Intercoiffeurin Katharina Strassl fordert Gratis Covid-Tests für Friseure | Credit: imSalon

14.09.2020

Katharina Strassl: Friseure brauchen Hotline 1450 FIRST LANE!

Die umtriebige Unternehmerin macht sich stark für Gratis-Schnelltests für alle Friseure. Aber das ist lange nicht alles. Am meisten wünscht sie sich eine gescheite Lobby, wie die der Gastronomen...

Katharina Strassl im Interview mit Katja Ottiger

Katharina, der Herbst kommt und mit ihm die prognostizierten steigenden Zahlen.
Katharina Strassl:
Jaja, im Herbst werden die Zahlen steigen, ich weiß. Da frag ich gleich: Leute, wann fängt der Herbst denn bei euch an?

Was sind deine Befürchtungen für den Herbst?
Katharina Strassl: Alle Befürchtungen bewahrheiten sich leider, steigende Zahlen, Chaos bei den Teststrecken und im Contact Tracing, Ampelschaltung ohne gesetzliche Grundlagen und Verwirrung auf allen Ebenen.

Ergibt die Ampelschaltung für Friseure Sinn?
KS:
Ich versteh diese Ampelschaltung in Wien nicht.
Die Politiker gehen in Urlaub und vereinbaren vorher noch schnell eine Ampelschaltung ohne gesetzliche Grundlage. Ich habe schon beim Innenministerium angerufen und gefragt, warum die Hygieneauflagen nicht kontrolliert werden. Weil es nur Empfehlungen sind. Die Polizei hat gar keine Handhabe. Sie darf zwar ins Geschäft kommen und bitten, die Maske wieder aufzusetzen, aber strafen dürfen sie nicht.

Und das, was mich wirklich dabei ärgert ist, dass auch die, die sich wirklich genau an alle Auflagen halten, nicht ausgenommen werden, falls sich die Fälle bei Friseuren mehren. Die fahren dann ALLE Salons wieder runter. Ohne Ausnahme.

Wie gehst du mit Corona Verdachtsfällen im Team um?
KS:
Wir Friseurunternehmer müssen abchecken können, was wir in einem Verdachtsfall wirklich machen, deshalb plädiere ich für kostenlose Covid-Tests! Ich habe meinen ersten Covid-Fall hinter mir, das war einmal Hölle und zurück. In meinem Fall ein Lehrling mit Schnupfen - kein Husten, gar nichts! Nach Rücksprache mit meiner Ärztin, habe ich sie nach Hause geschickt und ihr aufgetragen, sich bei der Corona-Hotline 1450 zu melden und darauf zu verweisen, dass ich den Test verlange.

Aber du darfst keinen Test verlangen.
KS: Ich habe das mit der Mutter abgesprochen, denn für mich als Unternehmerin besteht schneller Handlungsbedarf. Und, mein Lehrling war positiv! Plötzlich steh ich also mit einem positiven Fall und 16 nervösen Mitarbeitern da. Stell dir vor, ich hätte sie arbeiten lassen! Das Ganze ist jetzt sieben Wochen her und es gab bisher kein Contacttracing.

Wie willst du die nächsten Monate mit Corona umgehen?
KS: Wir alle werden in der nächsten Zeit regelmäßig Mitarbeiter mit Symptomen haben. Im Verdachtsfall müssen wir 1450 anrufen. In Wien warten wir im Durchschnitt 3 Tage auf eine Testung und dann noch einmal 2 bis 3 Tage auf das Ergebnis – macht 6 Tage, in denen unsere Mitarbeiter in Quarantäne sitzen.

Hast du Mitarbeiter in Kurzarbeit, die einspringen könnten?
KS: Im Moment nicht, deshalb bin ich an dem Thema so dran. Ich kenne einen Kollegen in der Steiermark mit drei Covid-Fällen und sechs Verdachtsfällen. Bei ihm haben die Behörden alle Kontaktpersonen für 10 Tage in Quarantäne gesetzt. Die fahren den Salon runter, die sperren dir nicht das Geschäft zu, die nehmen dir „nur“ die Kontaktpersonen weg. Wenn du da nicht eine zweite Filiale hast… Sollte das in Wien so kommen, muss ich zurückrudern und in zwei Teams arbeiten, also Mitarbeiter in Kurzarbeit schicken, die dann nur 85 Prozent des Gehaltes bekommen.

Wie kommunizierst du, wenn du von deinen Mitarbeitern gern einen Test hättest?
KS:
Also in meinem Fall musste ich gar nichts kommunizieren. Meine Mitarbeiter haben MICH gefragt, sie haben von mir Klarheit eingefordert. Ich habe labors.at angerufen, die auch sofort kamen. Freitag 19 Uhr nach Dienstschluss. Das war ein Firmenevent, wie bei der Schulimpfung früher (lacht)! Im Moment haben wir Unternehmer bei Verdachtsfällen nur zwei Möglichkeiten: Du lässt den Mitarbeiter arbeiten und denkst: Da ist eh nix! Oder du zahlst den Test für deine Mitarbeiter selber.

Wie oft hast du testen lassen?
KS: Einmal. Alle Mitarbeiter.

Die Kosten?
KS:
140 Euro pro Person plus 30 Euro Anfahrt, zusammen 2.000 Euro. Die Frage ist, wie oft kann ich mir das leisten? Deshalb brauchen wir dringend Schnelltests!

„Wir Friseure werden in der Politik nicht gesehen
und nicht gehört.“

Was, glaubst du, ist die politische Herausforderung?
KS: Zuständig für uns sind das Gesundheits- und das Wirtschaftsministerium. Das Problem ist, dass wir Friseure in der Politik nicht gesehen und nicht gehört werden. Hinzu kommt, dass Wien mitten im Wahlkampf steckt. Da kriegst du keine klaren Aussagen.

Was braucht es vonseiten der Wirtschaftskammer, um Unternehmer hier bestmöglich zu unterstützen?
KS: Viel mehr Kommunikation über den aktuellen Stand der Verhandlungen, mehr Engagement bezüglich verfügbaren, sicheren Schnelltests, die wir selbst machen können. Soweit ich weiss gibt es  bereits welche am Markt.

Fühlst du dich bei der derzeitigen Informationslage von der Wiener Innung vertreten?
KS: In der Schule würde man sagen „bemüht“.

Du hast doch gute Innungskontakte?
KS:(bedächtiges ausatmen) Ich höre immer nur, was alles nicht geht. Ich habe das Gefühl, dass man immer erst anstupsen muss, bevor etwas auf den Weg gebracht wird. Es wird in dieser Woche noch Gespräche in der WKO dazu geben, das weiß ich von Wolfgang Eder.
Aber ehrlich: Das Tourismusministerium hat das im Griff, da nimmt der Staat eine Menge Geld in die Hand. Seit 1. September darf die Gastro einmal in der Woche ihre Mitarbeiter gratis testen lassen. Warum sind Tourismus und Gastronomie die goldene KUH und wir, die als erste Auflagen bekommen HÄTTEN mit FFP2 Maske, Visier und Gummihandschuhen zu arbeiten, nicht? Wir Friseure in Österreich haben monatlich 1,9 Millionen Kundenkontakte, im Schnitt eine Stunde lang und an Risikogruppen! Welcher Kellner hat denn das? Und WIR dürfen nicht testen?

„Wir Friseure in Österreich haben
monatlich 1,9 Millionen Kundenkontakte,
im Schnitt eine Stunde lang und an Risikogruppen!“

Also wieder das Übliche: Friseure haben keine Lobby?
KS:
Wir hätten ja eine Lobby! Unsere Lobby sind die Kunden! Die haben uns durch den Lockdown getragen. Wäre der Aufschrei der Bevölkerung nicht so laut gewesen, hätten Friseure nach dem Corona-Lockdown erst hinter der Gastro wiedereröffnet. Die haben uns doch nur vorgezogen, weil plötzlich jeder nach dem Friseur gerufen hat.
Und apropos Gastro: Die kriegen beinhart 1.500 Euro Zuschlag für Hygienemaßnahmen! Hast du das gewusst? Wir Friseure scheinen die Letzten in der Nahrungskette!

Wir sollten an die Öffentlichkeit gehen und öffentlich Gratistest über die Medien fordern! Auch für die Sicherheit unsere Kunden! Und bedenken wir: Es ist ja nicht nur ein gesundheitliches Problem, es ist für uns ein wirtschaftliches, ein existenzbedrohendes! Wir dürfen ja die normalen Krankenstände nicht vergessen, die gerade im Herbst noch mal häufiger sind durch normale Erkältungen.

Du bist ja gern frei raus: Was sind denn deine Vorschläge?
KS:
Ich sehe drei Möglichkeiten.
1. Möglichkeit: Gratis-Schnelltests! Die könnte ich im Büro liegen haben und anwenden, wenn ein Mitarbeiter mit Halskratzen daherkommt. So könnten wir alle 1450 entlasten und erst bei der Hotline anrufen, wenn dieser Test positiv ist.

2. Möglichkeit: Wir Friseure müssen bei 1450 in die First-Lane kommen! Wenn ein Friseur anruft und einen Verdachtsfall meldet, sollten wir innerhalb von 24 Stunden Bescheid wissen.

3. Möglichkeit: Man könnte uns ja über die AGES (Österreichische Agentur für Ernährungssicherheit, Anm.) gewisse Labore nennen, bei denen wir unkompliziert und mit schnellen Ergebnissen testen lassen könnten. Das muss ja gar nicht gratis sein, ich wäre bereit, einen Unkostenbeitrag von ca. 25 Euro pro Test zu zahlen.

„Ich kann sagen, was ich will. Ohne Maulkorb“

Wusstest du, dass es Kollegen gibt, die eine Kathi Strassl in der Innung Wien begrüßen und unterstützen würden? Wie sind denn deine Ambitionen in dieser Richtung?
KS:
Null. Ich wurde schon zweimal gefragt. Nur als Unternehmerin bin ich es gewohnt zu unternehmen und was mich krank macht, ist dieses ständige, was alles nicht geht. Ich bin einfach zu wenig diplomatisch, da tu ich mir leichter aus der unpolitischen zweiten Reihe. So kann ich sagen, was ich will. Ganz ohne Maulkorb.

Über Katharina Strassl

  • Intercoiffure Katharina Strassl
  • 3 Salons in Wien mit Franchisepartnerin Sybille Griessner
  • 40 Mitarbeiter, 15 Lehrlinge