? Schlägt man einen Kopf ab, wachsen ganz viele neue – genau so ähnlich ist das hier. Wir sind da sehr intensiv mit den Herstellern und den Kollegen aus anderen Ländern dran. Es ist ein Kampf, der niemals endet. Aber wir kämpfen ihn gerne.
Ihr Engagement bei Weiterbildung nimmt zu. Können sie günstiger als die Industrie sein?
HR: Ich will nicht günstiger als die Industrie sein, ich will besser sein!
Wie sehen sie die Zukunft des Friseurmarkts? Und wie kann und will Gieseke diesen mitgestalten?
HR: Also ich möchte ganz, ganz viel mitgestalten, je nachdem wie viel mich unsere Kunden lassen. Gieseke ist Partner des Friseurs, wir sind unterm Strich gesehen ein kleiner Familienbetrieb und viele unserer Kunden sind das auch. Wir haben einen wunderbaren Markt, und wir haben einen großen Vorteil: das Wort Handwerk kommt bei uns drin vor, Digitalisierung kann uns nur bedingt etwas anhaben.
Wie sieht es denn mit dem österreichischen Markt aus?
HR: Der österreichische Markt ist schon different zum Deutschen. Das musste ich am Anfang sehr schnell und intensiv lernen. Heutzutage sehe ich das sehr positiv – es kommen spannende Inspirationen aus dem österreichischen Markt. Der Austria Markt ist für uns sehr wichtig geworden und wir haben ein sehr tolles Team von mittlerweile 12 Außendienstlern.
Was sind für Sie die größten Unterschiede?
HR: Die Verbands- und Innungsstruktur, die in Österreich noch viel aktiver ist. Auch die Markentreue zu der Großindustrie ist in Österreich noch größer als in Deutschland. Die Offenheit und Feierlaune ist definitiv intensiver als die der Deutschen, weshalb ich immer wieder gerne in Wien und anderen Teilen Österreichs bin.
Also was braucht es dann noch?
HR: Jetzt müsste bloß noch der Friseur verstehen, welche wichtige Position er in der Gesellschaft hat. Das ist das Einzige, was mir weh tut, dass die Branche noch immer so negativ konnotiert ist. Der Friseur sollte diesen Schwung aus der Pandemie mitnehmen und damit beginnen seine Preise marktgerecht zu gestalten. Wenn jemand eine vernünftige Dienstleistung will, dann muss man vernünftig bezahlen, damit ich auch qualifiziertes und geschultes Personal habe, sonst kommen wir nie aus dieser Schmuddelecke raus. Die Wertschätzung hat in der Pandemie zugenommen und jetzt ist es an uns das auch zu nutzen.
Und ich freue mich so darauf mit Kunden wieder zu reisen, auf Messen zu sein – diesen persönlichen Austausch. 2022 werden wir versuchen, das was uns die letzten anderthalb bis zwei Jahre gefehlt hat wieder nachzuholen.
Vielen Dank Herr Rumpfkeil und weiterhin viel Erfolg!