Credit: Lea Sauter Team

14.10.2019

Lea Sauter über typisch weibliche Zweifel und das große Was-Wäre-Wenn

Lea Sauter hat mit ihren 29 Jahren den Gruppa L'Ultima Salon in der Wiener Innenstadt übernommen, in dem sie selbst gelernt hat. Mit uns sprach sie über typisch weibliche Zweifel und den Mut, der den Frauen in der Branche fehlt.

imSalon: Lea, hattest du immer so einen klaren „Plan“ für deine Karriere?
Lea Sauter: Mir war immer klar, dass ich eine Lehre machen will – sie haben mir deshalb sogar das letzte Schuljahr erlassen. Ich wollte unabhängig sein und lernen, mich selbst zu stylen. Früher gabs ja kein Instagram und Youtube.

Eine Friseurin kann Probleme instant lösen, beim Arzt geht das nicht

Es ist aber schwer für Junge: Man hat keine Vorstellung, was man wirklich den ganzen Tag macht. Ich wusste es auch erst danach und es hat mir wirklich gefallen. Die Leute gehen zum Friseur, wenn sie unzufrieden sind und das Tolle an dem Beruf ist: Jemand kommt mit einem Problem und ich kann es instant lösen. Beim Arzt gehe ich nicht gesund wieder heraus.

…und nach der Lehre?
LS: Natürlich hatte ich Bedenken, hier immer der Lehrling zu bleiben, aber das war nicht so. Ich habe zwei Jahre als Gesellin gearbeitet und dann als Partnerin mit der Hälfte des Unternehmens. Damals waren wir wahnsinnig unterbesetzt, haben viele Überstunden gemacht. Mein damaliger Chef, Christian Hruska wollte sich zurückziehen und um die anderen Salons kümmern. Er wollte die Sicherheit, dass ich bleibe und ich wollte auch mit etwas aussteigen. Ich war aber damals noch zu jung, war überfordert und habe meine Anteile wieder abgegeben.

Das Ende war dann ein neuer Anfang. Ein Kunde meinte: „Lea, du bist so dumm, mach das nicht“ und hat mir das jedes Mal wieder gesagt, wenn er kam. Ich konnte zu viele Dinge nicht – ich bin eine gute Friseurin, aber Betriebswirtschaft? Personalführung? „Alles kann man lernen“, hat er gesagt. Um eine gute Unternehmerin zu sein, muss man eine Grundeinstellung haben und den Beruf gerne machen.
Also beschloss ich, dass ich mein eigenes Baby daraus machen will. Christian wollte, dass ich bleibe und so hat er mir den Salon ganz übergeben. 

Sich nicht zu entscheiden, ist auch eine Entscheidung, weil dann entscheidet man sich immer dagegen.

Sind Frauen vorsichtiger?
LS: Frauen machen sich Gedanken über Probleme, die noch gar nicht da sind. Was, wenn ich ein Kind bekomme, was wenn die Umsätze, wenn, wenn, wenn. Mein Kunde meinte: „Ja, und was wenn nicht?“. Sich nicht zu entscheiden, ist auch eine Entscheidung, weil dann entscheidet man sich immer dagegen.
Männer denken da anders – wenn das Problem da ist, werde ich das schon irgendwie machen. Die haben eine größere Risikobereitschaft. Frauen brauchen mehr Sicherheit und einen Plan und wenn der nicht aufgeht, ist es immer ein Gefühl von Versagen. Aber eigentlich heißt das nur, dass man den Plan einfach ändern muss.

Credit: Lea Sauter

Sind deine Pläne denn aufgegangen?
LS:
Ich hatte viele Pläne und Ideen, aber unterm Strich kam immer alles anders – und auch besser. Als Christian mir angeboten hat, die Filiale zu übernehmen, dachte ich: „Pfuh, ganz alleine, ich weiß nicht, ob ich das kann… und was wenn nicht?“ – auch so ein Frauending: „Was ist wenn“?
"Lea, umgekehrt! Wenn du es nicht tust, denkst du dir dann irgendwann: Was wäre gewesen, wenn“ hat mir der Kunde gesagt. Die Frage ist doch nur, womit man besser umgehen kann – mit dem Risiko oder damit, sich ein Leben lang die Frage zu stellen, was gewesen wäre.

Dieser Kunde von dir sollte schon einen Mental-Coach-Rabatt bekommen (lacht)….
LS: Genau das ist, was meinen Beruf so besonders macht – es geht nicht ums Haareschneiden. Ich stehe nicht morgens auf und denke „Wow, ich darf heute Haare schneiden“, sondern freue mich auf meine Kunden. Ich habe ihre Entwicklungen mitgelebt und eine persönliche Beziehung zu jedem.
Ich habe Kunden aus allen Bereichen und es ist interessant so viele Eindrücke zu bekommen. Meine Kunden bringen mir so viel bei und machen mein Weltbild ganz offen.

Weil man die Menschen am Kopf berührt, lassen sie einen in ihre Intimsphäre

Reden die Kunden mit Friseurinnen anders als mit Friseuren?
LS:
Die Themen sind sicher andere. Ich habe mal nachgelesen, warum man als Friseur sehr viele Dinge erfährt, die man nicht jedem erzählen würde.
Das ist sehr psychologisch – weil man die Leute am Kopf berührt, greift man in die Intimsphäre ein. Man erlaubt es eigentlich nur Menschen, die einem Nahe stehen.
Und dann in Kombination mit dem Spiegel, über den man spricht. Wenn man jemanden nicht direkt ansieht, hat das eine Art Beichtstuhleffekt. Ich bin sehr geehrt, was die Leute mir alles anvertrauen und will auch wissen, wie die Geschichte weitergeht (lacht).

Was sagst du zum Feedback: „Frauen tun sich Karriere nicht an“?
LS:
Es macht schon einen Unterschied, ob man einen Partner zuhause warten hat, wenn es mal länger dauert oder am Wochenende, wo Seminare und Schulungen stattfinden. Der Erfolg als Friseurin ist sehr ans Privatleben gekoppelt. Ich will das gar nicht negativ sehen, für mich ist meine Karriere ein Selbstverwirklichungsprojekt, da gibt’s nichts drüber.

Männer sind da viel strikter und fahren ihre Schiene. Das ist in vielen Beziehungen ein Streitthema. Als Karrieremann ist es sicher einfacher, sich eine Frau zu suchen, die das mitmacht, als umgekehrt.

Wie gehst du damit um, wenn eine Mitarbeiterin schwanger wird?
LS:
Ich habe das zweimal erlebt. Eine kam wieder, aber es war schwierig mit der Kinderbetreuung. Man kann als Friseurin gut verdienen, wenn man viel leistet – das ist vielen Müttern aber zu anstrengend. Spät beginnen und lange bleiben ist mit Familie schwieriger. Auch körperlich, wenn man eine schlaflose Nacht hatte.  

Auf einer Bühne zu stehen erfordert mehr Mut als Können

Wieso sind, deiner Meinung nach, in unserer Branche so viele Männer auf den Bühnen?
LS:
Ich glaube die Frauen unterschätzen ihre Fähigkeiten, der Mut fehlt zu sagen „Hallo hier bin ich und das hat euch alle zu interessieren“. Das ist vielleicht keine Frage des Selbstbewusstseins, weil ich bin fachlich gut und sehr selbstbewusst, aber auf die Bühne stellen? Da gehört mehr Mut dazu als Können. Präsent sein wollen muss man auch.

Ist die Friseurbranche da speziell?
LS:
Das ist sicher kein branchenspezifisches Problem. Frauen stellen sich nirgendwo hin und erklären die Welt – man hat immer die Befürchtung „Das interessiert doch keinen, was ich mache“. Männer haben weniger Angst, was die Leute von ihnen denken. Man urteilt ja auch schneller über Frauen.

Wie war die Reaktion von Männern und Frauen auf deine Karriere?
LS:
Männer wie Frauen fanden das super, dass ich das jetzt mache. Aber die Kritik und die Fragen kamen nur von den Frauen. Frauen sollten sich gegenseitig viel mehr unterstützen – es herrscht eine ganz andere Konkurrenz und ein Neid als unter Männern. Oder auch Männern gegenüber Frauen.

Leben junge, talentierte Frauen heute anders als früher?
LS:
Es ist schon ein Generationenunterschied – die Welt steht einem immer und jederzeit offen, die Leute haben weniger Langzeitziele, sind sprunghafter. Früher hat man einen Beruf gelernt, ihn ausgeübt und nur, wenn es wirklich klar war, hat man etwas anderes gemacht.

Social Media zeigt einem so viel von der Welt - man könnte ja etwas verpassen!

Heute gibt man schneller auf und verliert den Biss. Man könnte ja etwas anderes verpassen. Man hört überall, was für tolle Jobs die anderen haben und lässt sich so leicht von der Oberfläche blenden, statt das Schöne an dem zu suchen, was man jetzt macht. Man sieht im Social Media so viel von der Welt und alles andere sieht so gut aus, weil es immer beschönigt wird.
Es gibt aber auch viele Lehrlinge, die aufhören, weil sie sich das anders vorgestellt haben – auch mental, weil man muss es schon wollen, den ganzen Tag zu reden und nett zu sein.

Wie gehst du damit um, wenn jemand dich privat mit Friseurinnenklischees konfrontiert?
LS: In meinem Freundeskreis habe ich das Thema gar nicht. Meiner Erfolgsstory kann man auch nur schwer etwas entgegenhalten. Ich sehe diese Klischees auch gar nicht – im Gegenteil: jeder soll froh sein, dass es Friseure gibt, denn es muss alles geben und jeder ist ein Teil der Gesellschaft.

Du bist jetzt mit 29 Salonchefin. Wird dir nicht fad mit 40?
LS:
Ich werde noch ein paar Jahre damit beschäftigt sein, hier reinzufinden und danach bieten diese Räume genug Möglichkeiten. Vielleicht auch ein Kind, aber dann bleibe ich sicher nicht Hausfrau&Mutter. Ich möchte finanziell unabhängig sein und meine Erfüllung nicht nur im Muttersein suchen. Heutzutage wollen das die Frauen gar nicht mehr und es ist auch nicht notwendig.

Was wünscht du dir für die Branche?
LS:
Mehr soziale Anerkennung von außen, wodurch man der Dienstleistung mehr Wert zuspricht. Es ist schon okay, wenn es unterschiedliche Preisniveaus gibt, aber die Billigfriseure mindern den Wert der Dienstleistung. Die haben wohl auch ihre Zielgruppe an Kunden und Mitarbeitern. Ich würde nicht für zehn Euro Haareschneiden – damit man das verlangen kann, muss man echte Massenabfertigung machen. Arbeitsleistung darf ruhig auch etwas kosten, wie sonst kann man verlangen, dass eine Friseurin topmotiviert ist?

Und was wünscht du dir für Frauen in der Branche?
LS:
Mehr Mut und mehr Glauben an sich selbst.