Die Wiener Innungsmeister-Stellvertreterin warnt im offenen Brief an die Bundesregierung vor Schwarzarbeit und Konkursen und fordert praktikable Lösungen © Petra Spiola

17.02.2021

Gülten Karagöz fordert Testklarheit und 5% MwSt.

Die Wiener Innungsmeister-Stellvertreterin Gülten Karagöz warnt in offenem Brief vor Schwarzarbeit, Konkursen und Arbeitsplatzverlust und fordert praktikable Lösungen, zum Beispiel Schnelltests in Salons.

Gülten Karagöz erklärt in dem Schreiben an Bundeskanzler, Gesundheits- und Finanzminister die schwierige Lage der Branche: "Wir dürfen nur Kundinnen und Kunden mit gültigem, negativem Corona-Test bedienen. Die langen Wartezeiten für einen Test schrecken viele Kundinnen und Kunden ab. Das ist ein Förderprogramm für Schwarzarbeit! Es ist auch völlig unklar, ob wir als Friseure überhaupt die Tests und die Personalien kontrollieren dürfen. Wir werden hier völlig allein gelassen!"

Unterstüzt wird sie hierbei von SP-Gemeinderat und ehemaligen Arbeiterkammerpräsidenten Rudolf Kaske. Beide fordern praktikable Lösungen, wie zum Beispiel Schnelltests in den Salons, denn "Wenn das in den Schulen funktioniert, wieso nicht auch bei uns?", fragt Karagöz.
 

Der Brief an die Bundesregierung im Wortlaut:

Sehr geehrter Herr Bundeskanzler!
Sehr geehrter Herr Gesundheitsminister!

Sehr geehrter Herr Finanzminister!

Was ist Ihr Wort wert?

Nach einem Telefonat mit Bundesminister Mag. Blümel im November 2020 waren wir zuversichtlich, dass Sie die Friseurbranche nicht vergessen und unsere Situation richtig bewerten.

Nur drei Wochen Umsatzersatz sowie eine weitere Antragsmöglichkeit auf Fixkostenzuschuss sind keine angemessenen Maßnahmen, um Existenzen zu sichern bzw. zu garantieren.

Wir fordern die Zusammenarbeit mit Vertretern der Gewerkschaft und den zuständigen involvierten Behörden und Ministerien, um diese Anträge generell zu verbessern. Der Fixkostenzuschuss ist eine Beschäftigungstherapie für Steuerberater und Wirtschaftsprüfer, die Hilfe fließt nur tröpfchenweise.

Sie verstehen unsere Situation offensichtlich nicht!

Wir sind eine Dienstleistungsbranche, deren Umsätze stark mit der Veranstaltungsbranche verkettet ist. Keine Hochzeiten, keine Bälle, keine Konzerte: der Stillstand des sozialen Lebens bedeutet für uns einen massiven Wegfall unserer Einnahmen.

Wir sind gerne selbstständig, wir sind gerne Arbeitgeber. Vertrösten Sie uns nicht mit der Aussicht auf einen späteren Zeitpunkt, denn das würde fast wie Kalkül wirken. Später sind viele nicht mehr existent und die staatliche Unterstützung ist nicht mehr notwendig.

Hier und Jetzt!

Miete, Betriebskosten, Gehälter und sämtliche Nebenkosten, die Kosten für das eigene Leben: das alles muss monatlich aufgebracht werden. Selbst als wir zwischenzeitlich kurz geöffnet hatten, war es uns nicht möglich, die notwendigen Umsätze zu erzielen.

Wir haben uns den Aufbau unserer Standorte hart erarbeitet, regelmäßig Steuern und Abgaben bezahlt. Wir dürfen unsere Lebensgrundlage nicht verlieren, wir möchten unseren MitarbeiterInnen, für die wir die Verantwortung tragen, nicht sagen, dass sie ihre Arbeit verlieren. Wohin fließen die Corona-Millarden? Warum kommt das versprochene Geld nicht bei uns an?

COVID-19-Teststrategie

In den letzten Wochen ist die Aussicht auf eine zeitnahe Impfung geschwunden. Das undurchsichtige System, welche Personengruppen in welchem Zeitfenster geimpft werden, ist zur politischen Schlammschlacht verkommen. Dieser Dauerstreit lässt keine Hoffnung aufkommen, dass es eine generelle Entspannung der Situation, geschweige denn für uns Friseure geben wird.

Unsere Branche hielt sich bis dato an die harten, teilweise überzogenen und weltfremden Auflagen, um ein möglichst sicheres Umfeld für Kunden und Mitarbeiter zu schaffen. Jetzt sollen wir auch noch die Verantwortung als Kontrollorgan für durchgeführte Tests übernehmen, was aufgrund des strengen Datenschutzes in einem rechtlichen Graubereich liegt. Begleitende Rahmenbedingungen, die der Rechtslage entsprechen, wurden uns nicht mitgeteilt.

Weiteres Unverständnis herrscht zum Thema „keine Testpflicht von mobilen Friseuren“ – dies bedeutet eine Ungleichbehandlung und Förderung der Schwarzarbeit.

Schnelltests, direkt in den Geschäften, wären eine praktikable Lösung.

Somit stellen sich viele offene Fragen:

  1. Wer zahlt allfällige Strafen, wenn ein gefälschtes Testergebnis vorgelegt wird?
  2. Das Recht zur Aufforderung zur Ausweisleistung liegt bei der Exekutive und bei Behörden, nicht jedoch beim Gewerbetreibenden – sichern Sie uns dahingehend rechtlich ab?
  3. Viele Forderungen seitens der Regierung stehen im Konflikt mit den verfassungsgemäßen Grundrechten und der DSGVO, wollen Sie rechtlich nicht gedeckte Forderungen auf uns übertragen?

Bevor wir eine Öffnung mit derart unklaren Bedingungen akzeptieren, sind wir für eine längere Schließung mit weiteren staatlichen Hilfsleistungen.

Wir fordern:

  • Schnellstmögliche Absenkung des MwSt.-Satzes für Friseurdienstleistungen auf 5%
  • Sofortige Auszahlung des Fixkostenzuschusses und Anhebung der Fördersätze für Fixkosten und Umsatzersatz
  • Staatliche Unterstützung der Friseurbranche
  • Senkung der Lohnnebenkosten
  • Überarbeitung der Anträge mit Vertretern der Gewerkschaft
  • Klärung, wie die Kontrollfunktion bei den Tests rechtlich funktionieren soll
  • Zukünftige Zusammenarbeit bei geplanten Verordnungen mit Gewerkschaftsvertretern

Stellvertretend für die Branche appelliere ich erneut an Sie, die Friseurinnen und Friseure vor dem völligen Ruin zu retten! Im Gegensatz zu Gastronomie und Handel können wir unsere Dienstleistung nicht via Internet erfüllen. Sie haben bereits wertvolle Zeit verloren!

Gülten Karagöz
Wiener Innungsmeister-Stellvertreterin