Marcus Eisinger, Landesinnungsmeister der Friseure Wien | Credit: Martin Steiger

02.10.2020

Marcus Eisinger: Wir brauchen keinen Friseur, sondern einen Lobbyisten an der Spitze

Gratis-Tests für Friseure, Wiener Wahlkampf und die Position des Bundesinnungsmeister. Ein Talk mit dem Mann an der Spitze der Wiener Friseurinnung ...

Viele Unternehmer in Wien fordern unbürokratische und schnelle Gratis-Tests für MitarbeiterInnen, ähnlich der im Tourismus. Wie schaut es aktuell aus?
Marcus Eisinger:
Tourismusministerin Elisabeth Köstinger möchte mit diesen Gratistests dem Tourismus ganz speziell unter die Armen greifen, denn vor allem der Städtetourismus steht besonders schlecht da. Allein das Hotel Sacher hat gerade erst 140 Mitarbeiter entlassen! Das sind ganz andere Dimensionen als in unserer Branche. Aber ja, diese Tests sind ein großes Thema, für viele Branchen.

Dies sehen viele Friseure sicher ein, finanziell hilft ihnen das in ihrer Situation aber nicht weiter.
ME:
Wir alle befinden uns in einer Ausnahmesituation, das muss man auch mal objektiv richtig betrachten und gewichten. Es ist ein Unterschied, ob ich wenig bis null Einkommen habe oder die Möglichkeit, unter erschwerten Bedingungen, mein Einkommen zu sichern.

Gibt es Hoffnung auf Gratistests für Wiener Friseure?
ME:
Ich habe Freitag letzter Woche bei der Spartenobfrau nachgefragt und warte auf Feedback, so wie Innungsmeister anderer interessierter Branchen auch. Es gibt Pharmafirmen, die derzeit Tests servicieren und an der Personalakquise arbeiten, um die Tests anbieten und umsetzen zu können. Vor zwei Wochen wurden in Wien an 3000 BWL-Studenten Schnelltests durchgeführt, mit denen die Ergebnisse binnen weniger Stunden da waren. Diese Schnelltests sollen ca. 20 Euro kosten, sind aber noch nicht valid, denn es müssen noch Gegentests abgewartet werden.

In Wien gab es die Gastrogutscheine von 25 oder 50 Euro pro Haushalt. Warum gab es keine Beauty-Gutscheine?
ME:
Diese Gutscheine wurden vom Wiener Wirtschaftskammerpräsidenten Walter Ruck und dem Bürgermeister Michael Ludwig initiiert, um die Gastronomie, die mit massiven Startschwierigkeiten zu kämpfen hatte, zu unterstützen. Bei den Friseuren war das nach der Wiedereröffnung ganz anders, die wurden überrannt.

Es gibt Wiener Kollegen, die den Informationsfluss vonseiten der Innung kritisieren. Was ist hier die Herausforderung?
ME:
Das ist im Moment schwierig: Wir haben hier selbst mehrere Covid-Fälle und Homeoffice. Zudem ist ein Großteil der Mitarbeiter mit der Abwicklung der Sozialforderungen ausgelastet und regelt die Auszahlungen und Überprüfungen der Härtefälle. Aber auf der Corona-Seite der WKO kann jeder alle aktuellen Entwicklungen nachlesen, diese Seite wird immer sofort aktualisiert.

Warum bietet die Wiener Innung nicht die WKO Friseur App an? Mit der könntest du deine Mitglieder schnell erreichen.
ME:
Wir klären das gerade ab. Aber prinzipiell ist es so, dass wir nicht alles, was dieBundesinnung macht, als Landesinnung vertreten bzw. rechtlich mittragen können. Wir hier im Osten haben eine andere Rechtsauslegung als die im Westen.

„Der Landesinnungsmeister ist der Zuständige seines Bundeslandes,
die Bundesinnung nicht sein Vorgesetzter.“

Du willst also deinen eigenen Zugang zur App?
ME: Ja, denn die Bundesinnung hat laut dem Kammergesetz nicht die Berechtigung, auf die Mitgliederkontakte der Landesinnung Wien zuzugreifen und sie ist nicht für die Weitergabe der Informationen der einzelnen Landesinnungen zuständig. Denn ich kann nicht für Informationen grade stehen, die ich nicht kommuniziert habe. Der Landesinnungsmeister ist der einzig Zuständige in seinem Bundesland und die Bundesinnung nicht dessen Vorgesetzter.

Normalerweise setzt du in deiner Kommunikation auf Facebook. Mir scheint, es ist da jetzt etwas ruhiger, oder?
ME:
Das stimmt. Innungsmeister sein ist ein Vollzeitjob und die Leute verlangen, dass man 24/7 zur Verfügung steht. Ich habe gemerkt, dass meine Lebensqualität dafür nicht ausreicht und ich nicht jeden Kommentar beantworten kann. Ich habe zurückgeschraubt: Ich habe mein Telefon auf Bürozeiten umgestellt und bin für Mitglieder nur noch von 8 bis 16 Uhr erreichbar Außerdem halte ich es für den falschen Weg, gewisse Dinge über Facebook zu kommunizieren, für alle Mitglieder-Belange gibt es bei der Innung Email und Telefon.

Du trittst im Wiener Wahlkampf an. In welcher Funktion?
ME:
Als Bezirksspitzenkandidat für die ÖVP Meidling.

Und wie siehst du eure Chancen?
ME:
Eigentlich ganz gut. Wir bemühen uns, eine gute Mitte-rechts Politik zu fahren. Unsere direkten Mitbewerber sind die FPÖ und Strache, aber denen fehlt es an Kandidaten und Anständigkeit.

Wenn du gewählt wirst, gehst du dann in die Politik?
ME:
Ich gehe nicht in die Politik, denn das bin ich seit 1991. Ich war schon vorher Unternehmens Vertreter für alle Berufe, nicht nur für die Friseure. Erst in Liesing, später in Meidling.

„Sollte sich auf der Bundesebene etwas ändern, stehe ich als Bundesinnungsmeister zur Verfügung.“

Du bleibst in jedem Fall Landesinnungsmeister?
ME:
Ja! Es sei denn, es würde sich auf Bundesebene etwas ändern. Sollte Bundesinnungsmeister Wolfgang Eder seine Funktion nicht verlängern, stelle ich mich gern für seine Nachfolge zur Verfügung.

Das klingt selbstsicher!?
ME:
Ich glaube, dass ich die Anforderungen an solch eine Position erfülle. Ich war schon immer politisch, habe verschiedene Ausbildungen über den Wirtschaftsbund gemacht, beispielsweise das Bundes-Mentoring von Christoph Leitl (ehemaliger Präsident der WKO Österreichs, Anm.). Das sehe ich in der Branche als Alleinstellungsmerkmal. Ich bin der politischste Friseur in Österreich und bin, im Gegensatz zu meinen Innungsmeisterkollegen, über die Politik zur Funktion bei den Friseuren gekommen.

Kannst du mir kurz das Mentoring erklären?
ME:
Das ist eine Ausbildung, die über ein Jahr geht und in dem man verschiedene gesetzgebende Körperschaften kennenlernst, z.B. das Wirtschaftsministerium, oberösterreichische Landesregierung, oder die ständige Vertretung in Brüssel. Ich denke, ein Landesinnungsmeister muss nicht im Salon stehen und sein bester Mitarbeiter sein. Wir brauchen einen Lobbyisten und keinen Friseur an der Spitze.

Bist du ein Lobbyist?
ME:
Ich bin kein eingetragener Lobbyist, aber ich habe die Möglichkeit, Kontakte aufzubauen, weil ich ein gutes Netzwerk habe. Wenn ich etwas weiterbringen möchte, dann bringe ich die Informationsträger zusammen.

„Ein Landesinnungsmeister muss nicht im Salon stehen
und sein bester Mitarbeiter sein.“

Arbeitest du noch als Friseur?
ME:
Selbstverständlich. Ich hatte einen Perückenhandel und vorher einen Betrieb im 23. Bezirk, aktuell bin ich im 8. Bezirk eingemietet und übernehme in absehbarer Zeit einen Salon mit 4 Mitarbeitern im Bereich der Haarverlängerung. Außerdem bin ich bin im Ausbildungsbereich tätig, sowohl im Wiener Kompetenzzentrum der Innung als auch im Wifi.

Welches Thema als Innungsmeister liegt dir denn besonders am Herzen?
ME
: Der Ausbildungs- und Bildungssektor, hier haben wir großen Bedarf! Was viele nicht wissen: 1992 -1996 war ich im Weiterbildungsbereich für L‘Oréal im Westen Österreichs tätig. Das neue Kompetenzzentrum in Wien ist ein Abbild dessen, was ich aus dieser Zeit mitgenommen habe. Und ich lehne mich weit nach vorn: Hätten wir in Österreich vier solcher Kompetenzzentren, hätten wir weiterbildungstechnisch ein flächendeckendes Modell für alle Anbieter, nicht nur für die Industrie.

Was willst du für die Friseure ganz konkret angehen?
ME:
Den Solidarbeitrag für die Lehrlingsausbildung! Die Betriebe, die Lehrlinge ausbilden, sollten Unterstützung aus einem gemeinsamen Fond, in den alle Betriebe einzahlen, bekommen. Dann können auch höhere Löhne für Lehrlinge gezahlt werden, was wiederum die Ausbildung für alle attraktiver macht.

Das finde ich einen spannenden Ansatz. Danke Marcus und viel Glück für den 11.Oktober, den Wiener Wahltag!