Peter Schaider über das Totalversagen bei Corona | imSalon

06.11.2020

Peter Schaider: Totalversagen bei Corona

Die Corona-Zeit deckt die Schwachstellen im Lobbying für Friseure auf: zu wenig Sprachrohre in der Politik, mangelhafte Kommunikation und warum es im zweiten Lockdown ganz anders hätte laufen sollen...

Peter, heute ist ein ganz furchtbarer Tag, wir sind im neunten Corona-Monat und am Tag nach dem Terrorattentat in Wien. Wie läuft euer Geschäft?
Peter Schaider:
Heute sind die Geschäfte fast leer, es traut sich ja keiner raus. Aber das wirkt sich zusätzlich auf die Gesamtsituation aus, die ähnlich katastrophal ist.

Was siehst Du aktuell als die noch größte Corona Herausforderung?
PS:
Abstände einhalten und Hygienemaßnahmen konsequent umsetzen, das fordert alle Mitarbeiter. Wir hoffen, dass bald ein Impfstoff gefunden wird, der dem Ganzen ein Ende setzt.

"Geöffnet im zweiten Lockdown... glücklich bin ich damit nicht." 

Friseure dürfen im zweiten Lockdown geöffnet bleiben? Wirkt sich das geschäftlich aus?
PS:
Naja, ganz so glücklich bin ich damit nicht. Die Gastro hat da schon super verhandelt und erhält 80% ihres Vorjahresumsatzes, kann Mitarbeiter in Kurzarbeit schicken, das noch mit 100% abgegolten wird. Unter diesen Konditionen hätte ich auch gerne 4 Wochen nichts getan. Auch da hat unsere Bundesinnung total versagt.

Die Innungen haben doch sehr viel gemacht und angeregt...
PS:
Was haben die denn gemacht? Die Bundesinnung sitzt in Salzburg, Tirol und Kärnten, hat keine politisch relevanten Kontakte. Ein Bundesinnungsmeister braucht eine politische Lobbykraft in der Regierung und das haben wir nicht. Es gibt kein erkennbares Netzwerk, wie soll man da irgendetwas bewegen.  Die gesamte Wirtschaftskammer hat in der Corona Situation versagt.

Im Vergleich zu Deutschland hat die Innung schon einiges für unsere Branche herausgeholt, unsere Auflagen sind bei Weitem nicht so strikt wie bei den Nachbarn.
PS:
Naja, da habe ich im Hintergrund schon auch meine Kontakte geltend gemacht und massiv gewirkt. Den Fixkostenzuschuss habe ich gemeinsam mit dem Spar-Chef Markus Wild als Unternehmer mitverhandelt und die 75% Kostenersatz im Schließungszeitraum angestoßen. Da haben wir viel weitergebracht.

"Es wird über uns gelacht..."

Hättet ihr euch da nicht auch für weitere Begünstigungen wie in der Gastro einsetzen können?  
PS:
Schau, ich persönlich bin kein Branchensprecher, sondern ein erfolgreicher Unternehmer. Die Innungsvertreter haben allesamt kleine Betriebe, da ist es doch egal, was passiert, es ist ja nichts verhandelt worden. Zum Beispiel beim Versuch die Lohnerhöhung auf Oktober zu verschieben, ich habe schriftlich von der VIDA, dass man mit ihnen dazu nie das Gespräch gesucht hat. Es wird über uns gelacht.

Wer lacht denn über uns?
PS:
Zum Beispiel die Gastronomie, weil wir Friseure unfähig sind, etwas zu erreichen. Wenn ich es nicht schaffe, etwas durchzusetzen oder zu erreichen, dann muss ich doch irgendwann hinterfragen, ob ich erfolgreich bin und vielleicht andere ans Ruder lasse. Was ist denn passiert mit Mehrwertsteuerreduktion, Lohnnebenkostenreduktion und so weiter?

Wolfgang Eder hat in Salzburg Gratis-Coronatests für die Friseure bereitgestellt, alle anderen Bundesländer wollten da nicht mitmachen. Es sind nicht alle Entscheidungen auf Bundesebene durchzusetzen.
PS: Da fehlt es an Uneinigkeit, da fehlt die Kommunikation oder die Führungskompetenz, das kannst Du dir aussuchen. Es wäre sicher sehr viel mehr möglich.

Warum wirst Du nicht in der Innung stärker aktiv?
PS:
Ich bin Landesinnungsmitglied in Wien und in Niederösterreich, mehr habe ich nicht vor. Aber ich bleibe in der Innung, denn es geht mir darum, das Berufsimage weiter zu stärken. Mein Sohn soll das Friseurunternehmen übernehmen und ich will nicht, dass er in einer Branche arbeitet mit schlechtem Image, das in den letzten 10 Jahren mit Füssen getreten wurde.

"Das ist für mich Thema verfehlt!"

Jetzt wird immer wieder die Innungsarbeit kritisiert, machen will sie aber keiner, vor allem nicht die Jungen. Das ist ein Dilemma!
PS:
Ich bin der größte Lehrlingsausbilder in Wien und Niederösterreich. Wir haben auch dieses Jahr wieder tolle Lehrlinge. Aber wenn ich mit vielen spreche, dann heißt es doch wieder „nur Friseur“– es muss endlich ein neuer Name her, Hairstylist & Visagist! Alles, was die Innung gemacht hat, ist es, die Lehrlingsgehälter anzuheben. Die Löhne sind um ein Drittel gestiegen, aber die Anzahl der Lehrlinge ist um ein Drittel gesunken. Das ist für mich Thema verfehlt!

Ok, das hatten wir ja bereits in einem unserer letzten Interviews. Wo würdest du dein Geld hinlegen, wenn du Innungsmeister wärst?
PS:
Es gibt große Budgets, wenn wir alle Gelder aus ganz Österreich bündeln würden, dann könnten wir eine großartige Imagekampagne fahren. Aber das wurde versäumt, da hat die Innung ebenfalls versagt.

Und was sind die Lösungen? Sprichst du denn mit anderen Unternehmen?
PS:
Ja sicher. Schau, ich habe das Auhofcenter aufgebaut, mittlerweile haben wir einen Bekanntheitsgrad von 95%. Dafür machen wir unglaublich viel Werbung, das hat dazu geführt. Was haben wir in der Friseurbranche? Nichts! Da gibt es überhaupt nichts. Stattdessen haben wir mehrere Hunderttausend Euro in die Haarmania gesteckt, was nichts brachte.

Es gibt Industrie, es gibt Innungen, große Friseure, jeder kann da doch mitreden.
PS
: Ganz einfach: Die heiligen 3 Könige, der Bundesinnungsmeister und seine Stellvertreter, entscheiden, was mit dem Geld geschieht. Dann gibt es noch das Problem der Freunderlwirtschaft, da kommt im Moment ja keiner rein.

"Es gehört eine neutrale Person oder Agentur her, Profis..."

Also das weiß ich nicht, aber was wäre dann dein Vorschlag?
PS:
Profis, es gehört eine neutrale Person oder Agentur her, die am Image arbeitet, das verkörpert und leitet und am liebsten eine Frau. Schau Raphaela, ich kann mit dir nicht über Onlinemagazine debattieren, da kennst du dich viel besser aus und machst einen ganz tollen Job. Ich kann dir doch auch nicht erzählen, wie das funktioniert, genauso wie du mir nicht sagen kannst, wie man Haare schneidet.

Und wie hilft das Nachwuchs zu finden?
PS:
Wir müssen Möglichkeiten für junge motivierte Leute schaffen. Derzeit sind zuviele alte Menschen an der Front und ich darf das sagen, ich bin ja auch schon 60. Ich habe 4x den Austrian Haircongress veranstaltet und das war immer zumindest kein finanzieller Verlust. Das geht aber nur mit starken Partnern. Jetzt gehe heute mal zu einer der großen Firmen, die schütteln mit dem Kopf und drucksen herum.

Und wenn ihr Haarmania und die Messe zusammenlegt?
PS:
Das wäre vernünftig, aber es kommt leider nichts zustande und das liegt nicht an mir.

Peter, danke für deine offenen Worte, weiterhin viel Erfolg und bleib gesund!