Credit: Martin Steiger für imSalon

01.07.2016

Marina Kurz: Vom Ballett- aufs Seminarparkett

Mit Sprachbarrieren und Ballettdisziplin stellt sich Marina Kurz dem Friseur-Sein, liebäugelt mit der Forschung und wirft einen Blick aufs Image der Friseur*innen anderer Länder...

Im Interview mit Katja Ottiger
 

imSalon: Vom Ballett zur Friseurbranche. Du hast einen kreativen Beruf gegen einen anderen getauscht.
Marina Kurz: Ja. Mit 5 Jahren habe ich beim Ballett angefangen, mit 14 Jahren bin ich allein nach St. Petersburg zur Ballettakademie gegangen. Das waren harte Jahre. 8 Stunden Hochleistungssport ohne zu essen, weil man täglich auf die Waage musste, Perfektionismus bis ins Detail. Später habe ich im Mussorgski Theater gearbeitet und kam mit 18 Jahren ins Theater nach St. Pölten.

Du sprichst sehr gut Deutsch.
MK: Sprache ist eine Barriere, wenn du sie nicht beherrschst. Anfangs habe ich englisch gesprochen, aber das wurde immer mehr zum Problem. Wenn ich mit österreichischen Freunden zusammen saß und es gelacht wurde, verstand ich nichts. Und wenn dir jemand dann übersetzt, dann lachst du immer ein paar Minuten später, das ist nicht sehr spannend. Die Sprache war letztlich der Grund, dass ich zum Friseurberuf gekommen bin.

"Was du mit deinen Händen machst, das nimmt dir keiner weg."

Über die Sprache zur Friseurin?
MK: Ja, da kamen mehrere Faktoren zusammen. Ich hatte ein Angebot bekommen, als Tänzerin nach Salzburg zu gehen, gesundheitlich aber immer mehr Probleme mit dem Knie und privat war ich in St. Pölten verankert. Es war die Frage, gehe ich nach Salzburg und tanze, oder bleibe ich, höre komplett mit dem Ballett auf und mache etwas ganz anderes. Ich wollte etwas Kreatives machen, etwas mit meinen Händen und unter Leuten sein, um zu kommunizieren. Was du mit deinen Händen machst, das nimmt dir keiner weg.

Wie gut war dein Deutsch, als du im Salon deine Lehre begonnen hast?
MK: Ganz schlecht. Es war so schlecht, dass mir mal eine Kundin erzählt hatte, dass ihr Katze gestorben sei und ich habe immer nur gelächelt und gesagt: "Ja!… ja! …" Bis meine Kollegin mir einen Stupser gegeben hat und meinte, ich solle doch mal den Grinser aus meinem Gesicht nehmen (lacht). Sprache kann man nur wirklich gut lernen, wenn man versucht zu verstehen und sich traut, viel zu reden. Ob mit Fehlern oder ohne.

War dir bewusst, welche Möglichkeiten du als Friseurin haben kannst?
MK: Nein, damit hatte ich nicht gerechnet. Es gibt diese vielen verschiedenen Wege, sich zu entfalten. Ich dachte, Haare schneiden und färben, das sei schon alles. Aber wenn du den Job kennen lernst, dann ist es unglaubliches Wissen und es ist interessant: die chemische Zusammensetzung der Haarfarben und Pflegeprodukte, das Verstehen, was mit den Haaren in den Prozessen passiert.
Wer weiß? Vielleicht werde ich irgendwann in die Forschung gehen? Ich war mir immer sicher, ausschließlich in einem Salon stehen, das wird es nicht sein, ich liebe die Veränderung. Ich versuche, an meine Seminarteilnehmer weiter zu geben, dass wir mehr sind als „Friseure“. Wir sind „Stylisten“, denn es geht auch um Mode und Stil. Es geht immer auch um Training und Herausforderung und darum, neue Trendströmungen zu hinterfragen und anzupassen. Make-up einzubeziehen und zu beraten, welche Brillenform die richtige wäre. Oft schreiben mich Kunden über Facebook an und wollen genau solche Sachen wissen.

Welches Friseurimage hattest du vorher im Kopf?
MK: Ehrlich? Ich hätte mir nie vorstellen können, Friseurin zu werden! Das Problem vieler Friseure ist, dass sie selbst zu wenig über ihren Beruf reden und man nicht weiß, wie großartig dieser ist: Was man alles können muss, dass man Menschen verstehen und sehen muss und sich trauen sollte, eine eigene Meinung zu haben.

"Wenn du in Norwegen erzählst, du hast eine Hairstylistenausbildung, dann sagen die Leute: Hey, wow!"

Image Österreich versus Russland?
MK: Als ich nach Österreich kam, habe ich so viel Negatives gehört, wenn ich sagte, dass ich Friseurin werden möchte. Ich verstehe das gar nicht. Jeder braucht doch einen Friseur.

Meine Schwester lebt in Norwegen. Dort sind stolz, dass sie Friseure sind. Das liegt auch daran, dass sie besser verdienen, eine gute Ausbildung haben und für ihre Arbeit mehr verlangen. Wenn du in Norwegen erzählst, du hast eine Hairstylistenausbildung gemacht, dann sagen die Leute: Hey, wow!

In Russland sind die Friseure motiviert. Das fällt mir beim Color Zoom Challenge Wettbewerb immer auf. Ich war dort beispielsweise in einem durchschnittlichen Salon. Da hat sich die Stylistin 30 Minuten für mich Zeit genommen, allein, um die Farbe zu besprechen, denn ich wollte von blond zurück auf braun. In Russland greift auch immer mehr das amerikanische System mit der Stuhlmiete. Du kannst dort als normale Friseurin ein, zwei Sitzplätze mieten und alles, was du umsatzmäßig mit deinem Kunden machst, kannst du behalten. Die Produkte werden vom Vermieter bereitgestellt. Das wird neben den klassischen Salons immer mehr.

Tanzt du noch?
MK: Nein. Ich geh noch immer gern ins Ballett. Ansonsten mache ich lieber Kyte surfen oder gehe scaten, Schwimmen und Laufen. Ich überlege, mir ein Rennrad zu kaufen und mit Triathlon anzufangen.
Bewegung ist Ausgleich im Leben. Die Disziplin, die harte Arbeit, der Perfektionismus vom Ballett ist etwas, auf das ich heute aufbauen kann, nicht stehen zu bleiben. Ich bin meiner Firma sehr dankbar, dass sie mir ermöglicht, mich weiter zu entwickeln. Letztes habe ich gesagt, ich würde gern einmal nach London gehen und das sofort organisiert. Im Sommer werde ich zwei Wochen in der Londoner Akademie sein. Das ist großartig.

Kannst du dich künstlerisch in euren Shows und Seminaren einbringen?
MK: Ja, mittlerweile schon. Bei der letzten Color Zoom Tour habe ich erstmals die Choreografie gemacht und die Kunden waren begeistert, dass sich die Show mehr bewegt.

Färben, Schneiden, Langhaar?
MK: Langhaarbereich! Hochstecken. Avantgardistisches zum Austoben.

Als Trainerin: Was glaubst du, wohin entwickelt sich die Branche in puncto Weiterbildung? Zu großen Events, zu kleineren Seminaren?
MK: Ich denke, man muss beide Schienen bedienen. Es ist wichtig, Neues zu sehen und sich Inspirationen und Tipps bei Shows zu holen und dann wiederum in den Salonschulungen genau dort anzusetzen. Nur vom Zuschauen kann man das Praktische nicht lernen.

Wissen die Friseure in den Schulungen was sie brauchen oder kommen sie, weil der Chef meint, es wäre jetzt mal wieder soweit?
MK: Ich würde sagen, 50:50. Die einen machen das, weil sie sich weiterbilden wollen, die sind bereit für Neues. Das merkt man gleich, da geht mehr weiter. 50 Prozent kommen, weil es der Chef möchte, da ist es schwieriger die Energie aufzubringen. Auf beiden Seiten.

Ihr habt als Trainer die Freiheiten, Seminare neu zu konzeptionieren. Aber es gibt auch die Basisseminare, die aus Deutschland kommen und die ihr nach gleichen Richtlinien halten müsst?
MK: Ja, bei den Basisseminaren ist das so. Aber wir können für Österreich eigene Seminare entwickeln. Im letzten Jahr habe ich z.B. das Seminar „Fit for the Job“ komplett umgeschrieben und den Schwerpunkt mehr auf Kommunikation gelegt, denn hier liegen oft die größten Probleme. Wenn Lehrlinge mit 15 Jahren aktiv auf gleicher Augenhöhe mit Kunden kommunizieren sollen, brauchen sie Unterstützung. Ich lasse sie bewusst auf der Bühne frisieren, damit sie lernen, frei zu reden, wir machen Rollenspiele und Kameratraining. Das Feedback aus den Salons vom letzten Jahr war durchwegs positiv.

Sollte sich Weiterbildung im Gehalt widerspiegeln?
MK: Ich versuche immer auch die Unternehmer zu verstehen. Die meisten Unternehmen arbeiten mit dem Provisionssystem oder Jahresprämien. Wenn du besondere Leistungen erbringst, positives Feedback der Kunden bekommst und entsprechend Umsatz machst, erhältst du z.B. einen einmaligen Jahresbonus, ich denke das ist ein bewährtes System. Ja, Weiterbildung sollte sich widerspiegeln.

Was hältst du davon, dass bei Friseure allgemein der Trend dazu geht, sich Seminare vermehrt nach Inhalt, weniger nach Industriepartner auszusuchen?
MK: Ich finde das nicht schlecht. Jede Firma bietet Interessantes. Die Produktschulungen machst du ja letztendlich bei der Firma, mit deren Produkten du arbeitest. Wichtig ist doch, dass sich der Friseurberuf verbessert.

Hast du ein handwerkliches Vorbild?
MK: Ich mag die Seminare von Serge Moreau. Mir gefällt, was er mit seinen Seminaren im Friseur bewegt, dass es darum geht, ein Hairstylist zu sein, er legt Wert auf Beratung und Stil über die Frisur hinaus. Und das ist mein Vision für den Beruf.

Über Marina Kurz:

  • Geboren und aufgewachsen in Petrosawodsk, Russland
  • Ballettausbildung St. Petersburg | Theater St. Petersburg, St. Pölten
  • Lehre bei Haarstudio Struwelpeter in St. Pölten
  • Friseur Gotschim, St. Pölten: Visagistenausbildung, Stylingberatung, Führungsseminare, Salonleitung, Lehrlingsverantwortliche:
  • Matura und Meisterprüfung
  • Seit 2014 Fachtrainerin bei Goldwell / KAO